Ein Volk im Ruhestand
Die Entwicklung der Bevölkerung hat auch immer Auswirkungen auf die Wohnungswirtschaft und den Wohnungsbedarf. In den letzten Jahren haben sich einige Entwicklungen vollzogen, die sowohl im großen Rahmen als auch auf regionaler Ebene von Bedeutung sind. Verwiesen sei nur auf die Corona-Pandemie und das Einwanderungsgeschehen. Vor diesem Hintergrund erfolgte eine neue Bevölkerungsvorausberechnung für den Zeitraum bis 2035.
Zum Bevölkerungsstand
Zum 30. September 2021 hatte Deutschland 83,2 Millionen Einwohner. Trotz eines Zuwachses um 93.000 (0,1 %) gegenüber dem 30. Juni 2020 blieb die Bevölkerungszahl gegenüber dem Vorjahr (30.09.2020) fast konstant. Das könnte auf eine Trendwende hindeuten, denn von 2011 bis 2019 war die Bevölkerung ständig angewachsen.
Die Bevölkerungsentwicklung wird von folgenden Faktoren bestimmt
- Binnenwanderung
- Außenwanderung
- Geburtenhäufigkeit
- Sterblichkeit
Die Binnenwanderung
Ihre Ursachen sind vor allem Aufnahme und Beendigung einer Ausbildung oder eines Studiums, Tätigkeitswechsel, familiäre Gründe.
Diese Wanderungsbewegungen führen zur Erhöhung der Bevölkerungszahlen von Städten mit Universitäten, Hochschulen und anderen Bildungseinrichtungen. Ein erheblicher Teil der Zugewanderten wandert nach Beendigung der Ausbildung wieder ab und wird in anderen Orten ansässig. Er wird jedoch in mehr oder weniger großem Umfang durch neue Studierende und Auszubildende ersetzt. Hier liegen so genannte zirkuläre Wanderungen vor.
Die Erfahrungen, die mit Telearbeit und Homeoffice seit 2020 gemacht wurden, deuten darauf hin, das sich diese Tätigkeitsformen verfestigen und ausdehnen werden. Somit könnten Wanderungen aus Gründen des Tätigkeitswechsels reduziert werden.
Binnenwanderung von jungen Menschen
Die Zahl der Fortzüge aus einem Ort wird auch beeinflusst durch die Altersstruktur (stärkere Besetzung der Altersgruppen 16 - 30 Jahre) im Zusammenhang mit einem geringen Angebot von Ausbildungsplätzen und Wohnungen. Andererseits kann günstiges Wohnbauland Zuwanderung bewirken.
Im Jahr 2019 wechselten rund 2,8 Millionen Personen über die Kreisgrenzen. Zu einem starken Rückgang der Wanderungen kam es 2020. Die ist jedoch erfassungstechnisch durch die Corona-Pandemie bedingt.
Die Bevölkerungsentwicklung insgesamt wird durch die Binnenwanderung nicht berührt. Sie kann große Auswirkungen auf die Entwicklung in einzelnen Regionen haben, wie sich in der Vergangenheit gezeigt hat.
Die Außenwanderung
Es ist damit zu rechnen, dass das Außenwanderungssaldo 2021 dasjenige von 2020 überschreiten wird. Die hohe Zuwanderungssalden hängen ab von
- der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland und der EU
- der Entwicklung der Familiennachzüge bereits in Deutschland lebender Zuwanderer und Migranten
- der Entwicklung in den internationalen Konfliktherden
- der Wirksamkeit des Fachkräftezuwanderungsgesetzes
Bei den Bevölkerungsvorausberechnungen wurde mit zwei Varianten des Wanderungssaldos gerechnet: einem moderaten und einem hohen Saldo. Mit einem niedrigen Saldo wurde nicht gerechnet, da es nur im Falle erheblicher gesetzlicher Zuwanderungsbeschränkungen in Betracht käme. Beim moderaten Saldo wird mit einem mehr oder weniger gleichbleibenden Zustrom von etwa 220.000 Personen pro Jahr bis 2035 gerechnet.
Bei einem hohen Bevölkerungssaldo wird mit einem Anstieg auf 450.000 Personen bis zum Jahr 2023 und dann mit einem Rückgang auf 320.000 Personen bis zum Jahr 2035 gerechnet.
Die Geburtenhäufigkeit
Die Geburtenhäufigkeit lag 2019 bei 1,54 Kinder je Frau im gebärfähigen Alter, im Jahr 2020 betrug dieser Wert 1,53. Es wird damit gerechnet, dass bis 2035 eine Erhöhung auf 1,56 eintritt.
Die Lebenserwartung
Die Lebenserwartung ist in den zurückliegenden Jahren weiter angestiegen. Es wird bei Frauen mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 82,3 bis 84,3 Jahren und bei Männern von 76,5 bis 79,9 Jahren gerechnet. Es ist jedoch zu beachten, dass aufgrund des Anwachsens der Bevölkerung in den höheren Altersgruppen die Zahl der Sterbefälle zunehmen wird.
Ergebnisse der Vorausberechnung
Die moderate Variante weist für 2035 etwa 81,3 Millionen Einwohner aus und die Variante mit hohem Wanderungssaldo 84,2 Millionen Einwohner. Das ist gegenüber 2020 ein Rückgang um 2,2 Prozent oder ein Anstieg um 1,2 Prozent.
Nach der ersten Variante gibt es einen Bevölkerungszuwachs nur in Bayern mit 0,6 Prozent und Hamburg mit 0,9 Prozent. Besonders hoch werden die Rückgänge in Sachsen-Anhalt (-12,4 %) und Thüringen (-11,6 Prozent) sein.
Nach der zweiten Variante kommt es dagegen in neun von 16 Bundesländern zu einem Zuwachs. In den anderen Bundesländern wird der Rückgang gebremst, in Thüringen auf immer noch minus 10,1 Prozent. Die westdeutschen Flächenländer könnten danach mit einem Bevölkerungszuwachs um 2,0 Prozent rechnen, die Ostdeutschen mit einem Verlust von 4,3 Prozent. Als einziges ostdeutsches Flächenland kann Brandenburg mit einem Zuwachs von 2,5 Prozent rechnen.
Die Stadtstaaten haben einen Zuwachs von 4,6 Prozent zu erwarten, allerdings muss Bremen einen Rückgang um 0,5 Prozent erwarten.
Berlin hat mit 5,4 Prozent den höchsten Zuwachs überhaupt.
Auswirkungen der zukünftigen Bevölkerungsentwicklung
An dieser Stelle soll nur auf die Veränderungen der Altersstruktur verwiesen werden. Die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter nimmt weiter ab. Sie sinkt von 51,6 Millionen Einwohner im Jahr 2020 auf 45,9 Millionen im Jahr 2035 in der moderaten Variante und auf 47,9 Millionen bei einem hohen Wanderungssaldo – auf jeden Fall tritt ein Rückgang ein.
Am stärksten wird der Rückgang in den ostdeutschen Flächenländern sein. In der moderaten Variante wird der Rückgang bei 14,9 Prozent liegen, bei einem hohen Wanderungssaldo bei 11,7 Prozent. In den westdeutschen Flächenländern ist eine Verringerung der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter um 10,8 bzw. 7,0 Prozent zu erwarten. Die Stadtstaaten haben einen Rückgang um 4,9 Prozent oder einen Anstieg um 0,6 Prozent zu erwarten. Dieser könnte jedoch nur in Berlin mit 2,1 Prozent und Hamburg mit 0,3 Prozent eintreten.
Der Rückgang der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter wird den Fachkräftemangel weiter verstärken. Ein Ausgleich kann nur durch höhere Qualifizierung der vorhandenen Kräfte und durch verstärkte Zuwanderung erfolgen.
Das weitere Anwachsen der Bevölkerung im Rentenalter führt zu noch nie dagewesenen Anforderungen an das Gesundheits- und Sozialwesen und wird auch die Wohnungswirtschaft stärker fordern als in der Vergangenheit.
Fazit
Mit einem Wachstum der Bevölkerung ist nicht zu rechnen und ihre Altersstruktur wird sich ungünstiger gestalten. Somit wachsen die Anforderungen an die Gesellschaft noch stärker. Es werden mehr altersgerechte Wohnungen benötigt und das Wohnumfeld ist entsprechend zu gestalten. Hier sind innovative Lösungen im großen Umfang gefordert. Die Wohnungswirtschaft muss zur erfolgreichen Bewältigung von zwei großen Veränderungsprozessen, dem Klimawandel und dem demografischen Wandel, beitragen.
Quellen:
Statistisches Bundesamt; Ausblick auf die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland und den Bundesländern nach dem Corona-Jahr 2020, Mittelfristige Bevölkerungsvorausberechnung 2021 – 2035; 2021
Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung; Fakten zur demografischen Entwicklung Deutschlands 2010 – 2020; 2021
Dr. Wolfgang Lange

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