Baugemeinschaft setzt ganz auf nachwachsenden Baustoff

Heimat aus Holz

Im Chiemgau in Bad Endorf entstand eine außergewöhnliche Holzhaus-Siedlung in ökologischer Bauweise. Angelegt für eine Baugruppe, die in aktiver Nachbarschaft und gleichzeitig individuell wohnen will, ist das Projekt eine Alternative zum typischen Einfamilienhausbau.
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Fünf Häuser à 100 m² ausgelegt für vier Personen, vier Häuser à 75 m², passend für zwei Personen sowie zwei 40 m² Single-Wohnungen. Bild: Uli Niedersteiner/Hatz Architektur
Fünf Häuser à 100 m² ausgelegt für vier Personen, vier Häuser à 75 m², passend für zwei Personen sowie zwei 40 m² Single-Wohnungen. Bild: Uli Niedersteiner/Hatz Architektur

Singles, Familien, Senioren, Jung und Alt fühlen sich in der Siedlung mit insgesamt zehn Holzhäusern wohl. 25 Menschen wohnen bereits dort, maximal könnten es 30 insgesamt werden. Die Gebäude präsentieren sich als neue Form des gemeinschaftlichen Planens, Bauens und Wohnens. Umgesetzt wurde das spannende Projekt von der ZimmerMeisterHaus-Manufaktur Wörndl aus Eggstätt. Das Projekt einer privaten Baugemeinschaft zeigt unkonventionelle Wege für klimaneutrales und ressourcenschonendes Bauen.

Von der Idee zur Tat

Initiator der innovativen Bauaufgabe ist Hans Fritz, Biobauer und leidenschaftlicher Verfechter regionaler und naturschonender Baugestaltung und -entwicklung. Er hatte die Idee für eine Mehrgenerationensiedlung schon 2008. Für das zukünftige Zusammenleben von Menschen sieht er viele neue Möglichkeiten, am besten aber findet er Mehrgenerationensiedlungen, in der jede Lebensvorstellung ihren eigenen Platz bekommt. In Bad Endorf entsteht eine Gemeinschaft, die sich gegenseitig hilft und füreinander da ist – in allen Altersgruppen. „Die Selbstbestimmung und Selbstverantwortung nimmt in der Siedlung eine wichtige Stelle ein“, sagt er. „Wie die Menschen in Zukunft wohnen wollen soll erprobt werden, soziale Nachbarschaften spielen eine große Rolle.“

Baugemeinschaften dieser Art leisten einen wesentlichen Beitrag zur Bewältigung der Probleme des demografischen Wandels und damit zur Integration aller Menschen – egal wie unterschiedlich sie sind.

Wohnhäuser für viele Generationen

Hans Fritz erarbeitete den Plan für die Siedlung auf dem 2.700 Quadratmeter großen Gelände. Beratend und ausführend standen ihm die beiden Architekten Roland Sommerer aus Seeon und Ulrich Hatz aus Trostberg zur Seite. „Das angedachte Mehrgenerationenprojekt fand ich von Anfang an spannend“, erzählt Ulrich Hatz, „es passt sehr gut zu meinen eigenen Ansichten von zukünftigen Wohnformen im demografischen Wandel.“

Gemeinsam entwickelten die Beteiligten ein Jahr lang die Hausgrößen nach dem Motto „So groß wie notwendig und so klein als möglich“. Herausgekommen ist schließlich eine besonders gefällige Größe der Wohneinheiten und genug Raum bei optimierten insgesamt 965 m² Wohnfläche für elf Wohn-Einheiten.

Atelier und Gemeinschaftsraum ausgebaut

Die Holzbau-Experten der Zimmerei Wörndl trafen sich zunächst mehrere Male mit dem Bauherrn, den beiden Architekten, dem Energieberater, Brandschutzexperten und dem Statiker. Ziel war es, eine Niedrigenergie-Siedlung in ökologischer Holzbauweise zu schaffen.

Die fünf zweistöckigen Häuser sind baugleich und haben je 100 Quadratmeter Wohnfläche. Bei einem Gebäude ist auch die Innenverkleidung ganz in Holz ausgeführt. Alle anderen Häuser sind innen mit Gipsfaserplatten verkleidet. Vier etwas kleinere Bungalows sind ebenfalls baugleich. Im zehnten Haus befinden sich zwei 40-m²-Wohnungen, ein 62-m²-Gemeinschaftsraum und ein 23-m²-Atelier. Hinzu kommen 15 Garagen, 11 Stellplätze und 300 m² zusätzliche Nutzfläche, die sich auf die einzelnen Einheiten aufteilt. Jede Wohneinheit bekam einen eigenen Lagerraum über den Garagen von rund 13 m², dazu kommen Gemeinschaftskeller, Werkstatt, Mülltonnenraum, ein Raum für die Elektroinstallationen und ein Fahrradunterstelldach. 2015 wurden Atelier und Gemeinschaftsraum ausgebaut und somit weitere 85 qm hinzugefügt.

„Den Niedrigenergiestandard haben wir mit einer besonders starken Dämmung der Wände (Holzweichfaserdämmung) und Fenster erreicht“, berichtet Zimmermeister und Energieberater Franz Wörndl. „Über eine Lüftungsanlage wird sichergestellt, dass der Großteil der von Bewohnern und Elektrogeräten abgegebenen Wärme nicht ungenutzt entweicht und die Räume mit Frischluft versorgt werden.“

Ökologische Holzbauweise gegen den Klimawandel

Markantes Merkmal aller Gebäude ist die in Holzrahmenbauweise erstellte hochwärmegedämmte Gebäudehülle aus heimischen Hölzern wie Fichte und Tanne. Die Fassade hat man mit sägerauen heimischen Lärchenbrettern verschalt. Diese wurden vom Bauherrn selbst gestellt.

Die Beteiligten legten zudem Wert auf ein qualifiziertes Konzept für Brandschutz, Wärmeschutz und Schallschutz und treten mit der ökologischen Holzbauweise auch gegen den Klimawandel an.

Das Vorhaben punktet mit einem hervorragend passenden Energiekonzept. Jedes Haus hat eine eigene Heizeinheit, eine elektrisch betriebene Wärmepumpe für Heizung, Lüftung und Warmwasser. Integriert sind ein 170 Liter Warmwasserspeicher, Vor- und Rücklauf für die Fußbodenheizung und die kontrollierte Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung. Zusätzlich hat jedes Haus eine eigene 4,2 KWh Photovoltaik-Anlage für die Eigenstromnutzung.

Im Vergleich zu einem durchschnittlichen Neubau spart man hier mehr als 75 Prozent der Energie. Erfreulich sind auch die Erfahrungen mit der Eigenstromnutzung. Im Durchschnitt hat jede Wohneinheit 2.000 kW vom Dach geholt.

„Holzbau hat viele Facetten“, sagt Zimmermeister Franz Wörndl. „Hier ist uns mit der Siedlung ein Stück Bauen der Zukunft gelungen. Für uns haben der Holzbau und unser Handwerk eine bewährte Tradition, aber wir sehen auch zielstrebig unsere Aufgaben für die Zukunft. Die Verbindung von handwerklicher Arbeit und neuen Technologien ist dabei ein besonders wichtiger Schritt.“

Eva Mittner

Eva Mittner
freie Journalistin
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Artikel Heimat aus Holz
Seite 40 bis 41
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