Energetische Ertüchtigung im laufenden Betrieb

Holzbauliche Sanierung in kürzester Zeit

In Rheinland-Pfalz galt es, ein typisches Bürogebäude in Massivbauweise aus den 1960er-Jahren baulich und energetisch im laufenden Betrieb zu ertüchtigen.

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Die Befestigung der nicht tragenden Vorhang-Fassadenelemente erfolgte mittels Stahlwinkeln an den lastaufnehmenden Stahlbeton-Geschossdecken. Bild: CLTech GmbH & Co.KG
Die Befestigung der nicht tragenden Vorhang-Fassadenelemente erfolgte mittels Stahlwinkeln an den lastaufnehmenden Stahlbeton-Geschossdecken. Bild: CLTech GmbH & Co.KG

Das achtstöckige Geschäftshaus, inmitten der Großstadt Kaiserslautern gelegen, bedurfte einer grundlegenden Sanierung. Dessen Gebäudehülle und großflächige Fensterbänder waren nach über 50jähriger Bewitterung marode und gemäß heutiger Standards unzureichend gedämmt. Bedingt durch die intensive Nutzung durch verschiedene Parteien – im Erdgeschoss wird ein Ladenlokal betrieben, während in den Obergeschossen eins bis sieben diverse Büros sowie ein Radiosender beheimatet sind – galt es, eine bauliche Lösung im möglichst laufenden Betrieb ohne lange Gerüststandzeiten zu realisieren. Diese Grundvoraussetzung sowie die relativ beengte Lage am Rande der Fußgängerzone führten zu der Sanierung mit werkseitig weitgehend vorgefertigten Massivholzelementen.

Der ortsansässige Spezialbetrieb zur Weiterverarbeitung von Brettsperrholz (BSP), die CLTech von Zimmermeister Jürgen Gottschall war in der Lage, diese spezifische Herausforderung zu stemmen. Hintergrund ist, dass der Holzmassivbau bis dato zwar den Rohbau schnell zu erstellen vermag, jedoch die komplette Fertigstellung im Gegensatz zum Holzständerbau zumeist noch auf der Baustelle ausgeführt wird. Das Anbringen der Dämmung, die Fenstermontage, das Einfräsen der Kabelkanäle bis hin zum Fassaden- und Innenraumabschluss: All das kostet viel Zeit, inklusive der zu organisierenden Baustellenlogistik. Des Weiteren birgt etwaige Nässe, die in den Rohbau gelangen kann, Probleme, was wiederum Abdeckungen erfordert und den Bauprozess verzögert. Zudem sind die Mitarbeiter länger als nötig Wind und Wetter ausgesetzt.

Witterungsunabhängige Vorfertigung in der Werkhalle

Hier setzt die CLTech an und greift dabei auf einen umfänglichen Spezialmaschinenpark zurück, darunter eine Multifunktionsbrücke mit Wandwechsler, die sowohl für den Holzrahmen- als auch für den Holzmassivbau ausgelegt ist. Sie ermöglicht u.a. den vollautomatischen Vorzuschnitt, das Aussägen von Fenster- und Türöffnungen sowie das Aussparen von Steckdosen inkl. Schrauben und Leimen. Auf der Fertigungsstraße werden Bauteile bis zu einer Breite von 3,1 Meter und 12 Meter Länge montagefertig vorproduziert. Dabei fließen die CAD-Daten aus der Arbeitsvorbereitung in das kompatible Softwareprogramm von Abbundanlage und Multifunktionsbrücke.

Aufgrund dieses hohen Vorfertigungsgrades mit dem Anbringen der Dämmung, dem Einbau von dreifach verglasten Holzfenstern mit einem U-Wert von 0,95 W/m²K, den Vorinstallationen und dem außenseitigen Anbringen einer schwarzen Wind- und Wetterschutzbahn ist es gelungen, die Montagephase auf der innerstädtischen Baustelle um rund 50 Prozent zu verkürzen. Einzig die Befestigung der neuen Fassadenbekleidung aus witterungsresistenten, nichtbrennbaren Faserzement-Platten mit einer deckenden Beschichtung konnte aufgrund damaliger Lieferschwierigkeiten nicht in der Werkhalle erfolgen. Das verspätete Anbringen der nur acht Millimeter dünnen Platten auf der Baustelle ließ sich dann jedoch, da vorbereitet geschnitten und gebohrt angeliefert, zügig ausführen.

Holzbauelemente auf der Hauptfassadenseite in einem Tag montiert

Um im Stoßbereich die Einzelraumlüfter platzieren zu können, legte man der Planung eine entsprechende Breite der Elemente zugrunde und verlegte die Installationsebene für Elektro/Lüftung in die Rahmenkonstruktion. Bauvorbereitend wurde im Innenbereich im Abstand von einem Meter zur Außenwand eine temporäre Trockenbauwand als Staubschutzebene eingezogen, sodass die Räumlichkeiten zu keinem Zeitpunkt frei bewittert waren. Derart geschützt und separiert baute man für die Montage der Vorhangfassade Teile der alten Brüstungen aus Kalksandstein zurück und demontierte die alten Fenster.

Mit dieser Vorbereitung ist es gelungen, die gesamte Vorderseite innerhalb von nur einem Tag mit den neuen Holzbau- elementen zu bekleiden. Der detaillierten Planung und Ausführung lag ein 3D Laserscan des Bestandsbaus zugrunde. Hierbei erfassten Millionen gesetzter Datenpunkte die Fassadenfront mit sämtlichen Details inklusive der Anordnung der Fenster. Die so erstellte ‚Punktewolke‘ ließ sich dank der Systemkompatibilität mit der Holzbau CAD/CAM Software in eine millimetergenaue, den Fassadenverlauf exakt abbildende Konstruktionsplanung überführen. Die beiden fensterlosen Seitenwände der Rückseite wurden von innen gedämmt. Vor den Altbestand platzierte man eine zehn Zentimeter tiefe und mit Steinwolle gedämmte Ständerkonstruktion, die nach außen mit einer Dampfsperre und nach innen mit Gipskartonplatten abgeschlossen wurde. Zudem hat auch die Rückseite neue Fenster erhalten.

Mischkonstruktion aus Holzmassiv- und Ständerbau

Die energetische Sanierung der Vorderseite des Geschäftshauses basiert auf zwölf Massivholz-Elementen (Maximalmaße (L) 10 m × (B) 2,18 m × (H) 0,12 m), auf die außenseitig eine 200 Millimeter Holzständerkonstruktion montiert und in ebendieser Stärke mit Steinwolle gedämmt wurde. Innenseitig auf der Massivholzebene mit einer 15 Millimeter Gipsfaserplatte abgeschlossen, sitzt auf der Außenseite eine hinterlüftete Unterkonstruktion aus Konter- und Traglattung von 40 Millimeter Tiefe für die Montage der Fassadenplatten. Dieser Aufbau entstammt dem von der Holzforschung Austria betriebenen Online-Katalogsystem www.dataholz.eu, das von akkreditierten Prüfanstalten bauphysikalisch und ökologisch geprüfte und zugelassene Holz- und Holzwerkstoffe, Baustoffe, Bauteile und Bauteilfügungen zur freien Verwendung bereithält. Die von den Zimmerern übernommene duale Lösung erfüllt zwei bautechnische Vorgaben: zum einen hohe Steifigkeit im Vorhang-Fassadenelement und zum anderen die Vorgaben des Brandschutzes für den Achtgeschosser der Gebäudeklasse V, die von der nicht brennbaren mineralischen Dämmung im Ständerwerk erfüllt wurde. Die komplette holzbauliche Leistung konnte inklusive Planung, Vorfertigung und Montage in nur zwei Monaten ausgeführt werden.

Die millionenfachen Bestandsbauten in Deutschland, wie auch der markante Objektbau inmitten der Pfälzer Großstadt, verfügen nicht nur über einen materiellen, sondern immer auch über einen praktischen Wert, der sich aus der Nutzung ableitet. Zudem können sie auch einen elementaren Teil der Stadtgeschichte bilden, eingebunden in den gewachsenen, siedlungsstrukturellen Gesamtkontext. Nicht zu vergessen die sogenannte graue Energie, die beim Bau und bei der Herstellung der Baumaterialien damals entstanden ist und im Baukörper steckt, und bei einem Abriss freigesetzt wird bzw. beim Neubau noch einmal entstünde. Aus all diesen Gründen ist eine Sanierung häufig – wie auch in diesem Fall – nachhaltiger als ein Neubau.

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Senkung von Primärenergiebedarf und Transmissionswärmeverlust

Mit Abschluss der Sanierung ist es in nur wenigen Monaten gelungen, den jährlichen Primärenergiebedarf und den Transmissionswärmeverlust der nun hochwärmegedämmten Gebäudehülle mit einem mittleren U-Wert von < 0,2 W/m²K signifikant zu senken. Das Bürogebäude erfüllt zudem mit der Wärme- und Schallschutzverglasung sowie den fassadenintegrierten, mit Lochblechen abgedeckten, dezentralen Lüftungseinheiten aktuelle Standards, was nicht zuletzt den dort arbeitenden Menschen zugutekommt.

Mieterstrom in Vorbereitung

Die energetische Versorgung mit Heizenergie und Warmwasser erfolgt nach wie vor über ein Fernwärmenetz. Zwecks weitestmöglicher Eigenversorgung mit Strom installierte man auf dem Flachdach, der Süd-West-Fassade und der Terrassenüberdachung auf einer Fläche von 240 Quadratmetern Photovoltaik-Module mit einer installierten Leistung von 53,46 kWp (Kilowattpeak). Daraus resultiert ein berechneter Gesamtjahresertrag von 42.000 kWh, der derzeit nur zu 20 Prozent für den Gebäudebetrieb (Beleuchtung, Pumpen, Heizung) genutzt werden kann, während der Überschuss in das öffentliche Stromnetz eingespeist wird. Denn die avisierte Mieterstromnutzung, die technisch vorbereitet ist, scheitert bis dato an administrativen Hürden des Energieversorgers. Mit der Montage von digitalen Stromzählern erhofft man sich, das Problem beizeiten lösen zu können, sodass dann die Stromeigennutzung bei rund 80 Prozent läge und die Mietnebenkosten senke.

Das Beispiel in Kaiserslautern belegt, wie eine energieeffiziente Modernisierung von alten Bestandsgebäuden in Massivbauweise dank des modernen Ingenieurholzbaus vollzogen werden kann. Dabei ist es gelungen, die Inwertsetzung so zu verwirklichen, dass der architektonische Charakter des Ursprungsbaus erhalten und damit dessen baukulturelles Erbe bewahrt werden konnte.

Bauherr, Bauleitung: Palatina Wohnbau GmbH, 67655 Kaiserslautern

Architektur: Architekturbüro.pg1, 67655 Kaiserslautern

Holzbau Planung, Vorfertigung: CLTech GmbH & Co. KG, 67661 Kaiserslautern

Holzbau Montage: Zimmerei Gottschall, 66987 Thaleischweiler-Fröschen

Statik: Eva Saalfrank, 66919 Weselberg

Energiekonzept, Gebäudetechnik, Fördermittel: Ingenieur- und Gutachtergesellschaft Christian Persohn mbH, 67808 Ruppertsecken

KennzahlenEndenergieeinsparung: 48.353 kWh/a

Primärenergieeinsparung: 43.957 kWh/a

Marc Lennartz

Marc Lennartz
Fachjournalist und Buchautor
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Artikel Holzbauliche Sanierung in kürzester Zeit
Seite 36 bis 38
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