Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel

Mehr Grün und Blau für die Schwammstadt

Wetterextreme belasten Mensch und Natur in den stetig wachsenden urbanen Räumen. Mehr Stadtgrün und die dezentrale Regenwassernutzung können die Auswirkungen des Klimawandels mildern. Der Bund fördert Projekte mit Millionen und die Siedlungswasserwirtschaft gewinnt an Bedeutung, wie eine Umfrage der Mall Umweltsysteme GmbH zeigt.

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Wasserspiele am Elbufer in Magdeburg: Solche Anlagen kühlen die Stadt durch Verdunstung, allerdings sollten sie zukünftig nicht durch Grundwasser, sondern durch Regenwasser gespeist werden. Bild: Andrea Schwinge / stock.adobe.com
Wasserspiele am Elbufer in Magdeburg: Solche Anlagen kühlen die Stadt durch Verdunstung, allerdings sollten sie zukünftig nicht durch Grundwasser, sondern durch Regenwasser gespeist werden. Bild: Andrea Schwinge / stock.adobe.com

Die „Hasenheide“ ist ein wichtiges Erholungsgebiet im Berliner Stadtbezirk Neukölln. Seit dem ersten trockenen Sommer im Jahr 2018 gingen hier rund zehn Prozent des Baumbestandes verloren. Für die Ertüchtigung dieses Parks werden rund fünf Millionen Euro aus dem Bundesprogramm „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“ zur Verfügung gestellt. Mit dieser Summe wird der Park revitalisiert: Es werden klimaresiliente Bäume und Sträucher gepflanzt, Wiesen erneuert, Boden und Bewässerung verbessert und Schattenoasen für weniger mobile Menschen angelegt.

Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) und Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) haben anlässlich einer Besichtigung dieses Modellprojektes in der Hasenheide den vierten Projektaufruf an Kommunen und Stadtplaner gerichtet. Damit stehen für die Jahre 2023 bis 2026 weitere 200 Millionen Euro aus dem Bundesprogramm „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“ zur Verfügung.

676 Millionen Euro für mehr Klimaresilienz der Städte

Städte und Gemeinden sind zum vierten Mal aufgerufen, ihre Projekte einzureichen, zum Beispiel für die Begrünung versiegelter Flächen oder für die Ertüchtigung sowie Neuanlage von Grünflächen und Gewässern. Seit dem Programmstart im Jahr 2020 seien insgesamt 676 Millionen Euro aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) bereitgestellt worden, um die Klimaresilienz der Städte und Gemeinden zu erhöhen.

Das Bundesumweltministerium wiederum unterstützt Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen der Klimakrise in Kommunen und sozialen Einrichtungen mit 60 Millionen Euro sowie mit einer Vielfalt an Angeboten zur Beratung durch das Zentrum KlimaAnpassung (ZKA).

„Mit der neuen Fördertranche unterstützen wir die Städte und Gemeinden dabei, ihre Parks an die trockenen Sommer anzupassen, Plätze und Dächer zu begrünen, Bäche, Flüsse und Seen zu schaffen“, erklärte Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD). Das Programm trage dazu bei, die Städte angesichts von Hitzewellen zu kühlen und ein erträgliches Klima zu schaffen. Seit 2020 fördere der Bund rund 300 Projekte, die der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages ausgewählt habe. Das zeige, wie groß der Bedarf bei den Städten und Gemeinden ist, so die Bauministerin.

Umweltministerium gibt vier Milliarden für Klimaschutz

Das Bundesumweltministerium stelle bis 2026 vier Milliarden Euro für ein Aktionsprogramm „Natürlicher Klimaschutz“ zur Verfügung. Darunter versteht das Ministerium die Renaturierung von Auen, Wäldern, Mooren, aber auch die Begrünung von Städten. In Kürze folge eine Förderung von natürlichem Klimaschutz auch in Kommunen im Rahmen des Aktionsprogramms. Damit sollen neue Stadtbäume gepflanzt und neue Grünflächen geschaffen bzw. aufgewertet werden. Städte und Gemeinden sind aufgerufen, bis zum 15. September 2023 geeignete Projekte bei dem mit der Umsetzung des Programms betrauten Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) einzureichen. Die Auswahl der Förderprojekte trifft der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages.

Umfrage der Mall GmbH zum Umgang mit Regenwasser

Zunehmende Versiegelung und häufigere Starkregen sowie längere Hitzeperioden und geringerer Niederschlag im Sommer zwingen vor allem in Städten zu einem Umdenken im Umgang mit Regenwasser. Klimaresiliente Innenstädte brauchen Regenwasser – um Stadtbäume mit ausreichend Wasser zu versorgen, Überhitzung zu verhindern und den natürlichen Wasserhaushalt so gut wie möglich zu erhalten. Grundlegend ist dafür zum einen das Prinzip der Schwammstadt, bei dem möglichst viel Regenwasser an Ort und Stelle gehalten und dann zur Versorgung von Böden und Vegetation, zur Hitzevorsorge und zur Erhaltung einer lebenswerten Umwelt verwendet wird. Zum anderen geht es darum, einen möglichst naturnahen Wasserhaushalt auch in den Städten zu erreichen, wenn Wasser verdunstet, versickert und so zur Neubildung von Grundwasser zur Verfügung steht.

Die Mall Umweltsysteme GmbH, die unter anderem Betonprodukte für die Regenwasserbewirtschaftung wie Speicherzisternen herstellt, führte im April und Mai 2023 eine Marktbefragung zum Thema Umgang mit Regenwasser bei Architekten, Ingenieurbüros, Bauunternehmen, Behörden, Hochschulen sowie beim Baustoff-Fachhandel in Deutschland, Österreich und der Schweiz durch. Ziel der Umfrage war es, die aktuelle Situation, die möglichen Chancen und die Zukunftsthemen in der Siedlungswasserwirtschaft zu erfahren.

Insgesamt nahmen 6.144 Experten aus den Bereichen Tiefbau, Hochbau, Garten- und Landschaftsbau, Wasserwirtschaft und Haustechnik sowie aus dem Baustoffhandel an der repräsentativen Umfrage teil.

Zustimmung zur dezentralen Wasserbewirtschaftung nimmt zu

Um Veränderungen deutlich zu machen, werden die Ergebnisse der aktuellen Umfrage bei einzelnen Fragen der Marktbefragung 2020 gegenübergestellt. Auffällig sei, dass die Zustimmung zum dezentralen Umgang mit Regenwasser sich weiter verstärkt habe. Insgesamt werden die Maßnahmen der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung von den Befragten mit 77 Prozent sehr positiv bewertet. Die Teilnehmer der Umfrage gehen mit 76 Prozent von einer verstärkten Nachfrage in den kommenden Jahren aus. Die Erfahrungen seien mit 98 Prozent durchweg positiv, und mit 73 Prozent wird ein Ausgleich von Wasserüberschuss und -mangel als wichtigste Maßnahme angesehen. Das deute darauf hin, dass die Nutzung von Regenwasser und der Umgang mit Starkregen zunehmend Priorität bekommen. Weitere aktuelle Herausforderungen seien die Trockenheit und die daraus resultierenden Anforderungen wie die Bewässerung.

Die Aufgaben der dezentralen Wasserbewirtschaftung

Die Umfrageteilnehmer sind vor allem in der Regenwasserversickerung (84 Prozent) und Regenwasserrückhaltung (76 Prozent) tätig, 60 Prozent befassen sich mit der Regenwassernutzung. In der Regenwasserbehandlung sind 42 Prozent aktiv. 17 Prozent beschäftigen sich mit dem neuen Thema Regenwasserverdunstung. Im Vergleich zur Umfrage 2020 haben alle fünf Bereiche mit plus drei bis vier Prozent deutlich an Bedeutung gewonnen. Dies bedeute, dass die teilnehmenden Personen verstärkt mit dem Thema Regenwasser zu tun haben.

Aufgrund zunehmender Flächenversiegelung kann Regenwasser nicht mehr auf natürliche Art und Weise im Boden versickern. In vielen Regionen ist eine Versickerung zudem wegen der fehlenden Versickerungsfähigkeit der Böden nicht möglich. Das Regenwasser ist dann zurückzuhalten und verzögert an den Kanal oder Vorfluter abzuleiten. Der Bereich Regenwasserbehandlung hat aufgrund der gezielten Entlastung des Grundwassers und der Gewässer deutlich an Bedeutung gewonnen. Die Regenwassernutzung wirkt sich in vielen Kommunen positiv aus, da sie bei der Gebührenberechnung oft bereits berücksichtigt wird. Eine weitere Möglichkeit ist die Kombination der Regenwassernutzung mit Rückhaltung, die bei der Erschließung von Neubaugebieten von den Behörden vorgeschrieben werden sollte.

Stärkere Ausrichtung auf die klimaresiliente Stadt

Die Teilnehmer der Umfrage bauen ihre Anlagen zur Regenwasserbewirtschaftung mit 66 Prozent in Gewerbe und Industrie sowie mit 62 Prozent bei Kommunen ein. Beide Bereiche haben ein bzw. drei Prozent zugelegt. Bei den privaten Haushalten gab es zwischen 2020 und 2023 einen Rückgang um zwei Prozent auf 62 Prozent. Dies hänge vermutlich mit dem Rückgang der Neubauten bei den Einfamilienhäusern in den Jahren 2022 und 2023 zusammen. Die Auswertung zeige, dass der Einsatz in Gewerbe, Industrie und bei Kommunen in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist. Ein Grund hierfür sei vermutlich die Ausrichtung hin zu einer klimaresilienten Stadtentwicklung.
Die dezentrale Regenwasserbewirtschaftung beurteilen 77 Prozent der Befragten positiv und bestätigen mit einem leichten Zuwachs von einem Prozent gegenüber 2020 weiterhin eindrucksvoll den Paradigmenwechsel im Umgang mit Regenwasser in den letzten Jahrzehnten. Eine neutrale Sichtweise haben 22 Prozent, und lediglich ein Prozent sieht eine derartige Wasserbewirtschaftung negativ. Das Ergebnis der Umfrage sei sehr deutlich: Die Entscheidungsträger der Wasserwirtschaft setzen heute mehr denn je auf eine dezentrale Regenwasserbewirtschaftung, die die Versiegelung neuer Flächen stoppt, Abwasserkanäle entlastet, Kosten senkt, Trinkwasservorräte schont und das Grundwasser schützt.

Regenwassernutzung und Starkregen sind die Topthemen der Zukunft

Die beiden Topthemen der Zukunft sind Regenwassernutzung mit 78 Prozent und Starkregen mit 74 Prozent. Regenwasserversickerung nennen 65 Prozent der Teilnehmer, Regenwasserrückhaltung 62 Prozent und Regenwasserbehandlung 39 Prozent. In diesem Zusammenhang sind auch der Hochwasserschutz mit 53 Prozent sowie die Dachbegrünung mit 51 Prozent zu beachten. Das urbane Stadtklima sehen 38 Prozent und Schadstoffe im Oberflächenabfluss 22 Prozent der Teilnehmer als mögliche Themen der Zukunft. Abgestimmte Systeme zur Regenwasserversickerung mit Regenwasserbehandlung werden für die Erreichung der Ziele im Gewässerschutz immer wichtiger.

Regenwasser wird verstärkt genutzt

Bemerkenswert sei, dass die Regenwassernutzung mit 78 Prozent gegenüber der Umfrage 2020 um fünf Prozent zugenommen hat. Zisternen zur Regenwassernutzung bekommen im Zuge des Klimawandels eine stärkere Bedeutung. Sie reduzieren die Folgen der tendenziell längeren Trockenphasen und die daraus resultierende Wasserknappheit. Insgesamt werden alle Bausteine der Regenwasserbewirtschaftung notwendig sein, um den Auswirkungen des Klimawandels in Form von Starkregen und Trockenheit entgegenzuwirken bzw. sie abzumildern.

Die Teilnehmer der Befragung sehen den Ausgleich von Wasserüberschuss und -mangel mit 73 Prozent sowie den Gewässerschutz mit 57 Prozent als die größten Chancen bei den Maßnahmen der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung. 62 Prozent erwarten ein besseres Stadtklima durch deren zielgerichtete Ausrichtung.

Kosten der Wasserbewirtschaftung werden kritisch beurteilt

Die Gebühreneinsparung (45 Prozent) und die Einsparung bei der Erschließung (30 Prozent) verdeutlichen den wirtschaftlichen Vorteil gegenüber dem herkömmlichen Umgang mit Regenwasser.

Im Vergleich zur Befragung von 2020 hat das Thema „Besseres Stadtklima“ um 12 Prozent zugenommen. Dies zeige einen Trend in der Siedlungswasserwirtschaft, der sich in den nächsten Jahren noch fortsetzen werde.

Mit 62 Prozent beurteilen die Befragten die Kosten als kritisch. Bei Betrieb und Wartung mit 39 Prozent sowie Kontrolle und Überwachung mit 35 Prozent sind Service-Dienstleistungen der Industrie gefragt, um die Funktionsfähigkeit der Anlagen zu gewährleisten. Die Marktumfrage hat ergeben, dass bei der Umsetzung von Entwässerungsmaßnahmen eine enge Abstimmung zwischen Bauherrn, Planer, ausführendem Unternehmen sowie der Genehmigungsbehörde notwendig ist, damit die Kosten und der fortlaufende Betrieb optimal gestaltet werden.

Quellen: Bundesbauministerium und Mall GmbH; Markbefragung 2023 „Umgang mit Regenwasser“

Redaktion (allg.)

Pixabay/ Mohamed_hassan
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Artikel Mehr Grün und Blau für die Schwammstadt
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