Ressourcenschonung durch Umnutzung einer Gewerbehalle

Modernes Wohnen statt gewerblicher Tristesse

In Bad Schussenried entstand aus einer verfallenen Gewerbehalle ein attraktives Wohngebäude, dem man seinen Ursprung nun nicht mehr ansieht. Als Alternative zum Komplettabbruch wurde neuer Wohnraum in gesunder Holzbauweise realisiert. Technisch und energetisch ist das Gebäude heute ein Vorzeigebeispiel für die Umwidmung von Bestandsbauten.

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Neuer Wohnraum verwirklicht: 
Die beiden auf dem Dach neu gebauten großen Wohnungen sind komplett in Holzbauweise erstellt worden. Bild: Fährmann Fotografie
Neuer Wohnraum verwirklicht: 
Die beiden auf dem Dach neu gebauten großen Wohnungen sind komplett in Holzbauweise erstellt worden. Bild: Fährmann Fotografie

Die Fabrikhalle befand sich auf einem knapp 1.200 Quadratmeter großen Gelände in Bad Schussenried „Am Franzenhölzle“ – benannt nach dem direkt angrenzenden Waldstück. Die Lage zeichnet sich durch die Nähe zum Wald, zum Bahnhof und zur Innenstadt von Bad Schussenried aus.

Bei dem bislang zweistöckigen Gebäude handelte es sich um einen länger leerstehenden Industriebau aus dem Jahr 1972. Neu entstanden ist ein attraktives dreigeschossiges Holzgebäude, das seine ursprüngliche Struktur aus Stahlbeton behalten hat. Das Bauwerk wartet nun mit zehn Wohnungen in der Größe von 64 bis 125 Quadratmeter auf. Insgesamt sind 1.044 Quadratmeter Wohnnutzfläche neu geschaffen worden, wo man früher rund 700 Quadratmeter Industriefläche betrieb.

50 Jahre alte Stahlbetonstruktur blieb erhalten

An das Baujahr 1972 erinnerte zum Start des Bauvorhabens eine triste Gestaltung des damaligen Zeitgeistes aus Asphalt, Beton, Stahl und Glas. Heute ist das Gebäude ein vorbildliches Muster für naturnahes Wohnen mit Stadtanknüpfung – auch in Hinblick auf den vorrangig genutzten Baustoff Holz. Verantwortlich für die anspruchsvolle Verwandlung ist die Zimmerei Walser mit Standort in Bad Schussenried. Das Unternehmen nutzt die ökologischen und ökonomischen Vorteile des Naturbaustoffs verstärkt im Mehrgeschosswohnbau. Ein Spezialgebiet der Experten ist zudem das energetische Modernisieren im Altbestand. Geplant wurde vom hauseigenen Architekten Jochen Frank Master of Science (M.Sc.), der seit fünf Jahren bei Walser Holzbau für die architektonische Planung anspruchsvoller Bauten zuständig ist.

Der Altbau bestand aus einem bislang zweigeschossigen Gebäude mit umlaufenden, einfach-verglasten Fensterbändern. Bis auf eine integrierte Betriebsleiter-Wohnung im Obergeschoss und einen an der Decke eingelassenen Lastenaufzug für Fabrikwaren war das Gebäude inzwischen nahezu völlig leer. Der wichtigste erste Schritt war die Entkernung des Altbaus. Entfernt wurden der Schacht des Lastenaufzugs, die Trockenbauwände der Betriebsleiterwohnung und die gemauerten Wände einer WC-Anlage.

„Das Dach aus Bitumen auf Gipsdielen war teilweise undicht – für unser Vorhaben war dies jedoch nicht relevant, da es ohnehin abgebaut wurde. Viel wichtiger war uns die Tatsache, dass die Betonkonstruktion und Zwischendecken sehr gut als Grundlage für die Umwidmung dienten“ sagt Jochen Frank.

Attraktiver Wohnraum durch Umnutzung

Die Experten der Zimmerei Walser haben viel Erfahrung in der Holzbauweise für Neubauten und zudem bei der Neustrukturierung und Umwidmung bestehender Bauten. Dennoch waren die energetische Sanierung und Aufstockung der Fabrikhalle keine kleine Aufgabe. Die bestehende Halle mit einer Länge von 36 Metern und einer Breite von 11 Metern wurde schließlich binnen acht Monaten umgebaut und vollständig fertiggestellt. Das aus dem Baujahr 1972 bestehende Tragwerk aus Betonfertigteilen erwies sich als tragfähig und konnte als Basisstruktur genutzt werden. Die Fassade aus Betonfertigteilen wurde demontiert.

Das Dach war entsprechend seiner damaligen Bauzeit mit Gipsdielen und Bitumen belegt – ohnehin ein Sanierungsfall. Nach Rücksprache mit dem Stadtbauamt Bad Schussenried entschlossen sich die Bauherren, eine weitere Etage als zurückversetztes Staffelgeschoss mit großen Dachterrassen aufzusetzen.

Die bestehende Struktur des Gebäudes spiegelt sich jetzt auch in der neuen Fassadenrasterung wieder, auch die Fensteröffnungen wurden vom Bestand übernommen. Lediglich bei den eingeplanten Terrassen und Balkonen mussten die Brüstungen abgebrochen werden, um bodentiefe Fenster zu ermöglichen. Alle Zugänge wurden nun für die Nordseite des Hauses geplant.

Großflächige Holzbauelemente aus der Vorfertigung

Zunächst entstanden in Brettsperrholzbauweise die Kellerersatzräume und zeitgleich die neu aufgemauerten Treppenhauswände. „Es war sehr gut möglich, das bestehende gemauerte Treppenhaus aus dem Bestand zu übernehmen. Wir haben es ebenfalls mit Mauerwerk ergänzt, um die Wohnungszugänge zu schaffen“, berichtet Frank.

Parallel dazu fertigten die Experten die großflächigen Holzbauelemente in der Zimmerei an. Diese vorproduzierten Holzelemente wurden aus heimischer Fichte gebaut. Die wetterfeste Gebäudehülle für den gesamten Komplex konnte dann binnen vier Wochen auf der Baustelle montiert werden. Das bestehende Beton-Basisgerüst sorgt für hohe Stabilität und bildet die ideale Grundlage für alle hinzugebauten Bauelemente.

Den Innenbereich hat man so aufgebaut, dass die Innenwände die bestehende Betonkonstruktion zusätzlich aussteifen, um das zusätzliche Staffelgeschoss verwirklichen zu können. Die Wohnungstrennwände wurden als Holzständerwände vorproduziert, vor Ort eingebaut und mit der Betondecke verschraubt. In den Wohnungen wurde der klassische Trockenbau mit Metallständerwänden ausgeführt.

Das außenliegende Wärmedämmverbundsystem aus ökologischer Holzfaser ermöglicht die durchgehende Dämmung ohne Wärmebrücken und nimmt zugleich die Jalousien und Rollläden auf.

Neuer Wohnraum durch Etagenauf-stockung aus Holz

Das Dach wurde als Holzbalkenlage gänzlich neu aufgebaut. Bevor die produzierten Bauelemente überhaupt verarbeitet werden konnten, musste zunächst das bestehende Dach entfernt werden. Stück für Stück hat man zunächst die einzelnen Gipsdielen mit jeweils fünf Metern Länge herabgehoben und im Anschluss zehn Meter lange Stahlbetonbinder entfernt.

Die beiden auf dem Dach neu gebauten großen Wohnungen sind komplett in Holzbauweise erstellt worden. Bei dem neuen Dachsystem mit einem versetzten Pultdach handelt es sich um einen klassischen Dachaufbau als Pfettendach.

Durch den zusätzlichen 120 Quadratmeter großen Anbau an der östlichen Grundstücksgrenze wurden die großzügigen Kellerersatzräume und ein Technikraum geschaffen. Das Gebäude wurde ganz bewusst in klaren Strukturen gestaltet. Die architektonische Planung hatte die Maximierung der Wohnflächen, verschiedene Wohnungsgrößen mit gut nutzbaren Grundrissen sowie einen großen Balkon für jede Wohnung zum Ziel.

Energetisch sinnvoll und zukunftsorientiert

Das Energiekonzept entspricht dem energieeffizienten KfW-55-Haus. Das Gelände und schließlich das Gebäude konnte man so aufwerten, dass es mit geringem Energieverbrauch für Heizung, Lüftung und Warmwasserbereitung auskommt.

Das gelingt im Wesentlichen durch eine Holzpellet-Zentralheizung, die man im Kellerersatzanbau errichtet hat. Die Warmwasserverteilung erfolgt durch ein Zirkulationssystem. Die Verteilung der Wärme im Haus erfolgt über die Flächen der Fußbodenheizung.

Alle Parkplätze sind elektrifiziert

Durch die vorherige Fabriknutzung war eine groß dimensionierte elektrische Anschlussleistung bereits vorhanden, dadurch konnten alle Stellplätze unkompliziert mit Anschlüssen für E-Autos realisiert werden. Die heutigen Eigentümer sparen durch diese Maßnahmen – speziell durch die effiziente Wärmerückgewinnung – auf lange Sicht permanent Energie und somit Kosten.

Bauaufgabe: Mehrparteien-Wohnhaus, 3-geschossig in Holzrahmenbauweise, Baujahr: 2019/2020, Konstruktion eingegliedert in eine attraktive gewachsene Wohnsiedlung – ehemaliges Fabrikgebäude

Bauherr: Britsch-Walser GbR

Architekt: Franz Walser Holzbau GmbH, M.Sc. Jochen Frank

Generalunternehmer: Franz Walser Holzbau GmbH, Bad Schussenried

Dämmung: BestWood Schneider, Eberhardzell

Wohnflächen: Penthouse 2 × 125 m2; EG/OG 2 × 91 m2, 2 × 79 m2, 2 × 64 m2, 2 × 99 m2

U-Werte: Außenwand Holzständer mit Holzfaserdämmung: 0,15 W/m2K Aufstockung und EG/OG Holzwände

Außenwand Massiv 0,143 W/m2K

U-Wert Dach mit Wärmedämmung: 0,159 W/m2K

U-Wert Flachdach: 0,124 W/m2K

U-Wert Boden: 0,187 W/m2K

Heizungs- und Kühlsystem: Holzpelletheizung für Heizung und Warmwasser, Verteilung mittels Fußbodenheizung, Zirkulationsleitung für Warmwasserhygiene

Daten gemäß Energieausweis

Kennwerte Beheizte Fläche: 845 m2, Heizwärmebedarf (berechnet nach EnEV): 26 kWh/m2a, Endenergiebedarf 50,9 kWh/m²a, Primärenergiebedarf 20,7 kWh/m²a

Eva Mittner

Eva Mittner
freie Journalistin
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Artikel Modernes Wohnen statt gewerblicher Tristesse
Seite 42 bis 43
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