Bauministerin und Kanzler besichtigen Modulfabriken

Wohnungsbau braucht mehr „Hochstapler“

Bezahlbare Mietwohnungen schneller und günstiger nach dem Lego-Prinzip errichten. Aus der Modulbauweise ergeben sich noch keine Kostenvorteile, denn die Stückzahlen sind gering. Bundesbauministerin Klara Geywitz möchte das modulare Bauen aus seiner Nische holen. Kürzlich besichtigte sie die Modulfabrik von Capital Bay und Daiwa im brandenburgischen Fürstenwalde.

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Das neue timpla-Werk in Eberswalde kann mit derzeit 200 Beschäftigten täglich die Module für bis zu zehn Wohnungen fertigen. Bild: timpla
Das neue timpla-Werk in Eberswalde kann mit derzeit 200 Beschäftigten täglich die Module für bis zu zehn Wohnungen fertigen. Bild: timpla

Ein Joint Venture aus den Unternehmen Capital Bay und Daiwa House Modular Europe hat im Jahr 2022 das Areal des ehemaligen Stahlbauunternehmens Reuther STC erworben und die bestehenden Hallen so umgerüstet, dass die Produktion von Gebäudemodulen, die vor allem für den Wohnungsbau vorgesehen sind, erfolgen kann. Auf ihrer Sommerreise hat sich Bauministerin Geywitz die Produktionsanlagen zeigen lassen.

Derzeit arbeiten in der Fabrik in Fürstenwalde rund 230 Mitarbeiter. Nach Angaben von Capital-Bay-Geschäftsführer George Salden strebt das Unternehmen in der Endausbaustufe die Beschäftigung von 1.500 Mitarbeitern an, die 30.000 Module pro Jahr herstellen könnten. Immerhin konnte sich das Joint Venture zur Eröffnung der Fabrik einen ersten Großauftrag vom landeseigenen Berliner Wohnungsunternehmen Gewobag sichern. Bereits im Januar 2023 fand die Grundsteinlegung statt für ein vier Gebäude und mehr als 1.500 Wohnungen umfassendes Quartier an der Landsberger Allee. Im dritten Quartal 2026, so der Zeitplan der Gewobag, soll das Großprojekt aus insgesamt 3.000 vorgefertigten Modulen aus der Fürstenwalder Produktionsstätte zusammengesetzt sein.

Werk in Eberswalde hat im August Produktion aufgenommen

Einen ersten Auftrag über den Bau von Gebäudemodulen konnte auch das Unternehmen timpla entgegennehmen. Die timpla GmbH ist ein serieller Holzmodulbauer mit Sitz in Eberswalde in Brandenburg. Das neue Werk in Eberswalde, das im September 2024 eröffnet, erstreckt sich über eine Produktionsfläche von 20.000 Quadratmetern und hat eine Kapazität von 2.000 Holzmodulen pro Jahr. Mit einer automatisierten Produktionslogistik und 200 Mitarbeitern können nach Unternehmensangaben bis zu zehn Wohnungen pro Tag im Zweischichtbetrieb gefertigt werden. Produktionsstart war im August, die offizielle Werkseröffnung erfolgt am 19. September. Wenige Tag zuvor will Bundeskanzler Olaf Scholz das timpla-Werk besichtigen.

Der erste Auftrag für den Modulproduzenten kommt aus der direkten Nachbarschaft. Die Wohnungsgenossenschaft Eberswalde 1893 eG hat timpla beauftragt mit der Fertigung von vier modernen Eingangspavillons in Holzelementbauweise. Die Genossenschaft wird die Module im Rahmen der Revitalisierung von DDR-Plattenbauten einsetzen. Die Eingangspavillons ersetzen die bestehenden Hintereingänge der Plattenbauten. Jeder Pavillon ersetzt dabei zwei Hinterausgänge. Die Grundrisse der Pavillons sind in einen Abstellbereich und einen Treppenbereich unterteilt, wobei bodentiefe Fenster auf beiden Seiten für eine helle und offene Atmosphäre sorgen, heißt es in der Pressemitteilung von timpla.

Capital Bay/Daiwa spricht Rücknahmegarantie für Module aus

Der Produktionsauftrag der Berliner Gewobag an Capital Bay und Daiwa in Fürstenwalde ist wesentlich umfangreicher, bestellt sind rund 3.000 Wohnmodule für vier achtgeschossige Gebäude. An dem Projekt wird bereits seit Anfang 2023 gearbeitet. In der Pressemitteilung zur Grundsteinlegung betonte die Gewobag, die Wohnmodule seien recycelbar, könnten zerlegt werden und reduzierten so CO2-Emissionen. Hersteller Capital Bay/Daiwa gibt eine Rücknahmegarantie und verspricht sogar eine Rückvergütung. Anlässlich des Fabrikbesuchs von Bundesbauministerin Geywitz erklärte das Unternehmen: „Zum Ende des Verwendungszyklus eines Gebäudes stapeln wir die Module wieder ab, arbeiten sie in der Fabrik wieder auf und setzen sie für den Bau eines neuen Gebäudes an einem anderen Standort wieder ein. Auf diese Weise spart unser Modulbau 50 Prozent an CO2 gegenüber der traditionellen Bauweise.“

Wie sind die praktischen Bauerfahrungen der Gewobag?

Die offizielle Grundsteinlegung für das Projekt erfolgte im Januar 2023. Ende Juli 2024 erkundigte sich die IVV-Redaktion bei der Pressestelle der Gewobag nach dem Fortgang des Modulbauprojektes an der Landsberger Allee in Berlin, wo mehr als 1.500 Wohneinheiten aus 3.000 Modulen zusammengesetzt werden. Hier die Antworten von Unternehmenssprecherin Monique Leistner:

  • Ende Juli waren für zwei der insgesamt vier Gebäude die Rohbauvorleistungen weitestgehend erbracht. Wohneinheiten waren noch nicht montiert, aber in der Produktionsstätte von Daiwa standen die ersten 280 Einheiten für den Transport und die Montage bereit.
  • In dieser Projektphase waren rund 45 Menschen auf der Baustelle beschäftigt, ihre Zahl wird in Spitzenseiten auf 200 bis 250 anwachsen.
  • Nach dem Aufbau aller Module folgen die Gewerke zur Dachabdichtung, Fassadendämmung und Fassadenputz. Weiterhin Gewerke für Restleistungen im Innenausbau, Gewerke für die Außenanlagen sowie für die konventionell hergestellten Teile: Treppenhäuser, Keller und Gewerbeflächen im Erdgeschoss.

Mit dem Modulhersteller Daiwa sei ein Festpreis vereinbart worden Das Kostenniveau für das Modulbauprojekt Landsberger Allee liege knapp unter dem für konventionelle Bauverfahren – weil es sich für den Produzenten Daiwa um ein Einstiegsprojekt in den deutschen Markt handele.

Beschleunigt der Modulbau das Projekt der Gewobag?

Wie oben beschrieben waren nach 19 Monaten noch keine Wohnmodule an der Landsberger Allee montiert. Fragt sich, was auf der Baustelle seit Grundsteinlegung im Januar 2023 geschehen ist? Die detaillierte Antwort von Gewobag-Sprecherin Monique Leistner zeigt: Vorbereitende Arbeiten auf Baustellen können komplex und langwierig sein, bevor die Projektphase beginnen kann, in der sich durch den Einsatz von Modulen Bauzeit verkürzen lässt.

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Nach der Grundsteinlegung sei die Grundstücksfläche von vollflächig verlegten Stahlbetonplatten befreit worden. Die Fugen der Betonplatten seien schadstoffbelastet gewesen und mussten aufwendig und unter hohen Auflagen ausgefräst werden. Anschließend erfolgten der Baugrubenaushub und die Einrichtung einer Wasserhaltung. Aufgrund der Notwendigkeit einer sogenannten „Baugrundverbesserung“ wurden Pfähle unterhalb der Bodenplatte verbaut. Anschließend erfolgten die Grundleitungsverlegung und das Erstellen einer Bodenplatte für die Tiefgeschosse. Die Tief- und Erdgeschosse wurden in diesem Projekt aus statischen Gründen konventionell errichtet. Gleiches gilt für die Treppenhaus- und Aufzugskerne.

Weiterhin erklärt Gewobag-Sprecherin Leistner in ihrer schriftlichen Antwort an die IVV: „Unsere Neubauprojekte verfügen in der Regel über Kellerräume, zum Teil PKW- und Fahrradstellplätze und weitere Fundamente. Im Erdgeschoss des Projektes Landsberger Allee errichten wir eine Kita, einen Supermarkt, diverse Flächen für Gastronomie und sonstiges Gewerbe. Tiefgeschosse, wie auch Supermärkte, lassen sich wegen der Bodenfeuchtigkeit oder der großen Spannweiten von Decken noch nicht in modularer Bauweise errichten. Auch die Treppenhaus- und Aufzugskerne, die hier der statischen Aussteifung der Obergeschosse dienen, werden deshalb nicht modular, sondern in Ortbeton errichtet.“ Erst wenn diese Leistungen erbracht sind, könne mit dem Verbau der Module begonnen werden.

Was der Gesetzgeber noch ändern muss

Um das Bauen mit seriell vorgefertigten Modulen wirklich schneller zu machen, braucht es noch Änderungen in der Gesetzgebung. Capital Bay-Geschäftsführer George Salden wies während des Fabrikbesuchs der Bundesbauministerin darauf hin, dass Modulbauten als Sonderbauten gelten und einen noch komplexeren Genehmigungsprozess durchliefen als herkömmliche Gebäude. Zudem würden in Deutschland 16 unterschiedliche Bauordnungen und zum Teil kommunale Sonderauflagen eine Beschleunigung der Bauprozesse erschweren. „Das ist“, so der Vergleich von Salden, „als müsste ein Auto in jeder Stadt, die es durchfahren soll, extra zugelassen werden.“ Ministerin Geywitz verwies in ihrer Antwort auf die geplante harmonisierte Typengenehmigung für die Landesbauordnungen, die im Rahmen des Beschleunigungspaktes eingeführt werden solle.

Angesichts des abgewürgten Wohnungsbaus schlägt der Hauptverband der Wohnungswirtschaft (GdW) eine Kombination aus einer breit angelegten Zinssubvention von einem Prozent und der seriellen und modularen Bauweise vor. Mit diesen Instrumenten könnten Wohnungsunternehmen dann „bezahlbare Neubaumieten von 12Euro pro Quadratmeter garantieren“. Der GdW hat nach einem europaweiten Ausschreibungsverfahren mit rund 20 Herstellern eine Rahmenvereinbarung über modularen Wohnungsbau abgeschlossen.

Thomas Engelbrecht

Thomas Engelbrecht
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Artikel Wohnungsbau braucht mehr „Hochstapler“
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