Wohnquartier wird zum Biotop

Stadtgrün fit machen für den Klimawandel

Die Gewobag und Stiftung Naturschutz Berlin reagieren mit dem Pilotprojekt „Städtisch Grün“ in der Charlottenburger Paul-Hertz-Siedlung auf den wachsenden Klimawandel.

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Die Gewobag und Stiftung Naturschutz Berlin erarbeiten optimierte Pflegekonzepte zur Förderung der biologischen Vielfalt in den Quartieren.Reinhard Schubert, Mitglied des Vorstandes der Stiftung Naturschutz Berlin; Snezana Michaelis, Mitglied des Vorstandes der Gewobag; Peter Burgfried, Bereichsleiter Bestandsmanagement der Gewobag geben den Startschuss für das Projekt „Städtisch Grün" (v.l.n.r) Bild: IWP Wissenschaftsredaktion Uwe Manzke
Die Gewobag und Stiftung Naturschutz Berlin erarbeiten optimierte Pflegekonzepte zur Förderung der biologischen Vielfalt in den Quartieren.Reinhard Schubert, Mitglied des Vorstandes der Stiftung Naturschutz Berlin; Snezana Michaelis, Mitglied des Vorstandes der Gewobag; Peter Burgfried, Bereichsleiter Bestandsmanagement der Gewobag geben den Startschuss für das Projekt „Städtisch Grün" (v.l.n.r) Bild: IWP Wissenschaftsredaktion Uwe Manzke

Grünflächen, Bäume und begrünte Wege speichern Regenwasser, kühlen die Umgebung und nehmen Schadstoffe aus der Luft auf. Sie laden zur Erholung ein und sind soziale Treffpunkte. Als Lebensraum für Pflanzen und Tiere wissen die Mieter städtisches Grün in seiner ganzen Vielfalt zu schätzen. Neben Erholung für Körper und Geist helfen urbane Natur und Artenvielfalt bei der Vermittlung von Wissen rund um Flora und Fauna für kleine und große Kinder der Hauptstadt. Zudem wirkt die innerstädtische Vegetation temperaturausgleichend und erfüllt somit wichtige stadtklimatische Funktionen. So auch in der Paul-Hertz-Siedlung. Hier bewirtschaftet die Gewobag in der Siedlung rund 3.600 Wohnungen, die in den Jahren 1963/1964 entstanden sind. Mit einem Bestand von allein zwei Millionen Quadratmeter Grünflächen und rund 25.000 Bäume trägt das Quartier einen großen Anteil am Berliner Stadtgrün und fördert so die Biodiversität.

Pilotprojekt zum Nachmachen

„Städtisch Grün“ ist ein gemeinsames Projekt der Gewobag und der Stiftung Naturschutz Berlin und konzentriert sich in einer zunächst auf drei Jahre angelegten Pilotphase auf die Außenanlagen der Paul-Hertz-Siedlung in Charlottenburg-Nord. Hier werden die bestehenden Grünflächen nachhaltig weiterentwickelt und ökologisch aufgewertet. Die für das Pilotprojekt ausgewählten Wiesenflächen sind als solche gekennzeichnet. Das übergeordnete Ziel: Der langfristige Erhalt sämtlicher Funktionen der wohnungsnahen Grünanlagen für Mensch, Tier und Stadtklima.

„Als landeseigene Naturschutzstiftung beraten wir die Gewobag bei der Entwicklung von ökologischen und biodiversitätsfördernden Pflegekonzepten, die in Wohngebieten großflächig umgesetzt werden können. So können Gehölz- und Wiesenflächen langfristig an den Klimawandel angepasst werden, um z.B. weniger wässern zu müssen und um insgesamt schonend mit natürlichen Ressourcen umzugehen. Die Erkenntnisse des Pilotprojekts bilden die Grundlage für einen Handlungsleitfaden zur nachhaltigen Pflege solcher Grünflächen“, ergänzt Reinhard Schubert, Mitglied des Vorstandes der Stiftung Naturschutz Berlin.

Peter Burgfried, Bereichsleiter Bestandsmanagement der Gewobag, verweist auf den Trockensommer 2018. Unter der Hitze hatten die Grünanlagen stark gelitten. Jetzt gelte es sie zu so zu ertüchtigen, dass sie klimaangepasst sind und die Bewirtschaftung keine Zusatzkosten erzeugt.

Nach der letzten Europarechtsreform hat das Widerrufsrecht im Mietrecht mehr Bedeutung erhalten. Eine Modernisierungsvereinbarung ist nichts anderes als ein Vertrag zwischen Vermieter und Mieter. Ist der Vermieter ein Kaufmann oder eine Gesellschaft und der Mieter...

Weniger Rasenschnitt soll mehr Wasser binden

Um ein geeignetes Quartier aus dem Gewobag-Bestand auszuwählen, wurden zahlreiche Gespräche mit dem Projektpartner geführt. Die Wahl fiel dann auf die Paul Herz Siedlung. Das Interesse der Mieterschaft und die große Vielfalt an Flächen waren dabei entscheidend. Was hier funktioniert, kann auch auf anderen Standorten der Gewobag übertragen werden, ist sich Burgfried sicher.

„Für unser Pilotprojekt „Städtisch Grün“ nehmen wir dabei unsere gesamten Grünanlagen unter die Lupe, um sie langfristig nachhaltig weiterzuentwickeln und ökologisch aufzuwerten. Wir freuen uns, dass wir mit der Stiftung Naturschutz Berlin einen starken Projektpartner an der Seite haben, mit dem wir nicht nur die Wohnqualität für unsere Mieter verbessern, sondern zum langfristigen Erhalt wohnungsnaher Grünanlagen für Mensch, Tier und des Stadtklimas beitragen“, so Burgfried.

In dem Projekt wurden drei Maßnahmen ermittelt. Bei Flächen mit hoher Artenvielfalt wird ein angepasster Pflegeturnus mit weniger Rasenschnitt und Laubansammlung mehr Wasser binden. Zusätzlich werde auf den ausgewiesenen Flächen eine wachstumsspezifische und wassersparende Bepflanzung realisiert. Der hohen Anzahl an Kaninchen, soll durch kaninchenresistente Ansaaten begegnet werden.

Mehr Natur ohne Mehrkosten

„Als landeseigenes Wohnungsbauunternehmen fokussieren wir uns auch auf das nachbarschaftliche Miteinander in den Quartieren – und das im Einklang mit der Natur. Wir haben allein zwei Millionen Quadratmeter Grünflächen sowie rund 25.000 Bäume in unserem Bestand“, so Snezana Michaelis, Mitglied des Vorstandes der Gewobag, über das Projekt „Städtisch Grün“. Eine Kostensteigerung für die Mieter erwartet sie nicht. Im Gegenteil, der Natur werde mehr Raum für die Artenvielfalt gegeben, so Michaelis. Weniger Pflegeschnitt bei Rasen und Sträucher senke die Betriebskosten. Noch nicht im Projekt aufgenommen, aber für die Zukunft geplant, sind Maßnahmen zum Regenwassermanagement.

Bewertung von Stadtgrün

Ein Tool zur Bewertung von urbanem Grün haben Mitarbeiter vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) gemeinsam mit vier Partnerstädten im Projekt „Stadtgrün wertschätzen“ entwickelt. Mit dem datenbankgestützten Tool kann der Nutzen von Stadtgrün abgebildet und in Geldwerten ausgedrückt werden. Im Folgeprojekt wurde dieses Bewertungstool aufbauend auf Erkenntnissen und Feedback aus der ersten Projektphase in zwei Richtungen erweitert: Zum einen wurde die Anwendung auf Quartiersebene ermöglicht und anhand von Beispielprojekten in Leipzig, Karlsruhe und Berlin erprobt. Zum anderen wurde ein Transfer auf alle deutschen Großstädte mit mehr als 300.000 Einwohnern geleistet. Um die Nutzung des Tools so leicht wie möglich zu gestalten, entwickelte das Team zudem ein Schulungsmodul, das die Grundlagen des Tools und seine Anwendung erklärt.

Weiterführende Informationen: www.ioew.dewww.stiftung-naturschutz.dewww.gewobag.de

Richtfest in der Innenstadt von Karlsruhe: Sanierung bringt doppelte Zahl von Wohnungen

Die Volkswohnung feierte ein besonderes Richtfest in zentraler Karlsruher Innenstadtlage: In der Kapellenstraße 76 wurde der Richtspruch nicht für einen Neubau, sondern ein Bestandsgebäude verlesen.

Die städtische Gesellschaft Volkswohnung hat das Mehrfamilienwohnhaus mit Gewerbeeinheit aus den 1950er Jahren energetisch modernisiert und die Anzahl der Wohnungen durch eine Optimierung der Grundrisszuschnitte sowie die Aktivierung des Dachgeschosses fast verdoppelt.

Die Visualisierungen auf den Bauzaunplanen lassen es schon erahnen: Mit dem Modernisierungsprojekt an der Kapellenstraße 76, zentral in der Karlsruher Innenstadt gelegen, entsteht ein Mehrfamilienhaus, das durch eine Fassadenaufwertung an der Straßenseite auch optisch Maßstäbe setzt. Das in die Jahre gekommene Bestandsgebäude der Wohnungsgesellschaft, Ende der 1950er-Jahre erbaut, wurde in den vergangenen Monaten energetisch modernisiert und das Wohnungsgemenge durch neue Grundrisszuschnitte verändert. Aus den ehemals 28 Bestandswohnungen entstehen nun 46 Wohnungen. Da nicht nur die Bestandswohnungen modernisiert werden, sondern durch eine Aufstockung auf dem Flachdach des sechsgeschossigen Gebäudes in Holzbauweise zusätzlich vier neue Wohnungen geschaffen werden, wurde auch ein Richtfest gefeiert – ganz im traditionellen Sinne als Dankeschön an die beteiligten Gewerke und Handwerksfirmen. Insgesamt werden hier zukünftig 50 Wohnungen vermietet; 35 Ein-, zehn Zwei- und fünf Drei-Zimmerwohnungen.

„Um den sogenannten ‚grauen Energiebedarf‘ zu minimieren, haben wir entschieden, die vorhandene Bausubstanz zu erhalten und komplett energetisch zu modernisieren“, erläutert Stefan Storz, Geschäftsführer der Volkswohnung. Mit dem neu errichteten Anschluss an die Fernwärme wurde nicht nur die Klimabilanz des Gebäudes verbessert, sondern auch in eine zukunftsfähige Energieversorgung investiert – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der explosionsartig angestiegenen Energiepreise.

Auch im Hinblick auf besondere Anspruchsgruppen wurde das Gebäude zukunftsfähig weiterentwickelt: Auf der Gebäuderückseite wurde ein neues, außenliegendes Treppenhaus mit Aufzugsturm fertiggestellt. Alle Wohnungen werden nach den Maßnahmen barrierefrei erschlossen sein. Die Wohnungen selbst sind barrierearm ausgebaut. Mitte 2023 sollen die Wohnungen bezugsfertig sein. Die Investitionskosten belaufen sich auf knapp 10 Mio. Euro. (Red.)

Uwe Manzke

Uwe Manzke
Autor, IWP Wissenschaftsredaktion
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Artikel Stadtgrün fit machen für den Klimawandel
Seite 26 bis 27
2.11.2022
Vielfalt leben – mehr Biodiversität wagen
„Vielfalt Leben“ – so lautet der Titel eines Pilotprojekts, das die Berliner Wohnungsgenossenschaft Märkische Scholle in Kooperation mit der Stiftung Naturschutz Berlin seit 2017 in insgesamt fünf...
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