Über die Ambivalenz staatlicher Regularien
Ende des Nebenkostenprivilegs: Im Ausland gilt Deutschland als überregulierter, aber gleichzeitig auch als gut funktionierender Staat. Gibt es da einen Zusammenhang? Wie gut oder schlecht ist ein sehr aktiver Verordnungsgeber für das Funktionieren eines Gemeinwesens? Wirtschaftsverbände gelten gemeinhin als Hüter der freien Marktwirtschaft, Kritik an zu viel Einmischung des Staates ist eines der Kernargumente von Interessenvertretungen. Dabei haben Vorschriften und Regeln des Gesetzgebers Lenkungswirkung in die eine oder andere Richtung. Manche Branche, manches Unternehmen profitiert, andere haben Nachteile. So kommt es, dass Hüter der Marktwirtschaft nicht immer jubilieren, wenn der Gesetzgeber Regeln abschafft und lockert. Streit über eine Deregulierung gibt es bei der Novelle des Telekommunikationsgesetzes und die Abschaffung des sogenannten „Nebenkostenprivilegs“. Die Verbände der Immobilienwirtschaft warnen davor, dass arme Mieterhaushalte demnächst Probleme haben werden, ihre Kabel-TV-Gebühren zu bezahlen. Wenn aber den Kräften des Marktes mehr Raum eingeräumt wird, dann führt mehr Wettbewerb zu fallenden Preisen. Das jedenfalls glauben Verbraucherschützer. Was sonst noch hinter dem Streit über eine Deregulierung steckt, lesen Sie im Artikel ab Seite 14.
Geburt desZertifizierten Verwalters: Eine neue Vorschrift zur Regulierung unternehmerischen Tuns findet sich auch im novellierten Wohnungseigentumsgesetz, das unter anderem die Verbraucherrechte der Eigentümer stärken will. Ab Ende 2022 haben sie die Möglichkeit, von ihrem Verwalter eine „Nachschulung“ zu verlangen, sofern dieser Quereinsteiger ohne immobilienwirtschaftlichen Berufsabschluss oder Studium ist. Das Justizministerium hat den Entwurf einer Verordnung vorgelegt, die den Umfang und die Inhalte der Prüfung für den „Zertifizierten Verwalter“ definiert. Die Berufsverbände begrüßen diesen Eingriff prinzipiell als richtigen Schritt auf dem Weg zur weiteren Professionalisierung des Berufsstandes. Allerdings haben sie Fragen. Wie groß darf der Kreis deren sein, die sich qualifieren müssen. Alle, die unmittelbar mit der Verwaltung von Wohnungen zu tun haben? Das wären zehntausende Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Das Ministerium selbst schätzt die Zahl auf rund 28.500 Beschäftigte in Hausverwaltungen. Sollte jahrelange, erfolgreiche Berufserfahrung nicht mehr zählen, als eine IHK-Prüfung, deren schriftlicher Teil in 90 Minuten und deren mündlicher Teil in 15 Minuten absolviert werden? Die Einzelheiten der Verordnung für das Verwalter-Zertifikat und die Stellungnahmen der Berufsverbände finden Sie ausführlich beschrieben ab Seite 12.
Ende der Messdienste-Dominanz: Gesetzliche Vorschriften und deren Wirkung auf den wirtschaftlichen Wettbewerb waren auch Thema des zweiten IVV-Roundtables, den die Redaktion live ins Internet gestreamt hat. Unter dem Motto „Debatten mit Durchblick“ diskutierten fünf Experten die Zukunft der Messdienstleistungen. Seit 2016 ist das Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende in Kraft. Es verlangt die Einführung von intelligenten Messsystemen. Wir wollten wissen, wie weit die Haustechnik in der Wohnungswirtschaft durchdigitalisiert ist. Ein Ergebnis der Diskussion: Die großen Messdienstleister müssen sich auf neue Konkurrenten einstellen. Sowohl Stadtwerke als auch Wohnungsunternehmen entdecken im Mess- und Abrechnungswesen eigene Geschäftsfelder. Wir dokumentieren die spannende Diskussion ab Seite 26. Sie wollen lieber zuschauen als lesen? Dann schauen Sie das Video auf www.ivv-magazin.de/livetalk0621.
Thomas Engelbrecht

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