Wohnungsbau am Ende? IVV-Umfrage bei Wohnungsunternehmen

Vonovia ist kein Einzelfall

Wohnungsunternehmen sind besorgt: Neubau findet nach wie vor statt, aber deutlich abgespeckt. Auch die energetische Sanierung des Bestandes und damit die Klimaschutzziele rücken in weite Ferne.

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Noch ist von Entlassungen in der Bauwirtschaft keine Rede. Aber es rollt eine Welle von Auftragsstornierungen bei Neubauten und die Stimmung in der Immobilienwirtschaft ist äußerst trübe. Bild: stock.adobe.com / Frank Wagner
Noch ist von Entlassungen in der Bauwirtschaft keine Rede. Aber es rollt eine Welle von Auftragsstornierungen bei Neubauten und die Stimmung in der Immobilienwirtschaft ist äußerst trübe. Bild: stock.adobe.com / Frank Wagner

Wer baut jetzt noch und in welchem Umfang?

Mit der Nachricht, dass Vonovia wegen der Kostenexplosion und weil man nicht für 20 Euro pro Quadratmeter vermieten könne, sämtliche Neubauprojekte auf Eis legt, hat der größte deutsche Wohnungskonzern eine Welle der Verunsicherung ausgelöst. Wie steht es um die Branche? Wer baut jetzt noch und in welchem Umfang? Eine Umfrage der IVV ergab, dass Vonovia kein Einzelfall ist. Auch die Düsseldorfer LEG, mit 166.000 Wohnungen die deutsche Nummer zwei, wird vorläufig keine Neubauprojekte mehr anstoßen und die Investitionen bis 2025 auslaufen zu lassen.

„Baupartner können sich auf unsere Vertragstreue verlassen“

Vonovia wird den Bau von 1.500 Wohnungen auf Eis legen. Diese Zahl bezieht sich laut Matthias Wulff, Pressesprecher Ostdeutschland, auf alle drei unter einem Dach befindlichen Unternehmen Vonovia, Deutsche Wohnen und Buwog. Für alle drei gelte, dass die auf Eis gelegten Projekte weitergeplant werden und dass laufende Projekte zu Ende gebracht werden. Auch die LEG-Immobiliengruppe sichert zu, dass das Versprechen, im laufenden Jahr rund 500 Neubaueinheiten anzubieten, auch gehalten werde.

„Unsere Baupartner können sich auf die Einhaltung unserer Verträge und die Fertigstellung aller begonnenen Projekte verlassen“, so Mischa Lenz, Pressesprecher der LEG-Immobiliengruppe. Allerdings: Vor dem Hintergrund steigender Baukosten und -zinsen, unsicherer Förderbedingungen und steigender energetischer Anforderungen an Neubauten werde die LEG die Investitionen in den Neubau von 268 Millionen Euro im Jahr 2022 auf maximal 35 Millionen Euro in 2025 zurückschrauben. Denn: „Zum einen können wir mit den entsprechenden Ressourcen im Bereich Klimaschutz perspektivisch deutlich mehr erreichen, wenn wir diese in innovative Energiesparprojekte sowie serielle Sanierungsmaßnahmen investieren. Hierin hat uns auch unsere gemeinsame Studie mit dem Wuppertal-Institut aus dem Frühjahr 2022 bestärkt, die die ökologischen Vorteile energetischer Sanierung gegenüber dem Neubau belegt.

Zum zweiten ist unter den aktuellen Rahmenbedingungen ein Neubau für Menschen mit mittlerem und kleinem Einkommen nicht mehr darstellbar. Dadurch, dass wir uns ausschließlich auf das Segment ‚bezahlbares Wohnen‘ konzentrieren, ist bei uns ist die Spreizung zwischen unserer Durchschnittsmiete von rund 6,30 Euro und einer Neubaumiete von 18 bis 20 Euro sogar besonders groß und trifft damit in keiner Weise den Bedarf unserer Kunden“, so Unternehmenssprecher Lenz. „Ein sehr ärgerliches Hindernis in der aktuellen Neubauförderung ist, dass die Anforderungen an den energetischen Standard nochmals deutlich verschärft wurden, statt hier allein auf die CO2-Einsparung als richtiger Kenngröße abzustellen.“

VIVAWEST wird weiterbauen – aber weniger

Auch der Wohnungsbaukonzern VIVAWEST aus Nordrhein-Westfalen, mit rund 120.00 Wohnungen ebenfalls einer der großen Player, will weiter neu bauen, allerdings ebenfalls in wesentlich kleinerem Umfang. Bereits im Dezember 2022 kündigten die Aufsichtsratsvorsitzende Bärbel Bergerhoff-Wodopia und Uwe Eichner, Vorsitzender der Geschäftsführung auf dem VIVAWEST-Abend an, das Unternehmen halte trotz schwieriger wirtschaftlicher und politischer Rahmenbedingungen an seinem nachhaltigen Geschäftsmodell fest und werde weiter in energetische Modernisierungen und den Neubau von Wohnungen investieren. „Auch wenn wir bei VIVAWEST den Preisdruck spüren, werden wir den Neubau nicht pausieren oder gar einstampfen, sondern weitermachen – sicherlich nicht in dem Umfang, wie wir es noch im Frühjahr gedacht haben, aber in einer Größenordnung, mit der wir einen Beitrag sowohl zum Klimaschutz als auch für bezahlbaren Wohnraum leisten können“, sagte Bärbel Bergerhoff-Wodopia, Aufsichtsratsvorsitzende von VIVAWEST.

GAG Köln hält noch an Investitionsentscheidungen fest

Die GAG Köln, kommunales Unternehmen, das zu 80 Prozent in städtischer Hand liegt, hat derzeit keine Pläne, bereits projektierte Bauvorhaben auf Eis zu legen. „Es ist unbenommen eine schwierige Situation, und wir mögen auch nicht in die Glaskugel schauen und sagen, dass alles so weiterlaufen wird wie bisher, wenn die Kosten ins Uferlose steigen“, sagt GAG-Kommunikationschef Jörg Fleischer. Das Unternehmen, das 43.700 Wohneinheiten in Köln unterhält, steht angesichts der Aufgabe, bezahlbaren Wohnraum in der Großstadt Köln zu schaffen und gleichzeitig die Herausforderungen der Energiewende zu meistern, natürlich unter Druck. Dennoch gebe es bislang keine Tendenz, von Investitionsentscheidungen Abstand zu nehmen, so Fleischer.

Kommunale Unternehmen müssen weiterhin Daseinsvorsorge betreiben

Auch andere kommunale Unternehmen haben ihre Volumina gestreckt und „machen im Moment nur das, was bereits sozusagen vor der Tür steht“, wie es der Pressesprecher der wbg Nürnberg GmbH Immobilienunternehmen, Dieter Barth, formulierte. Barth wies darauf hin, dass die Situation anders sei als bei Unternehmen wie Vonovia, bei denen es ausschließlich darum gehe, dass der Profit für die Stakeholder stimmt. Als kommunales Unternehmen habe die wbg den Auftrag, Daseinsvorsorge zu leisten. Barth machte aber keinen Hehl daraus, dass angesichts der verschärften Bedingungen im Moment nur Bauvorhaben realisiert würden, in die bereits Mittel investiert worden sind und für die es bereits Baugenehmigungen gebe. So werde die wbg in Kürze mit den vorbereitenden Arbeiten auf einem derzeit als Gartenanlage genutzten Areal im Stadtteil St. Johannis im Westen Nürnbergs beginnen. Realisiert wird der Neubau eines Pflegeheimes. Darüber hinaus werden geförderte Wohnungen errichtet, die zum Teil als Seniorenwohnungen angeboten werden. Die Fertigstellung erfolgt aus heutiger Sicht Mitte 2026. Die wbg Nürnberg investiert rund 51 Mio. Euro. Die Finanzierung erfolgt über Fördermittel für Seniorenheime und Darlehen.

Kleinere private Wohnungsgesellschaften weiter aktiv

„Alle Projekte, die sich im Bau befinden, werden fortgeführt – das sind rund 1.000 Wohnungen. Neue Bauprojekte werden wir hinsichtlich einer optimierten Finanzierungsstrategie und hoffentlich auch unter Einbeziehung von geeigneten Fördermitteln, ESG-Konformität und daraus resultierender Wirtschaftlichkeit genau analysieren“, heißt es bei der Dawonia. Maren Holtermann, Abteilungsleiterin Kommunikation, erklärt für die Private Wohnungsbaugesellschaft in München: „Wir gehen aktuell davon aus, auch über die im Bau befindlichen Neubauprojekte hinaus weitere Projekte zu realisieren.“ Die Dawonia unterhält rund 30.000 Wohnungen in Bayern.

Und bei der Covivo, die als Immobilien-AG 41.000 Wohnungen unter anderem in Berlin, Essen, Dresden, Leipzig und Hamburg unterhält, heißt es: „Wir führen unser geplantes Wohnungsneubau-Volumen fort, natürlich gibt es Schwankungen, nicht zuletzt durch Lieferengpässe. Allerdings sind wir im Vergleich zu den großen Playern auch insgesamt mit einem kleineren Volumen unterwegs“, so Pressesprecherin Barbara Lipka.

Während Neubauprojekte von Bau- und Wohnungsunternehmen bundesweit in großer Zahl gestoppt werden, hält die Städtische Wohnungsgesellschaft Düsseldorf (SWD) nach eigenen Angaben an ihren Neubauprojekten fest. Allein fünf Neubaumaßnahmen, die insgesamt für 186 neue Wohnungen stehen, sollen in den kommenden Monaten starten. Weitere 112 Wohnungen in zwei Projekten seien bereits im Bau und würden 2023 fertiggestellt. Fast 90 Mio. Euro investiere die SWD in die 298 Wohnungen dieser sieben aktuellen Bauprojekte, die bis auf wenige Ausnahmen öffentlich gefördert seien. Nach Einschätzung von SWD-Geschäftsführer Klaus Feldhaus ist die SWD „so gut aufgestellt, dass sie in diesem schwierigen Branchenumfeld antizyklisch agieren und in der Krise weiter neue Projekte beginnen kann“.

ZIA und IW melden starkes Absinken des Stimmungsinde

Die Umfragen mehrerer Verbände zeigen gleichermaßen, wie sehr sich die Stimmung in der Immobilienwirtschaft eintrübt. So zum Beispiel der jüngste Immobilienstimmungsindex von ZIA und IW Köln. Danach hat sich das Immobilienklima im Dezember gegenüber dem 3. Quartal 2022 verschlechtert, der Wert sinkt um 9,4 Punkte auf einen Tiefstand von -9,1 Punkten. Der Immobilienstimmungsindex wird vom Institut der deutschen Wirtschaft IW seit 2020 in Kooperation mit dem Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA) erstellt. Vor allem die aktuelle Lage der Unternehmen wird in der Befragung weniger positiv eingeschätzt, der Wert beträgt lediglich 6,3 Punkte – noch im Dezember 2021 lag dieser Wert bei 65,6 Punkten. Der Erwartungswert liege nun bei –23,4 – eine leichte Verschlechterung gegenüber dem Vorquartal. Sorgen vor einer Rezession mit Auswirkungen auf die Nachfrage sowie vor weiter verschlechterten Finanzierungsbedingungen spiegeln sich in diesen Zahlen, so analysiert das IW Köln.

Wie sich die negativen Rahmenbedingungen auf der Ebene einzelner Wohnungsunternehmen auswirken können, zeigen die jüngsten Analysen des VdW Bayern. Ende Dezember meldete der Verband: „Bei der Wohnungswirtschaft rollt die Stornowelle.“ Die jüngste Umfrage unter den 495 Mitgliedsunternehmen des VdW Bayern habe ergeben, dass im Wohnungsbau und bei energetischen Modernisierungen zahlreiche Projekte gestrichen würden. Betroffen seien 2.000 neue Wohnungen, darunter 1.000 Sozialwohnungen und rund 1.500 Modernisierungsmaßnahmen. Als Hauptgründe für den Investitionsrückgang hätten die Wohnungsunternehmen gestiegene Material- und Finanzierungskosten sowie die mangelnde Verlässlichkeit bei den Förderprogrammen genannt.

Gegenüber den ursprünglichen Plänen legten Wohnungsunternehmen für die Jahre 2023 und 2024 rund 19 Prozent aller geplanten Neubauprojekte und über 27 Prozent aller geplanten Modernisierungen auf Eis. Bei 41 Prozent der befragten Wohnungsunternehmen werde das Investitionsniveau im Jahr 2023 sinken. Verbandsdirektor Hans Maier sieht die Ursache für diese Entwicklung in einer toxischen Gemengelage für die Wohnungswirtschaft: „Die aktuelle Energiekrise reiht sich in eine lange Kette ein. Teure Baukosten, steigende Zinsen und eine unzureichende Förderung für den Wohnungsbau führen zu einem starken Rückgang der Investitionen.“

Neubau und Energiewende im Bestand in der Krise

Auch die zweite Befragung des GdW Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft unter seinen Mitgliedunternehmen nach Beginn des Krieges gegen die Ukraine zeigt trübe Aussichten für den bezahlbaren und sozialen Wohnungsbau sowie die klimagerechte Modernisierung für die Jahre 2023 und 2024. Danach wird rund ein Drittel der geplanten neuen Wohnungen in ganz Deutschland in diesem Zeitraum nicht gebaut; statt 61.000 Einheiten nur etwa 40.000 Wohnungen. Im sozialen Wohnungsbau seien die Aussichten ähnlich schlecht: Mehr als ein Fünftel der für 2023 und 2024 geplanten Sozialwohnungen werden die Wohnungsunternehmen nicht realisieren können. Statt 20.000 neuer Sozialwohnungen würden rund 4.200 weniger entstehen.

Energetische Ertüchtigung fällt zurück – Klimaziele in Gefahr

Eine ebenso dramatische Lage zeige sich bei den eigentlich geplanten Modernisierungsvorhaben: Rund ein Fünftel der vorgesehenen Maßnahmen werden die Unternehmen 2023 und 2024 nicht umsetzen können. Von den ursprünglich vorgesehenen rund 272.000 Wohneinheiten werden 53.000 weniger erneuert werden können. Von den verbleibenden etwa 219.000 Wohnungen werde wiederum bei einem Fünftel der Umfang der Modernisierung deutlich reduziert. Das betreffe insbesondere die energetische Modernisierung: Von den ursprünglich geplanten 200.000 Wohnungen werde in diesem und im kommenden Jahr ein Fünftel nicht energetisch modernisiert. 43.000 Wohnungen würden also wegen der schlechten Rahmenbedingungen nicht in einen klimagerechten Zustand gebracht werden können.

Zahl der Baugenehmigung geht 2022 deutlich zurück

Auch die aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes zu den Baugenehmigungen spiegeln das beginnende Schrumpfen der Bauwirtschaft. Im November 2022 wurde in Deutschland der Bau von 24.304 Wohnungen genehmigt. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, waren das 16,3 Prozent Baugenehmigungen weniger als im November 2021. Von Januar bis November 2022 wurden damit insgesamt 321.757 Wohnungen genehmigt. Dies waren 5,7 Prozent oder 19.280 weniger als im Vorjahreszeitraum (Januar bis November 2021: 341.037). Während die Genehmigungszahlen für Einfamilienhäuser um 15,9 Prozent und bei Zweifamilienhäusern um 10,1 Prozent fielen, verzeichneten die Baugenehmigungen für Mehrparteienhäuser ein kleines Plus von 1,2 Prozent.

Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) schreibt vor, dass bei der Erhebung von personenbezogenen Daten der Betroffene zu informieren ist. Unter anderem soll dem Betroffenen mitgeteilt werden, zu welchem Zweck die Daten verarbeitet werden, an wen die Daten weiter...

Die Wohnungsgenossenschaften in Sachsen haben angesichts der Baukostensteigerungen 30 Prozent ihrer Neubauprojekte auf Eis gelegt. Damit werden etwa 150 Wohnungen nicht gebaut. Auch Sanierungsprojekte werden deutlich zurückgefahren. Das geht aus der Bilanz 2022 des Verbandes Sächsischer Wohnungsgenossenschaften (VSWG) hervor. Aufgrund der Baukostensteigerungen werden von den ursprünglich geplanten Neubauprojekten bis nächstes Jahr 30,1 Prozent nicht stattfinden, da sie entweder komplett storniert oder auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Dies entspreche etwa 150 Wohnungen, die im Freistaat nicht gebaut werden.

Rückgang bei den Modernisierungen noch problematischer 

14,7 Prozent der insgesamt geplanten Modernisierungen – wie beispielweise der Anbau von Aufzügen, Grundrissänderungen oder auch wichtige energetische Maßnahmen – werden 2023/2024 nicht realisiert. Auch auf die geplanten Vorhaben hätten die massiven Kostensteigerungen Einfluss. So gebe jede dritte sächsische Wohnungsgenossenschaft an, dass sie den Umfang der Maßnahmen reduzieren muss.

„Bezahlbares Wohnen bedeutet demnach auch, dem Vermieter Luft zum Atmen lassen. Denn der Erhalt des bezahlbaren, attraktiven Wohnens kann nur funktionieren, wenn Geld für Investitionen in Instandhaltung und Modernisierung bleibt“, fasst VSWG-Vorstand Mirjam Philipp zusammen.

Im Gegensatz zu den Nebenkosten stieg nach vorläufigen Schätzungen die durchschnittliche Nettokaltmiete bei den sächsischen Wohnungsgenossenschaften nur moderat auf 5,20 Euro bis 5,30 Euro pro Quadratmeter an. „Wenn die Mieteinnahmen nahezu konstant bleiben, die Baukosten aber um 20 Prozent und mehr steigen, fehlt letztlich Geld für wichtige – auch energetische – Investitionen“, erklärt Sven Winkler Referent Betriebswirtschaft beim VSWG.

Steigende Zinsen trüben die Stimmung

Der ZIA sieht die Ursachen für die insgesamt eingetrübte Stimmungslage der Immobilienbranche in der Entwicklung der Fremdfinanzierung aufgrund steigender Zinsen. Auch hohe Baukosten und extrem gestiegene Energiepreise drückten zunehmend auf die Stimmung. Es müsse jetzt darum gehen, Hürden, die „ohne großen Aufwand zu beseitigen sind, jetzt endlich entschieden wegzuschaffen“, so ZIA-Präsident Andreas Mattner. Konkrete Forderungen: Der ZIA setzt darauf, dass Planungs- und Bauvorschriften in Teilen für den Krisenzeitraum ausgesetzt werden, der Verband bewertet die gerade beschlossene Sonderabschreibung für Wohnungsbau als „völlig unzureichend“, weil sie so eingeschränkt ist, dass es kaum Anwendungsfälle gibt – „das kann man sich gleich sparen“, so Mattner.

Gemäß Jahressteuergesetz 2022 erhöht sich die steuerliche Normalabschreibung für Neubauten von zwei auf drei Prozent. Dieser erhöhte Afa-Satz findet Anwendung auf Wohngebäude, die ab 1. Januar 2023 fertiggestellt werden. Die bestehende Sonderabschreibung für den Mietwohnungsneubau von fünf Prozent, die weiterhin zusätzlich zur steuerlichen Normalabschreibung in Anspruch genommen werden kann, wird um vier Jahre bis Ende 2026 verlängert. Allerdings ist sie an den Neubaustandard Effizienzhaus 40 mit Nachhaltigkeits-Klasse geknüpft. Diese Streckung der Steuerschuld vergrößert die Liquidität von Bauherren und kann zusätzliche Bauinvestitionen anreizen.

Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen: Fast 45 Prozent der geplanten Wohnungen auf Eis gelegt

Angesichts der verschlechterten Bedingungen für den Bau von bezahlbarem Wohnraum hat der Verband Norddeutscher Wohnungs-unternehmen (VNW) zum Jahreswechsel eine Umfrage bei seinen 411 Mitglieds-unternehmen gestartet. VNW-Direktor Andreas Breitner fasst Stimmungen und Ergebnisse zusammen.

„Die Ankündigung von Vonovia kommt leider nicht überraschend. Inzwischen muss ein Unternehmen für eine neu gebaute Wohnung eine Miete zwischen 15 und 18 Euro pro Quadratmeter verlangen, wenn es wenigstens eine ‚schwarze Null‘ schreiben will. Unsere Unternehmen können und wollen keine derartig hohe Miete nehmen. Daher werden geplante Wohnungsbauprojekte reihenweise verschoben oder abgesagt.

Ergebnisse unserer Umfrage:

In Schleswig-Holstein, Hamburg, und Mecklenburg-Vorpommern war in diesem und im kommenden Jahr der Bau von 4.908 Wohnungen geplant.

2.196 Wohnungen werden aufgrund der aktuellen Situation nicht errichtet bzw. ihr Bau wurde verschoben.

Unter diesen 2.196 Wohnungen sind 326 Sozialwohnungen.

Das bedeutet, dass annähernd 45 Prozent der geplanten Wohnungen in den drei Bundesländern nicht errichtet werden bzw. ihr Bau wird verschoben. Bei den geplanten Sozialwohnungen liegt der Anteil bei 19 Prozent.

Als Gründe für den Verzicht bzw. die Verschiebung gaben die Unternehmen an:

  • gestiegene Finanzierungskosten,
  • gestiegene Materialkosten,
  • fehlende Verlässlichkeit der öffentlichen Förderung,
  • unzureichende öffentliche Förderung.

Für die sozialen Vermieter – die monatliche Nettokaltmiete liegt bei unseren Mitgliedsunternehmen im Durchschnitt bei 6,26 Euro pro Quadratmeter – ist die Situation sehr schwierig. Zwar schreiben unsere Unternehmen in der Regel schwarze Zahlen. Allerdings haben sie aufgrund der geringen Miethöhe keine Möglichkeit, gestiegene Kosten für Baumaterialien oder höhere Zinsen an die Mieterinnen und Mieter weiterzugeben.

Hinzu kommt, dass die Bundesregierung derzeit ihre Förderung auf die energetische Sanierung von bestehenden Wohngebäuden fokussiert. Auch soziale Vermieter können den Euro nur einmal ausgeben. Ihre Vorstände und Geschäftsführer entscheiden sich daher immer öfter für die Sanierung ihrer Gebäude, zumal Vorschriften sie dazu zwingen. Der Neubau bleibt dabei auf der Strecke.

Ich habe Sorge, dass Menschen, die keinen Anspruch auf eine Sozialwohnung haben, sich aber eine Wohnung für 15 oder 18 Euro pro Quadratmeter nicht leisten können, kaum mehr eine Wohnung finden werden. Verschärft wird dieser Umstand dadurch, dass aufgrund des Krieges in der Ukraine die Zahl der Flüchtlinge, die eine bezahlbare Wohnung suchen, höher ist als 2015. Da schlummert erhebliches Protestpotenzial.“

"Die gerade beschlossene Sonderabschreibung ist völlig unzureichend. Die kann man sich gleich sparen", Andreas Mattner, ZIA-Präsident

Umfrage: Christina Hövener-Hetz
Text: Christina Hövener-Hetz und Thomas Engelbrecht

Zusatzinfo/ Statistisches Bundesamt, 02.06.2022

Mieten bringen Vonovia über 2,5 Milliarden Euro ein

Indes steigerte der deutsche Immobilienkonzern Vonovia seine Mieteinnahmen 2021 um rund elf Prozent und erwirtschaftet somit rund 2,5 Milliarden Euro. Auch die Deutsche Wohnen (+0,8 %), LEG (+8,3 %) und TAG (+3,2 %) verzeichnen einen Anstieg der Mieterlöse.

Nach der Auffassung von Vonovia-Vorstandschef Rolf Buch, müssen die Mieten wegen der dauerhaft hohen Inflationsrate von vier Prozent künftig weiter steigen. Sonst würden viele Vermieter in ernsthafte Schwierigkeiten geraten. Kritik für diese Aussage hagelte es unter anderem vom Berliner Mieterverein sowie der Linksfraktion: Eine Mieterhöhung in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation sei ein "Schlag ins Gesicht der Mieter:innen" und es gäbe "weder einen wirtschaftlichen Grund noch eine mietrechtliche Zulässigkeit für die meisten Mietverhältnisse".

Infografik: Mieten bringen Vonovia über 2,5 Milliarden Euro ein | Statista Mehr Infografiken finden Sie bei Statista

Thomas Engelbrecht

Thomas Engelbrecht
Chefredakteur

Christina Hövener-Hetz

Christina Hövener-Hetz
Autorin; Inhaberin der Agentur für politische Kommunikation und Presse
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Artikel Vonovia ist kein Einzelfall
Seite 14 bis 17
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