Praxistest sauber bestanden! So die Bilanz der fünf Pilotprojekte, mit denen Vivawest erprobt hat, wie gut Wärmepumpen für den Bestand funktionieren können. Gerade wird das letzte Vorhaben in Düsseldorf abgeschlossen. „Wir haben jede Menge gelernt und können die Erkenntnisse für unsere Folgeprojekte nutzen“, bekräftigt Alexander Arndt, Fachbereichsleiter Technische Gebäudeausrüstung beim Gelsenkirchener Wohnungsunternehmen. Ein Selbstläufer sei der Einsatz von Wärmepumpen für Bestandswohnungen zwar noch nicht, aber die Technologie laufe, wenn sie richtig ausgelegt ist, auch in betagten Häusern effizient.
Älterer Geschosswohnungsbau und Wärmepumpen – Vivawest, mit knapp 120.000 Wohnungen einer der größten Wohnungsanbieter in Nordrhein-Westfalen, sieht dies meist als gute Kombination, um von fossilen Heizsystemen auf regenerative Alternativen umzusteigen. „Für rund 65 Prozent unserer Bestandseinheiten installieren wir Wärmepumpen, wenn wir energetisch modernisieren, die restlichen 35 Prozent der Einheiten schließen wir an die Fernwärme an“, berichtet Arndt. Gelegentlich setze man zudem ausgefallenere Technologien wie einen Eisspeicher ein. „Aber dieser arbeitet ja ebenfalls mit einer Wärmepumpe“, so Arndt. Halbe Sachen hingegen kommen nicht infrage.
Hybrid-Heizungen sind für uns keine Lösung mehr, schließlich soll unser Gebäudebestand bis 2045 klimaneutral sein. Dafür wollen wir die aktuell verbauten Heizungsanlagen nicht erneut anpacken müssen“. sagt Arndt.
In 20 Jahren 120.000 Wohnungen CO2-neutral
Bis zum Jahr 2029 sollen rund 3.500 fossil versorgte Wohnungen, die in der Vergangenheit bereits gedämmt wurden, im Rahmen eines reinen Energieträgerwechsels eine klimaneutrale Heizung erhalten. Dazu kommen nochmals rund 7.900 Wohnungen, für die die Handwerker im Zuge einer energetischen Modernisierung ebenfalls eine regenerative Heizung installieren. Bis 2045 sollen dann alle 120.000 Wohnungen CO2-neutral ausgerichtet sein.
Mit den im Jahr 2022 gestarteten fünf Pilotprojekten sammelt die Vivawest wichtige Erfahrungen für künftige Projekte.In den Quartieren mit Mehrfamilienhäusern, die in Recklinghausen, Duisburg, Moers, Leverkusen und Düsseldorf stehen, wurden für 329 Wohnungen die Öl- und Gasheizungen durch eine Heizungsanlage mit Wärmepumpen ersetzt und auf den Dächern Photovoltaik-Anlagen installiert.
„Hier wird der selbst erzeugte Strom noch komplett in das öffentliche Netz abgegeben, aber bei neueren Vorhaben nutzen wir die Sonnenenergie vom Dach, um die Wärmepumpen zu betreiben“, erzählt Arndt. Auch ein Mieterstrommodell habe man für die Zukunft im Blick.
Umstieg von Gasthermen auf Wärmepumpen
Seit gut einem Jahr beziehen die Bewohner in Suderwich CO2-freie Wärme, die die insgesamt 28 Luft-Wasser-Wärmepumpen liefern. Die Kosten für den reinen Energieträgerwechsel im Rahmen des Pilotprojekts dort: 2,7 Millionen Euro.
Um bei der niedrigeren Vorlauftemperatur der Wärmepumpen von 55 Grad – statt der 70 Grad der zuvor eingesetzten Gastherme – einen effizienten Betrieb zu gewährleisten, brauchten die Wohnungen größere Heizkörper. „Eine Fußbodenheizung oder großflächige Heizwände sind heute in der Regel nicht mehr zwangsläufig nötig“, sagt Arndt. Andere Maßnahmen, wie die Wärmedämmung der Fassaden, fanden in diesem Fall nicht statt. „Wir haben die Gebäude bereits im Rahmen vorheriger Modernisierungen energetisch ertüchtigt, an der Gebäudehülle waren daher keine zusätzlichen Arbeiten mehr nötig“, legt Arndt dar. Die Fassade wurde damals mit rund zehn Zentimeter dicken Polysterol-Platten versehen, die Fenster ausgetauscht und das Dach gedämmt. „Ein zu jener Zeit solider Standard."
Bei einigen Gebäuden reichen auch acht, manchmal sogar sechs Zentimeter Polysteroldämmung, um die installierten Wärmepumpen wirtschaftlich betreiben zu können“, versichert Arndt.
Zu den entscheidenden Einflussfaktoren neben der Fassadendämmung zählen unter anderem die Dachkonstruktion, wobei ein Flachdach den Wettereinflüssen besser trotzt als ein Satteldach. Auch ob es sich um ein freistehendes Gebäude handelt, wie windgeschützt es steht, sowie die Verglasung der Fenster und die Dachdämmung sind wichtige Faktoren.
Etappe für Etappe geht es derzeit weiter
Noch bis Anfang 2026 läuft der zweite Bauabschnitt im Quartier Suderwich, der 96 Wohneinheiten in 22 Gebäuden umfasst und parallel zu den Arbeiten für den ersten Abschnitt im Oktober 2023 begann. Hier erfolgt neben dem Energieträgerwechsel, also dem Einbau der Wärmepumpen, eine umfassende energetische Modernisierung. Alle Häuser werden mit einer 18 Zentimeter starken Mineralwolldämmung bestückt, die Fenster ausgetauscht, obendrein die Bäder erneuert und Balkone angebaut. Die Kosten für die gesamte energetische Modernisierung belaufen sich insgesamt auf 32,9 Millionen Euro. „Es hilft sehr, dass wir bei der Installation der Wärmepumpen auf dem gesammelten Know-how aufbauen und die Regelprozesse aus dem ersten Bauabschnitt teilweise übernehmen können“, so Arndt.
Negatives Image von Wärmepumpen im Bestand ohne Grundlage
Dort erreichen die ersten 28 Wärmepumpen des Quartiers Suderwich einen Jahresarbeitsfaktor von 3,6 – das heißt, sie erzeugen im Schnitt aus einer Kilowattstunde Strom rund 3,6 Kilowattstunden Wärme. „Mit diesem Verhältnis sind wir für unsere Bestandsgebäude sehr zufrieden und haben die vom Hersteller angegebenen Leistungszahl, also den COP-Wert, den er zuvor unter Laborbedingungen gemessen hat, erreicht“, so Arndt. Das teils negative Image von Wärmepumpen im Bestand kann er nicht nachvollziehen. „Technik bleibt Technik, auch bei Gas- oder Ölheizungen können Probleme auftreten – nur wird das in der Öffentlichkeit angesichts der aktuellen Grundsatzdiskussionen über fossile und regenerative Energieträger weniger thematisiert.“
Kleine Anlagen-Duos erzeugen geringen Schallpegel
Platziert sind die 28 Wärmepumpen jeweils als Duo auf Grünflächen zwischen den Gebäuden und laufen über eine Kaskadenschaltung. „Diese Möglichkeit fügt sich besser ins Quartier als ein größeres Gerät. Außerdem hätten wir ansonsten mehr Leitungen gebraucht und das Gelände weitläufig aufgraben müssen, um die 14 Gebäude mit Wärme zu versorgen“, erklärt Arndt. Auch produziere eine größere Anlage einen deutlich höheren Schallpegel, was die Suche nach einem geeigneten Ort zum Aufstellen oft extrem schwierig mache.
Wir wählen die Lösung immer individuell nach den örtlichen Gegebenheiten, sodass sie bestmöglich ins jeweilige Quartier passt“, erzählt Arndt.
Installation auf dem Dach für kurze Leitungen
Für andere Komplexe plant Vivawest die Installation von Wärmepumpen im Dachgeschoss oder installiert diese auf geeigneten Flachdächern. So wie im Dortmunder Quartier Kirchderne – seit August arbeiten hier zwölf Luft-Wasser-Wärmepumpen auf den Dächern, um die Wärme für 96 Wohnungen in zwölf Gebäuden zu generieren. Eine ausgeklügelte Schallentkopplung sichert, dass die Betriebsgeräusche sich nicht in die Wohnungen und die Umgebung ausbreiten. „Die Alternative auf dem Dach haben wir als Pilot zum ersten Mal umgesetzt, vor allem, um kurze Wege bei der Leitungsführung zu haben.
Allerdings muss das Gebäude passen – hier handelt es sich ausschließlich um zweigeschossige Häuser mit Flachdächern“, berichtet Arndt. Es eigne sich aber längst nicht jede Dachkonstruktion im Bestand, zudem müsse die Statik ausreichen.
Fernsteuerung aller Wärmepumpen auf zentraler digitaler Plattform
Ob auf den Dächern in Kirchderne oder zwischen dem Grün in Suderwich – gesteuert und lückenlos kontrolliert werden die einzelnen Anlagen immer zentral aus der Ferne über eine digitale Gebäudemanagement-Plattform. „Diese ermöglicht es uns, frühzeitig Probleme zu erkennen und, wenn nötig, quasi in Echtzeit einzugreifen. So können wir die Parameter der Heizungsanlagen bei unterschiedlichen Außentemperaturen immer wieder nachsteuern und die Effizienz im laufenden Betrieb nachweislich steigern“, schildert Arndt. Die Plattform wird von zwei Kollegen innerhalb des Fachbereichs Technische Gebäudeausrüstung gesteuert.
Auch im Quartier Suderwich nahm das Team kleinere Korrekturen vor, um die Anlagen zu unterschiedlichen Jahreszeiten zu optimieren. So passte es etwa die Hydraulikanbindung punktuell an und justierte mehrmals die Positionen der Sensoren, die die Temperatur im Wärmespeicher messen.


"Hybrid-Heizungen sind für uns keine Lösung mehr, schließlich soll unser Gebäudebestand bis 2045 klimaneutral sein", sagt Alexander Arndt, Fachbereichsleiter Technische Gebäudeausrüstung. Bild: Vivawest
Bettina Brüdgam
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