Eine Kündigung dieser Art setzt allerdings, wie die zitierte Entscheidung zeigt, ein konsequentes Verhalten des Vermieters voraus. Urteile des
Vermieter darf Unpünktlichkeit nicht über längeren Zeitraum hinnehmen
Aus der Entscheidung
Der beklagte Mieter hatte im Jahr 2015 von dem Rechtsvorgänger des jetzigen Klägers eine Wohnung in Berlin angemietet. In den vergangenen Jahren zahlte der Beklagte die Miete mal mehr, mal weniger pünktlich. Der Rechtsvorgänger des Klägers nahm das hin, offenbar weil die Miete im Ergebnis stets gezahlt wurde. Nachdem der Kläger die streitgegenständliche Wohnung erworben hatte, setzte der Beklagte diese Unpünktlichkeit fort. Der Kläger war allerdings nicht bereit, diese Unpünktlichkeiten zu tolerieren und mahnte dieses Verhalten Ende Juli 2020 schriftlich ab. Im August, September und auch im Oktober 2020 zahlte der Beklagte weiterhin erst deutlich nach dem Fälligkeitszeitpunkt. Der Kläger kündigte das Mietverhältnis daraufhin außerordentlich, hilfsweise ordentlich und fristgerecht, und klagte auf Räumung und Herausgabe, nachdem der Beklagte nicht aus der Wohnung auszog.
Das Amtsgericht wies die Räumungsklage ab. Die hiergegen gerichtete Berufung wies das Landgericht Berlin nach einem entsprechenden Hinweis an den Kläger ohne mündliche Verhandlung als offensichtlich unbegründet durch Beschluss zurück.
Nach § 573 Abs. 1 BGB kann der Vermieter ein Mietverhältnis über Wohnraum nur kündigen, wenn
... er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Ein solches berechtigtes Interesse liegt nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB insbesondere dann vor, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat. Nach § 543 Abs. 1 BGB kann der Vermieter das Mietverhältnis aus wichtigem Grund kündigen, der insbesondere dann vorliegt, wenn dem Vermieter eine Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Das Landgericht Berlin hält schon die ordentliche Kündigung für unbegründet, sodass es folgerichtig die außerordentliche Kündigung erst gar nicht mehr prüfte. Zur Begründung führt das Landgericht aus, dass nach der ständigen Rechtsprechung des BGH die fortlaufende unpünktliche Zahlung der Miete durchaus ein berechtigtes Interesse des Vermieters zumindest an einer ordentlichen Kündigung begründen kann. Der Vermieter kalkuliert mit der Einnahme der Mietzahlungen und ist unter Umständen seinerseits zur pünktlichen Zahlung etwa von Darlehensraten verpflichtet. Insofern ist auch die unpünktliche, wenn auch vollständige Zahlung der Miete eine Verletzung vertraglicher Pflichten.
Allerdings verlangen sowohl § 543 Abs. 1 BGB (wichtiger Grund, Unzumutbarkeit) als auch § 573 BGB (erhebliche Vertragsverletzungen), dass die Unpünktlichkeit einen gewissen Umfang erreicht. Nun war im vorliegenden Fall nicht zu bestreiten, dass der beklagte Mieter seit Jahren die Miete nur unpünktlich zahlt. Betrachtet man diesen langen Zeitraum, läge jedenfalls für eine ordentliche Kündigung durchaus ein berechtigtes Interesse vor. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Vorvermieter die unpünktlichen Zahlungen über Jahre hinweg unwidersprochen hingenommen und damit auch ein gewisses Vertrauen bei dem Mieter geschaffen hat. Dieses Vertrauen hat der jetzige Vermieter und Kläger erst durch die Abmahnung aus dem Juli 2020 zerstört, in dem er mit der Abmahnung auf einer künftig pünktlichen Zahlung der Miete bestand. Damit können aber die unpünktlichen Zahlungen in der Zeit vorher nicht mehr zur Begründung eines berechtigten Interesses an einer Beendigung des Mietverhältnisses herangezogen werden. Übrig bleiben lediglich die drei folgenden Monate nach dem Juli 2020 und nach der Abmahnung. Eine dreimalige unpünktliche Zahlung der Miete kann für sich allein auch nach der Rechtsprechung des BGH die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses nicht begründen. Die Kündigungen waren damit unwirksam, weshalb dem Kläger auch kein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung zustand.
Konsequenzen
Die Entscheidung liegt – auch wenn sie zunächst sehr mieterfreundlich wirkt – durchaus auf der Linie der ständigen Rechtsprechung des BGH. Beide Regelungen zur Kündigung von Mietverhältnissen verlangen nun einmal bei Pflichtverletzung des Mieters ein gewisses Maß, was sich daraus ergibt, dass bei der außerordentlichen Kündigung die Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Vermieter unzumutbar sein muss und bei der ordentlichen Kündigung die Vertragsverletzungen eben erheblich sein müssen. Gerade bei Dauerschuldverhältnissen sollen gelegentliche Pflichtverletzungen nicht sogleich zur Beendigung des Vertragsverhältnisses führen können. Das würde dem Charakter von Dauerschuldverhältnissen nicht gerecht.
Praxistipp
Die Entscheidung könnte dazu verleiten, nunmehr jedes Fehlverhalten des Mieters abzumahnen, um als Vermieter sich nicht vorhalten lassen zu müssen, zu lange tolerant gewesen zu sein. Das dürfte allerdings nicht richtig sein. Die Abmahnung ist das letzte Mittel vor der Kündigung, um sich vor Vertragsverletzungen der anderen Vertragspartei zu schützen. Das gilt nicht nur für Mietverhältnisse, sondern für alle Dauerschuldverhältnisse. Nach der Abmahnung folgt die Kündigung. Die Abmahnung hat damit die Funktion einer „letzten Warnung“. Ein Vermieter, der ständig auch wegen kleinster Verfehlungen des Mieters Abmahnungen ausspricht, nimmt der Abmahnung gerade diese Warnfunktion. Der Vermieter schafft damit bei dem Mieter erneut einen Vertrauenstatbestand, nämlich den, dass die Abmahnung nicht ganz ernst gemeint sei. Ein Vermieter, der sich konsequent verhält, erteilt auf eine nicht völlig unerhebliche Pflichtverletzung eine Abmahnung und kündigt bei der nächsten Pflichtverletzung.
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