Außenwanddämmung an der Grundstücksgrenze

Hauseigentümer sollten die Zustimmung ihres Nachbarn einholen, bevor sie Wärmedämmplatten auf einer Hauswand anbringen, die sich an der Grundstücksgrenze befindet. Denn der Nachbar muss es nicht hinnehmen, wenn eine Verkleidung der fremden Außenwand in sein Grundstück hineinragt. Im entschiedenen Fall brachte ein Hauseigentümer trotz Widerspruchs des Nachbarn Wärmedammplatten an, die 15 cm über die Grenze auf das Nachbargrundstück reichten. Laut Gericht muss sich ein Eigentümer vergewissern, ob die Veränderung an seinem Haus, das direkt an der Grundstücksgrenze steht, ausschließlich auf dem eigenen Grundstück erfolgt. Andernfalls führe er grob fahrlässig einen Überbau herbei, was der Nachbar nicht hinnehmen muss.

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Bild: AlenKadr/stock.adobe.com
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Aus dem Tatbestand

Die Parteien streiten im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens um die Zulässigkeit eines Überbaues an einer Außenwand zum Zweck der Wärmedämmung.

Der Verfügungskläger ist Eigentümer des Flurstücks XX.X Das Grundstück des Klägers weist zur Straße eine ca. 4,50 - 5 m breite Durchfahrt zwischen den Grundstücken K.-Straße 23 und K. Straße 25 auf. Diese bildet eine Zufahrt zum hinteren, sich erweiternden und bebauten Grundstücksbereich des Klägers. Die Verfügungsbeklagte (zukünftig: Beklagte) ist Eigentümerin des in westlicher Richtung unmittelbar angrenzenden Grundstücks K.-Straße 25 (Flurstück XXX). Im vorderen Bereich grenzen beide Grundstücke an die K.-Straße. Das Grundstück der Beklagten ist bis an die Grundstücksgrenze des Klägers mit einem Gebäude bebaut.

Die Beklagte ließ zunächst am 13.03.2009 ohne Genehmigung des Klägers auf dessen Grundstück entlang ihrer der Durchfahrt zugewandten Gebäudeseite ein Gerüst stellen. Auf die Bitte der Beklagten hin genehmigte der Kläger zeitlich begrenzt nachträglich das Aufstellen des Gerüstes, um die von der Beklagten angegebene dringende Instandsetzungsmaßnahmen im Giebelbereich durchführen lassen zu können. Am 14.05.2009 stellte der Kläger fest, dass die Beklagte begonnen hatte, auf der Außenwand ihres Gebäudes eine mindestens 12 cm starke Isolierung aufzubringen, die anschließend mit einem Grundputz und einem Oberputz versehen werden sollte. Die Gesamtdicke der geplanten Baumaßnahme beläuft sich auf 15 cm. Diese sollte im vorderen Bereich in einer Höhe von 3 m oberhalb des Bodens beginnen und im hinteren Bereich wegen der ansteigenden Durchfahrt in einer Höhe von 2,20 m oberhalb des Bodens enden. Die zu verkleidende Fläche der Außenwand der Beklagten beläuft sich auf 252,96 qm. Da das Gebäude der Beklagten unmittelbar bis an die Grenze des Grundstücks der Beklagten bebaut ist, ragt die beabsichtigte Dämmschicht 15 cm in den Luftraum über das Grundstück des Klägers hinein und würde dessen Durchfahrt einengen. Der Kläger widersprach der Aufbringung der Dämmschicht. Zunächst stoppte die Beklagte die Arbeiten bis zur Klärung. Am 13.6.2009 setzte die Beklagte die zu einem Überbau führenden Arbeiten fort. Der Kläger forderte die Beklagte erfolglos unter Fristsetzung und Androhung gerichtlicher Schritte zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf.

Daraufhin beantragte der Kläger den Erlass einer einstweiligen Verfügung.

Aus den Entscheidungsgründen

I. ...
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Dem Kläger steht gemäß § 1004 BGB i.V.m. § 903 BGB der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu (Verfügungsanspruch). Der Kläger muss nicht dulden, dass die Beklagte in sein Grundstück hineinragend eine Wärmedämmung anbringt und damit die Breite seiner Durchfahrt verjüngt. Diesen Anspruch kann der Kläger auch im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzen (Verfügungsgrund).

1.) Der Kläger muss das Vorhaben der Beklagten, an ihr auf der Grenze stehendes Gebäude Dämmplatten anbringen zu lassen, die ca. 15 cm in den Luftraum des Grundstücks des Klägers hineinragen, nicht als Überbau gemäß § 912 Abs. 1 BGB dulden.
Dabei hat das Landgericht unter Bezugnahme auf die höchstrichterliche Rechtsprechung (BGH, Urt. v. 19.09.2008 - V ZR 152/07, NJW-RR 2009, 24 Tz. 10 f.) zu Recht angenommen, dass die Vorschrift nicht nur auf Fälle der Errichtung eines Gebäudes, sondern analog auch auf die Fälle anzuwenden ist, dass eine Grundstücksgrenze infolge nachträglicher Veränderung eines zunächst innerhalb der Grenzen errichteten Gebäudes überbaut wird. Eine Pflicht zur Duldung ist jedoch deshalb ausgeschlossen, da die Beklagte grob fahrlässig oder vorsätzlich handelt, indem sie Maßnahmen vornimmt oder vornehmen will, die einen 15 cm in das Grundstück des Klägers hineinragenden Überstand verursachen. Wer im Bereich der Grundstücksgrenze baut und sich nicht gegebenenfalls durch Hinzuziehung eines Vermessungsingenieurs darüber vergewissert, ob der für die Bebauung vorgesehene Grund auch ihm gehört und er die Grenzen seines Grundstücks nicht überschreitet, handelt jedenfalls grob fahrlässig (BGHZ 156, 170 ff.). Die Beklagte weiß, dass ihr Gebäude unmittelbar an die Grundstücksgrenze gebaut ist. Sie weiß daher auch, dass bei einem weiteren Aufbringen von Dämmplatten diese zwingend in das Grundstück des Klägers hineinragen. Darüber hinaus kann § 912 BGB auch deshalb keine Duldungspflicht entfalten, da der Kläger sofort nach der Grenzüberschreitung Widerspruch erhoben hat.

2.) Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ergibt sich auch aus § 7 b NRG BW keine Pflicht zur Duldung des Überbaues.
§ 7 b NRG BW regelt, dass dann, wenn nach den baurechtlichen Vorschriften unmittelbar an die gemeinsame Grundstücksgrenze gebaut werden darf, der Eigentümer des Nachbargrundstücks in den Luftraum seines Grundstücks übergreifende untergeordnete Bauteile, die den baurechtlichen Vorschriften entsprechen, zu dulden hat, so lange diese die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigen. Untergeordnete Bauteile sind nach der Vorschrift insbesondere solche Bestandteile einer baulichen Anlage, die deren nutzbare Fläche nicht vergrößern.
Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei wärmeschutzbedingten Überbauten an einer Hauswand nicht um ein untergeordnetes Bauteil. Der nachbarrechtliche Begriff eines untergeordneten Bauteils ist dabei nicht anders auszulegen, als in § 5 Abs. 6 Nr. 1 LBO BW. Dort werden in einer beispielhaften Aufzählung „Gesimse, Dachvorsprünge, Eingangs- und Terrassenüberdachungen“ genannt. Dem steht eine ab einer bestimmten Höhe in den Luftraum des benachbarten Grundstücks hineinragen Hauswand nicht gleich. Der Vorbau einer Wand ist weder nach dem Zweck noch nach der Funktion ein untergeordnetes Bauteil. Entgegen Schröer, NZBau 2008, 706, 707 wird durch die Anbringung von Wärmedämmplatten im Wege des Überbaues darüber hinaus mittelbar die nutzbare Fläche vergrößert. Wollte Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei wärmeschutzbedingten Überbauten an einer Hauswand nicht um ein untergeordnetes Bauteil. Der nachbarrechtliche Begriff eines untergeordneten Bauteils ist dabei nicht anders auszulegen, als in § 5 Abs. 6 Nr. 1 LBO BW. Dort werden in einer beispielhaften Aufzählung „Gesimse, Dachvorsprünge, Eingangs- und Terrassenüberdachungen“ genannt. Dem steht eine ab einer bestimmten Höhe in den Luftraum des benachbarten Grundstücks hineinragen Hauswand nicht gleich. Der Vorbau einer Wand ist weder nach dem Zweck noch nach der Funktion ein untergeordnetes Bauteil. Entgegen Schröer, NZBau 2008, 706, 707 wird durch die Anbringung von Wärmedämmplatten im Wege des Überbaues darüber hinaus mittelbar die nutzbare Fläche vergrößert. Wollte man vermeiden, dass die Dämmung in das Grundstück des Nachbars hineinragt, müsste die Dämmung an den Innenwänden angebracht werden, was die jeweilige Raumgröße verkleinern würde. Bei gleicher Wärmedämmung führt die Lösung des Überbaus daher zu einer Vergrößerung der nutzbaren Fläche. Auch dies steht der Annahme entgegen, das Anbringen von Wärmedämmplatten an einer Hausaußenwand als untergeordnetes Bauteil zu qualifizieren (vgl. § 7 b Abs. 1 S. 2 NRG BW).

3.) Eine Duldungspflicht ergibt sich auch nicht aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis. Die Ableitung von Rechten und Pflichten aus einem solchen nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis muss eine aus zwingenden Gründen gebotene Ausnahme bleiben, da sowohl der Bundes- als auch der Landesgesetzgeber entsprechende Überbauregelungen getroffen haben. Die darin zum Ausdruck kommende grundsätzliche Wertung des Gesetzgebers, dass nur ausnahmsweise von einem Eigentümer ein Eingriff in sein Eigentum hinzunehmen ist, führt dazu, dass allein das grundsätzliche Interesse an einer verbesserten Wärmedämmung als energetische Maßnahme nicht zu einer Duldungspflicht führt. Besondere Umstände sind im Streitfall nicht dargetan. Weder ist ersichtlich, dass die Wärmedämmung zwingend vorgenommen werden muss, noch ist dargetan, dass diese aus technischen Gründen nicht anders als von außen erfolgen kann. Hinzu kommt, dass an dieser Stelle nach dem Schreiben der Stadt X v. 18.8.2009 eine „geschlossene Bebauung vorgegeben“ ist, so dass - für den Fall der Bebauung dieser Lücke durch den Kläger - auch dessen Interesse am Erhalt der Ausschöpfung seiner Grundstücksgröße zu berücksichtigen ist. Im vorliegenden Streitfall scheidet damit eine aus § 242 BGB abgeleitete Duldungspflicht aus. Auch das Gemeinwohlinteresse an einer Wärmedämmung rechtfertigt den Überbau nicht (insoweit zu § 912 BGB ebenso: OLGR Celle 1998, 32, 33).
Zu Recht hat das Landgericht daher dem Kläger das Anbringen der in das Flurstück Nr. XXX hineinragenden Außenisolierung und entsprechende Baumaßnahmen einstweilen untersagt.

4.) Dabei steht dem Kläger für die Geltendmachung seines Anspruchs auch ein Verfügungsgrund zur Seite. Im Hinblick auf die begonnenen Arbeiten musste der Kläger vermeiden, dass die Beklagte nicht oder nur schwer rückbaubare Tatsachen schafft.

Gericht: OLG Karlsruhe
Aktenzeichen: 6 U 121/09
Urteil vom: 09.12.2009

Redaktion (allg.)

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