Wohnflächenabweichung Einfamilienhaus

Auch bei einem vermieteten Einfamilienhaus mit Garten stellt eine Wohnflächenabweichung einen zur Minderung berechtigenden Mangel dar, wenn die tatsächliche Wohnfläche von der vereinbarten Wohnfläche um mehr als 10 % nach unten abweicht. Eine Anhebung dieses Grenzwerts wegen der mitvermieteten Gartenfläche kommt nicht in Betracht (Fortführung von BGH, Urteile vom 24. März 2004 - VIII ZR 133/03, WuM 2004, 268, und VIII ZR 295/03, WuM 2004, 336).

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Bild: Ingo Bartussek/stock.adobe.com
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Aus dem Tatbestand

Die Beklagten waren aufgrund des Mietvertrages vom 20. Juni 2003 Mieter einer Doppelhaushälfte des Klägers samt zugehörigem Grundstück in B. . In § 1 des Mietvertrages ist unter anderem aufgeführt: "Wohnfläche ca. 145 qm." Die Miete betrug 1.420 Euro einschließlich einer Vorauszahlung für Nebenkosten in Höhe von 171 Euro.

Die Parteien streiten, soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, über einen von den Beklagten erhobenen Anspruch auf Rückerstattung überzahlter Miete, den die Beklagten damit begründen, dass die Wohnfläche der vermieteten Doppelhaushälfte nur 119 qm betrage und somit um mehr als 10 % von der mit ca. 145 qm vereinbarten Wohnfläche abweiche. Mit dem auf eine monatliche Mietminderung um 223,96 Euro gestützten Erstattungsanspruch haben sie gegen die Klageforderung, die dem Kläger vom Amtsgericht in Höhe von 671,94 Euro zuerkannt worden ist, aufgerechnet. Mit der Widerklage verlangen sie darüber hinaus Rückzahlung eines Betrages von 4.153,78 Euro nebst Zinsen, den sie am 5. Oktober 2006 unter Vorbehalt an den Kläger gezahlt haben. Das Amtsgericht hat die Aufrechnung nicht durchgreifen lassen, der Klage stattgegeben, und die Widerklage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihr Klageabweisungs- und Widerklagebegehren weiter.

Aus den Entscheidungsgründen

Die Revision der Beklagten hat teilweise Erfolg.

I.
II. Die Beurteilung des Bundesgerichtes hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

A.
B. Soweit die Revision zulässig ist, hält die Beurteilung des Berufungsgerichts einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Mit der gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Beklagten auf Rückzahlung der unter Vorbehalt gezahlten Miete in Höhe von 4.153,78 Euro und das Bestehen einer Gegenforderung in Höhe der noch in Streit stehenden Klageforderung von 671,94 Euro nicht verneint werden.
Nach dem für das Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Sachverhalt ist nicht auszuschließen, dass die tatsächliche Wohnfläche von der vereinbarten Wohnfläche der vermieteten Doppelhaushälfte um mehr als 10 % abweicht, so dass die Miete entsprechend gemindert und ein Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Miete gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB in der geltend gemachten Höhe begründet ist.

1.) Im Ansatz zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass ein Anspruch auf Rückzahlung zuviel gezahlter Miete gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB bestehen kann, wenn die tatsächliche Wohnfläche von der vertraglich vereinbarten Wohnfläche um mehr als 10 % nach unten abweicht und damit ein zur Minderung berechtigender Mangel im Sinne von § 536 BGB gegeben ist (Senatsurteile vom 23. Mai 2007 - VIII ZR 231/06, NJW 2007, 2624, Tz. 12).

2.) Das Berufungsgericht hat auch rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Wohnfläche der vermieteten Doppelhaushälfte grundsätzlich anhand der für preisgebundenen Wohnraum geltenden Bestimmungen der Zweiten Berechnungsverordnung (II. BV) zu ermitteln ist. Nach der Rechtsprechung des Senats bedarf es zur Ermittlung der Kriterien, nach denen die Wohnfläche zu berechnen ist, der Auslegung, weil insoweit kein einheitliches Verständnis besteht (Senatsurteile vom 24. März 2004 - VIII ZR 295/03, aaO, unter II 1 und - VIII ZR 44/03, aaO, unter II 1 b). Soweit nicht die Parteien dem Begriff "Wohnfläche" eine andere Bedeutung beigemessen haben oder ein anderer Berechnungsmodus ortsüblich oder nach der Art der Wohnung nahe liegender ist, ist davon auszugehen, dass sich die Parteien stillschweigend darauf geeinigt haben, dass die Vorschriften der Wohnflächenverordnung beziehungsweise der §§ 42 bis 44 II. BV anzuwenden sind (Senatsurteile vom 23. Mai 2007 - VIII ZR 231/06, aaO, Tz. 13, 17 und vom 24. März 2004 - VIII ZR 44/03, aaO, unter II 1 b aa). Bei Mietverträgen, die - wie hier - vor Inkrafttreten der Wohnflächenverordnung abgeschlossen worden sind, ist dabei auf die Vorschriften der Zweiten Berechnungsverordnung abzustellen (Senatsurteil vom 23. Mai 2007, aaO, Tz. 17). Das Berufungsgericht hat in Ermangelung von Anhaltspunkten für ein anderweitiges Verständnis der Vertragsparteien oder eines vorrangig anzuwendenden anderen Berechnungsmodus angenommen, dass bei dem am 20. Juni 2003 geschlossenen Mietvertrag von der Geltung der Zweiten Berechnungsverordnung auszugehen ist. Diese Auslegung ist nicht zu beanstanden und wird von der Revision auch nicht angegriffen. Ein abweichender Anrechnungsmodus kommt allerdings nach den vom Berufungsgericht wiedergegebenen Ausführungen des gerichtlich bestellten Gutachters hinsichtlich der Terrassenfläche in Betracht (siehe dazu unten unter 4 b).

3.) Das Berufungsgericht ist jedoch zu Unrecht der Auffassung, bei einer Doppelhaushälfte sei - anders als bei einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus - wegen der zusätzlich zur Nutzung vermieteten Garten-Grundstücksfläche ein Mangel erst dann gegeben, wenn die tatsächliche Wohnfläche um mehr als 15 % unter der vertraglich vereinbarten Wohnfläche liege.
Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Erheblichkeitsgrenze im Interesse der Praktikabilität und der Rechtssicherheit bei 10 % anzusetzen (vgl. Senatsurteil vom 24. März 2004 - VIII ZR 133/03, aaO, unter II). Eine zusätzliche Toleranzschwelle liefe diesem Interesse zuwider und ist auch bei einem vermieteten Einfamilienhaus sachlich nicht gerechtfertigt. Die Wohnfläche stellt ein wesentliches Merkmal für den Nutzwert der angemieteten Wohnung dar. So wird bereits bei der Inserierung in aller Regel die Wohnungsgröße der angebotenen Wohnung angegeben, um Interessenten eine Vergleichbarkeit verschiedener Wohnungen zu erleichtern und um die Miete pro Quadratmeter errechnen zu können (Senatsurteil vom 24. März 2004 - VIII ZR 295/03, aaO, unter II 2 b). Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um Mietraum einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus oder in einem Einfamilienhaus wie etwa einer Doppelhaushälfte mit Gartenfläche handelt.

4.) Auf diesem Rechtsfehler beruht das Berufungsurteil. Da die Erheblichkeitsgrenze auch im vorliegenden Fall bei 10 % zu ziehen ist, kommt es darauf an, in welchem Umfang das Dachgeschoss (Atelier) und die Terrassenfläche bei der Ermittlung der Wohnfläche zu berücksichtigen sind.

a) Hinsichtlich der Anrechnung der Dachgeschossfläche rügt die Revision zu Recht, dass die Berechnung des Sachverständigen - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht mit den Vorgaben der Zweiten Berechnungsverordnung in Übereinstimmung zu bringen ist. So hat der Sachverständige zwar Raumteile mit einer lichten Höhe von unter einem Meter abgezogen und Raumteile mit einer Höhe zwischen einem Meter und 1,5 Meter zur Hälfte angesetzt, jedoch entgegen § 44 Abs. 1 Nr. 2 II. BV Raumteile zwischen 1,5 Meter und 2 Meter nicht nur zur Hälfte, sondern voll angesetzt. Das Gutachten des Sachverständigen ist insoweit - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht "nachvollziehbar", so dass die darauf fußende Feststellung des Berufungsgerichts zu der auf die Wohnfläche anrechenbaren Fläche des Dachgeschosses rechtsfehlerhaft ist.

b) Zudem hat das Berufungsgericht - aus seiner Sicht folgerichtig - rechtsfehlerhaft keine abschließenden Feststellungen zur Anrechnung der Terrasse auf die Wohnfläche getroffen. Es hat unter Bezugnahme auf das eingeholte Sachverständigengutachten lediglich ermittelt, welche Gesamtwohnfläche sich bei einer vollständigen Streichung der Terrassenfläche oder bei einer Berücksichtigung des überdachten Teils ergibt.
Nach § 44 Abs. 2 II. BV können die Grundflächen von gedeckten Freisitzen bis zur Hälfte auf die Wohnfläche angerechnet werden. Eine Terrasse erfüllt diese Anforderungen, wenn sie über einen Sichtschutz verfügt (OLG Nürnberg, NJW-RR 2001, 82, 83). Eine Überdeckung oder Überdachung ist dagegen nicht erforderlich, denn mit "gedeckt" ist keine Überdeckung oder Abdeckung, sondern lediglich ein Schutz gegen die Einsichtnahme gemeint, zum Beispiel durch Umfassungswände, Sichtblenden oder Bepflanzung, wobei der Sichtschutz nicht vollständig zu sein braucht (BVerwGE, aaO; Langenberg, aaO; aA LG Rostock, WuM 2006, 247). Ob die Terrasse in diesem Sinne "gedeckt" ist, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt, sondern nur auf den überdachten Terrassenanteil abgestellt.
Auf diese Frage kommt es allerdings nicht an, falls eine hälftige Anrechnung der Terrassenfläche auch für nicht "gedeckte" Terrassen ortsüblich sein sollte. In diesem Sinne könnte die vom Berufungsgericht wiedergegebene Angabe des gerichtlich bestellten Gutachters, die Anrechnung der Fläche einer Terrasse mit 50 % sei "übliche Praxis", zu verstehen sein. Ob ein solcher, von den Bestimmungen der Zweiten Berechnungsverordnung abweichender Anrechnungsmodus für Terrassenflächen ortsüblich ist, hat das Berufungsgericht jedoch nicht aufgeklärt.

III. Nach alledem kann das Berufungsurteil, soweit es der Revision unterliegt, keinen Bestand haben; es ist daher in diesem Umfang aufzuheben.

Gericht: BGH
Aktenzeichen: VIII ZR 164/08
Urteil vom: 28.10.2009

Redaktion (allg.)

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