Berliner stimmen mehrheitlich für Enteignung von Wohnungsunternehmen
Die Mieter-Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ formulierte für den erfolgreichen Volksentscheid einen „Beschluss zur Erarbeitung eines Gesetzentwurfs durch den Senat zur Vergesellschaftung der Wohnungsbestände großer Wohnungsunternehmen“. Die Initiative beruft sich bei diesen Vergesellschaftungsgesetz auf Artikel 15 des Grundgesetzes.
Wesentlicher Inhalt des Beschlusses
Der Senat wird aufgefordert, alle Maßnahmen einzuleiten, die zur Überführung von Immobilien in Gemeineigentum erforderlich sind:
- Vergesellschaftung der Bestände aller privatwirtschaftlichen Wohnungsunternehmen mit über 3.000 Wohnungen im Land Berlin. Ausgenommen sind Unternehmen in öffentlichem Eigentum, kommunale Wohnungsbaugesellschaften in privater Rechtsform und Bestände in kollektivem Besitz der Mieterschaft,
- gemeinwirtschaftliche, nicht profitorientierte Verwaltung der Wohnungsbestände durch eine Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR),
- Verwaltung der in Gemeineigentum überführten Bestände unter mehrheitlicher, demokratischer Beteiligung von Belegschaft, Mietern und Stadtgesellschaft,
- Verbot der Reprivatisierung dieser Wohnungsbestände in der Satzung der AöR,
- Zahlung einer Entschädigung deutlich unter Verkehrswert an die betroffenen Wohnungsunternehmen.
Nach amtlicher Kostenschätzung müsste die Berliner Landesregierung für die Vergesellschaftung von rund 243.000 Wohnungen Entschädigungskosten von 28,8 bis 36 Milliarden Euro sowie Erwerbsnebenkosten von weiteren bis zu 180 Millionen Euro aufbringen.
Der Berliner Senat ist rechtlich nicht an den Volksentscheid gebunden. Die vermutlich zukünftige Regierende Bürgermeister Franziska Giffey von der SPD hatte in Wahlkampf erklärt, dass die Enteignung für sie eine rote Linie darstelle.
Die Reaktionen der Immobilienverbände
In ersten Reaktionen nach dem Wahlsonntag warnen die Interessenverbände der Immobilienbranche, dass durch Enteignungen keine einzige neue Wohnung entstehen werde. Durch unrealistische Forderungen, die verfassungsrechtlich letztlich keinen Bestand hätten, dürfe die Berliner Stadtgesellschaft nicht länger gespalten werden. Zur Lösung der Wohnungsfrage brauche es mehr Miteinander statt gegeneinander. Am besten werde das mit einem ‚Bündnis für Neubau und Wohnen‘ gelingen.
„Mit der Entschädigungssumme könnten zehntausende Wohnungen gebaut werden“
Angesichts des Ergebnisses des Berliner Volksentscheids zur Enteignung ruft der Zentrale Immobilien Ausschuss ZIA die Politik zur Besonnenheit auf. Die geforderte Enteignung von mehr als 240.000 Wohnungen müsste mit bis zu 36 Milliarden Euro entschädigt werden. „Für dieses Geld ließen sich alternativ 137.000 neue Wohnungen bauen – das war der Bedarf an Wohnungen in Berlin im Jahr 2019“, sagt ZIA-Präsident Dr. Andreas Mattner.
„Initiative wird verfassungsrechtlich scheitern“
Nach Auffassung des IVD Deutschland verstoße die Enteignung-Initiative in mehrfacher Hinsicht gegen die Verfassung. Schon aus Gründen der Verhältnismäßigkeit und des Gleichheitsgrundsatzes lasse sich ein Enteignungsgesetz nicht verfassungsfest aufstellen. Zudem habe das Land Berlin dazu keine Gesetzgebungskompetenz. Kerstin Huth, Vorsitzende des IVD Berlin-Brandenburg: „Aus unserer Sicht widersprechen die Enteignungs-Pläne ganz klar der Berliner Landesverfassung. Die angestrebte Vergesellschaftung wäre ein absolutes Novum in der Geschichte der Bundesrepublik und ist zum Scheitern verurteilt. Einen juristischen Nachschlag á la Mietendeckel kann sich die Hauptstadt nicht leisten.“ Huth wünscht sich von der neuen Landesregierung eine neue Gesprächskultur mit der Immobilienwirtschaft. Letzten Endes hätten alle dasselbe Ziel: Entlastung für den Berliner Wohnungsmarkt. Dieses Ziel könne am besten gemeinsam erreicht werden – mit verbindlichen Vorgaben und Rahmenbedingungen und ohne Enteignung. (Red.)
nach der Wahl:
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