„Bund treibt Mieten weiter nach oben“
„Als tragende Säule des Sozialstaates“ bezeichnet Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) das Wohngeld. Zuletzt hatte die Ampelregierung das Wohngeld zum 1. Januar 2023 deutlich heraufgesetzt und den Kreis der Empfänger vergrößert. Seither, so die Ministerin, müssten die Menschen deutlich mehr Geld für Miete, Energie und den täglichen Bedarf ausgeben. Um die Haushalte mit kleinen Einkommen weiterhin zu entlasten, werde das monatliche Wohngeld zum 1. Januar 2025 um durchschnittlich 15 Prozent bzw. 30 Euro erhöht.
Wohngeld wirkt inzwischen „dysfunktional“
Kritik an dieser Ausweitung von Sozialleistungen kommt vom Pestel-Institut in Hannover, das sich unter anderem für den Bau von mehr Sozialwohnungen einsetzt. Instituts-Leiter Matthias Günther kritisiert, dass das Wohngeld inzwischen eine Höhe erreicht habe, die „dysfunktional“ wirke. Soll heißen, viele Haushalte haben zwar mehr Geld in der Tasche, allerdings ohne dass zusätzliche Wohnungen am Markt verfügbar seien. „Damit wird der Mietenanstieg beschleunigt“, kritisiert Ökonom Günther. Aktuell fehlten in Deutschland über 500.000 Wohnungen. Vermieter säßen damit am längeren Hebel: Sie könnten sich ihre Mieter aussuchen. Und viele nutzten die Situation auch aus, um mit den Mieten immer weiter nach oben zu gehen.
Steigerung der Subjektförderung wirkt in angespannten Wohnungsmärkten kontraproduktiv
Das Problem bleibe die über Jahrzehnte vernachlässigte Schaffung von bezahlbaren Wohnungen, ob mit oder ohne Sozialbindung. Die unmittelbare Förderung der Mieter funktioniere nur in Wohnungsmärkten mit einem ausreichenden quantitativen Angebot, also in Märkten ohne latente Mieterhöhungsspielräume. Dies sei gegenwärtig aber nur in wenigen Regionen gegeben. In allen anderen Regionen führe mehr Geld nur zu höheren Mieten. Der Bund werde jetzt also die Mieten weiter nach oben treiben. Schon bei den Kosten der Unterkunft müsse der Staat heute Mieten akzeptieren, die regional teils deutlich über den Durchschnittsmieten liegen.
Bündnis „Soziales Wohnen“ spricht von staatlichem Missmanagement
Bereits Anfang 2024 hatte das Bündnis „Soziales Wohnen“ Bund und Ländern „Missmanagement“ bei der Versorgung von einkommensschwachen Menschen mit Wohnraum vorgeworfen. Weil immer mehr Sozialwohnungen fehlen, seien die staatlichen Ausgaben für Wohngeld und die Kosten der Unterkunft explodiert. Die monatlichen Milliardenhilfen trieben das Mietenniveau zusätzlich – allein zum Wohle der Vermieter. Zu diesen Ergebnissen kommt die Wohnungsmarktstudie „Bauen und Wohnen 2024 in Deutschland“, die das Pestel-Institut in Hannover im Auftrag des Bündnisses „Soziales Wohnen“ durchgeführt hat. Diesem Bündnis gehören neben dem Deutschen Mieterbund unter anderem die Caritas, die Industriegewerkschaft Bau sowie Verbände der Baustoffwirtschaft an.
In München muss das Jobcenter Luxusmieten akzeptieren
Studien-Leiter Matthias Günther vom Pestel-Institut nennt Zahlen: Spitzenreiter der durch das Wohngeld angetriebenen „Turbo-Mieten“ sei die bayerische Landeshauptstadt München. Hier lag 2023 die von den Job-Centern gezahlte Miete bei den Kosten der Unterkunft mit 19,40 Euro pro Quadratmeter rund 6,60 Euro – und damit über 50 Prozent – über der Münchner Durchschnittsmiete. Unterm Strich bezahlt der Staat nach Berechnungen des Pestel-Instituts dadurch allein in München schon eine Millionensumme an „Mehr-Miete“ – und das Monat für Monat. Bundesweit ermittelte die Studie nur bei den Kosten der Unterkunft im Vergleich zur Durchschnittsmiete rund 700 Millionen Euro Mehrkosten pro Jahr.
Wohnkosten fünf Mal höher als Investitionen für den Bau von Sozialwohnungen
Insgesamt habe der Staat nach Angaben der Wissenschaftler im Jahr 2023 erstmals mehr als 20 Milliarden Euro an Sozialausgaben für die Unterstützung bedürftiger Menschen beim Wohnen ausgegeben: gut 15 Milliarden Euro für die Kosten der Unterkunft, die überwiegend von den Job-Centern gezahlt werden. Und zusätzlich über fünf Milliarden Euro für das Wohngeld. Dagegen lagen die Ausgaben von Bund und Ländern für den sozialen Wohnungsbau in den letzten Jahren lediglich bei gut vier Milliarden Euro pro Jahr, so die Studie. „Die Sozialausgaben fürs Wohnen sind damit fünfmal so hoch wie die Förderung für den Neubau von Sozialwohnungen. Das ist ein deutliches Missverhältnis“, so das Pestel-Institut.
Die durch die Zahlen gescholtene Bundesbauministerin Klara Geywitz bezeichnete die Pestel-Studie als „hochgradig unseriös“ und sprach von „absurden Ergebnissen“. (Red.)