Strategie zum Ausbau der Photovoltaik

Bundesregierung setzt (auch) auf Mehrfamilienhäuser

Ein neues Modell zur gemeinschaftlichen Stromversorgung, Vereinfachungen beim bestehenden Mieterstrommodell und Verbesserungen für Betreiber von Balkonsolaranlagen – das sind zentrale Elemente der Photovoltaik-Strategie, die Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck vorgestellt hat.

Deutschlands Strombedarf soll bis 2030 zu 80 Prozent regenerativ gedeckt werden. Dazu ist ein gewaltiger Ausbau von PV-Anlagen notwendig. Foto: Adobestock/Zstock
Deutschlands Strombedarf soll bis 2030 zu 80 Prozent regenerativ gedeckt werden. Dazu ist ein gewaltiger Ausbau von PV-Anlagen notwendig. Foto: Adobestock/Zstock

Das Ziel der Bundesregierung ist extrem ehrgeizig: Der Anteil erneuerbarer Energien am (Brutto-) Stromverbrauch soll bis zum Jahr 2030 von heute knapp über 40 Prozent auf 80 Prozent verdoppelt werden. Dafür sollen 215 Gigawatt Photovoltaik-Leistung installiert sein. Das klappt nur, wenn der jährliche Zubau von gut 7 Gigawatt im Jahr 2022 auf 22 Gigawatt verdreifacht wird. Um diesen gigantischen Ausbau anzukurbeln, hat das Bundeswirtschaftsministerium eine PV-Strategie mit elf Handlungsfeldern erarbeitet. Viele der geplanten Maßnahmen betreffen Mehrfamilienhäuser.

Weniger Bürokratie bei Photovoltaik auf dem Dach

Die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG 2023) hat einige Neuerungen gebracht, die für Wohngebäude mit mehreren Parteien spannend sind: Auf dem Dach dürfen zwei mess- und abrechnungsseitig getrennte Anlagen betrieben werden. Eine kann den Strom vorrangig  für den Eigenverbrauch produzieren, die andere zur Volleinspeisung genutzt werden. Kommt beispielsweise ein Mieterstrommodell nicht in Betracht, so kann eine - vermutlich kleinere - Anlage den Allgemeinstrom für die Beleuchtung der Gemeinschaftsflächen, die Heizungspumpe etc. liefern und überschüssigen Strom ins Netz einspeisen (Teileinspeisung). Die zweite Anlage speist sämtlichen Strom ins Netz ein (Volleinspeisung). Dafür gibt es dann die besonders lukrative höhere Einspeisevergütung. Anlagenbetreiber müssen bei Inbetriebnahme gegenüber dem zuständigen Netzbetreiber die gewünschte Veräußerungsform anmelden, können später jedoch zwischen Volleinspeisung und teilweisem Eigenverbrauch wechseln. Nach aktuellem Gesetzesstand ist jährlich eine Meldung erforderlich, welche Anlage als Volleinspeisung zu behandeln ist.

  • Die Pflicht zur jährlichen Meldung soll laut PV-Strategie gestrichen werden, um unnötige Bürokratie zu vermeiden. Künftig sollen Anlagenbetreibende nur bei Änderungen den Netzbetreiber informieren müssen.

Vereinfachungen beim Mieterstrom

Das Mieterstrommodel wird bislang weit weniger genutzt, als bei seiner Einführung erwartet wurde, und kommt nach Einschätzung des BMWK vor allem in größeren Wohngebäuden ab ca. 15 Wohneinheiten zum Einsatz. Dort sind Anbietende der Mieterstromtarife oftmals bereits bestehende Stromversorger. Sie können problemlos auch die Pflichten eines Lieferanten erfüllen. Für diese professionellen Anbieter seien kleinere Mehrfamilienhäuser nicht attraktiv. Vermietende oder Wohnungseigentümergemeinschaften, die dort eigenständig ein Mieterstromkonzept umsetzen wollen, scheiterten jedoch nach wie vor vielfach an den hohen rechtlichen Hürden. Die sollen laut PV-Strategie nun abgebaut werden.

  • Bislang wurden die meisten Mieterstromanlagen mit einer physischen doppelten Sammelschiene oder auch einem physischer Summenzähler bilanziert. Das eben in Kraft getretene Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende hat hier bereits erhebliche Vereinfachungen gebracht: Mit Hilfe intelligenter Messsysteme lässt sich ein virtueller Summenzähler bilden. Das reduziert Bau-, Wechsel- und Abstimmungskosten und entlastet den Mieterstromanbietenden bei der Datenerhebung und –verwertung.
  • Zur weiteren Entbürokratisierung schlägt die PV-Strategie vor, die Vertragsgestaltung für die Anbietenden von Mieterstromtarifen zu vereinfachen. So könnten beispielsweise die von anderen Lieferverhältnissen abweichenden Anforderungen an Vertragslaufzeiten entfallen.
  • Mieterstrom-PV-Anlagen sollen künftig auch auf benachbarten Nichtwohngebäuden installiert werden dürfen. Dafür bieten sich etwa Parkhäuser oder Garagen an.
  • Zusätzlich soll die Mieterstromförderung unter bestimmten Voraussetzungen auch in reinen Gewerbegebäuden möglich sein.

Einführung eines Modells zu Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung

Bei der Umsetzung des traditionellen Mieterstrommodells stellt der bürokratische Aufwand für die Bereitstellung der Reststrombelieferung der Bewohner ein Problem dar.

  • Dies soll ein neu einzuführendes Modell zur Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung nach dem Vorbild der „gemeinschaftlichen Erzeugungsanlage“ in Österreich lösen: Der selbst erzeugte Strom soll hinter dem Netzverknüpfungspunkt mit Hilfe intelligenter Messsysteme gemessen, nach einem vereinbarten Verteilungsschlüssel anteilig den Nutzern – also den Mietenden oder den Wohnungseigentümern – zugewiesen und von deren Netzbezugsmengen abgezogen werden. Die Reststrombelieferung erfolgt über die weiterhin bestehenden Stromlieferverträge der Nutzer mit einem Energieversorger. Den Nutzern steht frei, ob sie an der Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung teilnehmen. Anders als beim Mieterstrommodell ist der Vermieter bei der Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung kein Stromlieferant. Die gewöhnlichen Lieferantenpflichten entfallen für ihn.

Erleichterte Nutzung von Balkon-PV

Als niedrigschwellige Möglichkeit für Mieter und Wohnungseigentümer, kostengünstigen Solarstrom für den Eigenverbrauch zu produzieren will das BMWK die Installation und Nutzung von Steckersolargeräten an vielen Stellen erleichtern.

  • Aktuell muss eine Balkon-PV-Anlage im Marktstammdatenregister eingetragen und beim Netzbetreiber gemeldet werden. Diese „Doppelmeldung“ soll entschlackt werden.
  • Die Messstellenbetreibenden sollen verpflichtet werden, den Betrieb eines Steckersolargerätes übergangsweise bis zur Installation eines Zweirichtungszählers hinter jedem vorhandenen Zählertyp einschließlich rückwärtsdrehender Ferrariszähler zu dulden. Damit soll der Anschluss des Geräts schon vor dem ggf. nötigen Zählerwechsel erlaubt sein.
  • Balkon-PV soll in den Katalog privilegierter Maßnahmen im WEG/BGB aufgenommen werden. Damit hätten Wohnungseigentümer und Mietende einen Anspruch darauf, dass der Gemeinschaft dem Betrieb ihrer Balkon-PV-Anlage zustimmt. Diesen Teil der PV-Strategie hat das zuständige Bundesjustizministerium bereits in seinen Entwurf zur Novelle des WEG eingearbeitet.
  • Wird derzeit ein Steckersolargeräte zusätzlich zu einer bereits bestehenden PV-Anlage angeschlossen, so werden die einzelnen Anlagen unabhängig vom Eigentümer zusammengerechnet, sobald sie sich auf einem Grundstück oder in einem Gebäude befinden und innerhalb von zwölf aufeinander folgenden Monaten in Betrieb genommen wurden. Dabei können Messwerte überschritten und Nachrüstpflichten auf für die bereits installierte Anlage ausgelöst werden. Die PV-Strategie sieht daher vor, diese rechtliche Verklammerung auszuschließen.
  • Die PV-Strategie unterstützt die Forderung, Schukostecker als „Energiesteckvorrichtung“ zuzulassen und die Schwelle für vereinfachte Anmeldung und Produktnorm von 600 Watt Wechselstromleistung auf 800 Watt zu erhöhen. Das erfordert Normänderungen. Das Ministerium ist dazu im Gespräch mit den Normungsstellen.
  • Langfristig will sich das BMWK für die Vereinfachung von baulichen und technischen Anforderungen an Balkon-PV einsetzen.

Strategiepapiere mit Handlungsfeldern und Maßnahmenkatalogen gibt es bekanntlich viele. Oft zieht sich die konkrete Umsetzung dann hin. Bei der PV-Strategie von Wirtschaftsminister Habeck hingegen stimmt hoffnungsvoll, dass viele der genannten Maßnahmen bereits im Rahmen von Gesetzgebungsverfahren wie der WEG-Novelle in Angriff genommen wurden.

Eva Kafke

Eva Kafke
Fachautorin
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