Herr Kempfle, das Solarpaket eins erleichtert es, auf Mehrfamilienhäusern Photovoltaik-Anlagen zu installieren und auf verschiedenste Arten zu nutzen. Sie warnen vor Fehlinvestitionen. Wo sehen Sie die Gefahr?
Wir werden aktuell mit Anfragen überhäuft, merken jedoch, dass Hausverwaltungen, Wohnungseigentümer und Hausgemeinschaften den Prozess der Stromerzeugung und -nutzung nicht vollständig durchdenken. Es geht um mehr, als ein paar Solarmodule aufs Dach oder den Balkon zu schrauben.
Können Sie das konkretisieren?
Zuerst sollte geklärt werden, wer die PV-Anlage installiert und betreibt. Sind das die Wohnungseigentümer oder die Mieter oder keiner von beiden, oder wird die Solaranlage von einem externen Investor installiert? Dann stellt sich die Frage, wer den regenerativen Strom nutzt. Wird nur eine kleine Anlage installiert und lediglich Allgemeinstrom, etwa fürs Treppenhauslicht, damit produziert? Oder nutzen die Bewohner den Strom auch individuell für Waschmaschine und Co.? Dafür braucht es eine deutlich größere PV-Anlage auf dem Dach. Und schließlich: Wie sieht das Mobilitätskonzept des Hauses aus, braucht es in der Tiefgarage Wallboxen für die E-Autos? Wenn dann noch eine Wärmepumpe als Heizung installiert wird, die ebenfalls mit Strom läuft, sieht das Energiekonzept nochmal anders aus. Wer nur stückchenweise plant, zahlt am Ende womöglich drauf.
Es ist ja nun auch möglich, dass Mieter Dachflächen mit Kleinanlagen nutzen können.
Ja, das ist eine weitere Variante. Mieter können etwa auf Flachdächern für ihren Verbrauch bis zu vier Module mit einer Leistung von zwei Kilowatt-Peak und einem 800 Watt Wechselrichter installieren. Das ist für einen Zweipersonenhaushalt eine interessante Sache. Bei einem jährlichen Stromverbrauch von 1.500 Kilowattstunden sind hier 50 Prozent Eigennutzung des Solarstroms drin. Das halbiert die Stromrechnung. Alternativ könnten Wohnungseigentümer PV-Anlagen installieren und den so gewonnenen Strom ihren Mietern zur Verfügung stellen. Dafür wird die Miete um 20 Euro im Monat erhöht.
Viele Mehrfamilienhäuser in Deutschland stammen aus den 1970er-Jahren. Entsprechend betagt sind die Wohnungseigentümer, die dann sagen: „Ich will nicht mehr investieren“. Bislang scheitern Energiekonzepte an diesem Veto.
Das ist vor allem für junge Mieter und Miteigentümer ärgerlich. Deshalb ist nun auch die Variante möglich, die PV-Anlage von einem externen Investor installieren zu lassen. Dann braucht der 85-jährige Wohnungseigentümer nichts mehr zu bezahlen. Und jeder Mieter oder Eigentümer kann wählen, was mit der erzeugten Energie geschehen soll: Volleinspeisung ins Netz, Allgemeinstromnutzung fürs Treppenhauslicht oder Vollverwertung der grünen Energie als Mieterstrom. Was die Komplexität nicht vereinfacht.
Deshalb schrecken Hausverwaltungen mitunter davor zurück, weil so individuelle Vereinbarungen den Abrechnungsaufwand erhöhen. Ist diese Sorge noch berechtigt?
Letztlich nicht. Denn es gibt digitale Zählsysteme und Apps, die mit den Zähler- und Verbrauchsdaten gefüttert werden, was es vor allem für kleinere Wohneinheiten spannend macht. Aufwendige Industriemessungen sind nicht mehr nötig. Die Daten werden pro Einheit erfasst und den Hausverwaltungen zur Verfügung gestellt. Auch hat der Gesetzgeber für Rechtssicherheit gesorgt, denn WEGs müssen keine GbR mehr gründen, um Photovoltaikstrom zu erzeugen. Das macht es noch interessanter, in regenerative Stromerzeugung auf dem Hausdach zu investieren.
Immer wieder ist zu lesen, dass es bei intensiver Solarnutzung zu Bränden kommt. Was läuft da falsch?
Gerade große WEGs sollten sich ein Lastmanagementsystem gönnen. Hängen etwa mehrere E-Autos in der Tiefgarage an der Ladestation und läuft auch noch die Wärmepumpe mit Strom, werden die Leitungen schnell heiß. Da kommen bei der Beratung viele Handwerksbetriebe, die aktuell als Solarteure auf den Markt drängen, schnell an ihre Grenzen. Auch, weil es gar kein Energiekonzept gibt. Stattdessen wird häppchenweise installiert:
Zuerst die PV-Anlage, dann die Wallboxen, am Ende die Wärmepumpe und dann noch Hausspeicher. Bei dieser Komplexität braucht es ein Energiemanagementsystem.
Intelligente Speicher können Netzstrom an der Börse kaufen, wenn er günstig ist.
Vor allem, weil Hausspeicher an Attraktivität gewinnen.
Genau. Ab kommendem Jahr sind dynamische Strompreistarife verpflichtend. Intelligente Speicher können dann an der Börse einkaufen, wenn der Strom günstig ist. Das erhöht die Zyklenzahl. Sind bisher pro Jahr 220 Ladezyklen Standard, wird sich diese Zahl künftig mehr als verdoppeln. Weil nicht nur Tagstrom von der PV-Anlage in den Akkus gespeichert wird, sondern sich die Speicher selbstständig mit Netzstrom füllen – wenn dieser gerade günstig zu haben ist. Letztlich sorgt das für eine schnellere Amortisation des Investments.
Die Fragen stellte Leonard Fromm
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