Bau-Turbo – erste Lesung im Bundestag

„Den Zündschlüssel halten die Bürgermeister in der Hand“

Der Bundestag hat am 10. Juli den Bau-Turbo in erster Lesung diskutiert. Ein geändertes Baugesetzbuch soll den Wohnungsbau wesentlich beschleunigen. Indessen schaut die Wohnungswirtschaft mit großer Skepsis auf die entscheidende staatliche Ebene und fragt: Werden die Bürgermeister in den Kommunen den Zündschlüssel für den Bau-Turbo tatsächlich herumdrehen?

Die Bundesregierung möchte den Wohnungsbau in Ballungsgebieten aus dem engen baurechtliche Korsett befreien. Wirkliche Öffnungen können jedoch nur Städte und Gemeinden vollziehen. Foto: Adobestock/M. Schuppich
Die Bundesregierung möchte den Wohnungsbau in Ballungsgebieten aus dem engen baurechtliche Korsett befreien. Wirkliche Öffnungen können jedoch nur Städte und Gemeinden vollziehen. Foto: Adobestock/M. Schuppich

Die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD haben den Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung eingebracht, mit dem die Schaffung von Wohnraum in Deutschland deutlich beschleunigt werden soll.

Als weitgehende Flexibilisierung für den Wohnungsbau wird die Einfügung eines neuen Paragrafen 246e in das Baugesetzbuch (BauGB) vorgeschlagen. Erlaubt werden soll damit ein Abweichen von bauplanungsrechtlichen Vorschriften. Wenn eine Kommune sich entscheide, diesen „Bau-Turbo“ anzuwenden, könnten zusätzliche Wohnungen bereits nach einer zweimonatigen Prüfung durch die Gemeinde zugelassen werden. Einer Aufstellung oder Änderung eines Bebauungsplans bedürfe es nicht mehr. „Dies erlaubt es durch Neubau, Umbau oder Umnutzung zügig neuen Wohnraum zu schaffen“, erwartet die Koalition. Die Regelung wird als eine Art Experimentierklausel bezeichnet und ist bis zum 31. Dezember 2030 befristet.

Verdichtetes Bauen soll erleichtert werden

Durch eine Anpassung des Paragrafen 31 Absatz 3 des Baugesetzbuches werde im Geltungsbereich eines Bebauungsplans mehr Wohnbebauung auch über die Vorgaben des Bebauungsplans hinaus ermöglicht, heißt es in dem Entwurf weiter. So könne beispielsweise in ganzen Straßenzügen durch Aufstockung, Anbauten oder Bauen in der zweiten Reihe neuer Wohnraum geschaffen werden.

Wohnungen können auch neben Gewerbe entstehen

Im unbeplanten Innenbereich soll über die bisher bestehenden Möglichkeiten hinaus auch dort die Neuerrichtung von Wohngebäuden ermöglicht werden, wo sie sich nicht in den Bebauungszusammenhang einfügen (Paragraf 34 Absatz 3b BauGB). Auch im Außenbereich soll einfacher neuer Wohnraum geschaffen werden können. Zudem soll mit innovativen Lärmschutzlösungen mehr Wohnbebauung als bisher in der Nähe von Gewerbebetrieben ermöglicht werden. In begründeten Fällen sollen daher Abweichungen von der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm zulässig sein.

Umwandlungsverbot wird um fünf Jahre verlängert

Mietwohnungen sollen auch weiterhin nicht ohne Weiteres zu Eigentumswohnungen umgewandelt werden können. Das sei ein wichtiges Instrument, um Mieter vor Verdrängung aus ihrem gewohnten Lebensumfeld zu schützen, wird erläutert. Deshalb werde der sogenannte Umwandlungsschutz in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt um fünf Jahre verlängert.

Furcht und Flehen der Interessenverbände

Der GdW Bundesverband der deutschen Wohnungswirtschaft und der IVD Immobilienverband Deutschland begrüßen die Gesetzesinitiative der neuen Bundesregierung ausdrücklich. Allerdings reiche der politische Wille auf Bundesebene nicht aus. Denn, so GdW-Präsident Axel Gedaschko: „Für die Umsetzung der Baubeschleunigung sind die kommunalen Bauämter zuständig. Denn der eigentliche Zündschlüssel für den Bau-Turbo liegt in den Händen der Kommunen.“

Auch die offizielle Reaktion von IVD-Präsident Dirk Wohltorf ist von Skepsis geprägt: „Es liegt jetzt an den kommunalen Spitzen, ob mehr Wohnungsbau politisch gewollt und unterstützt wird – also an Bürgermeistern, Oberbürgermeistern, Bezirksbürgermeistern und Landräten ebenso wie an Stadt- und Gemeinderäten, Bezirksverordnetenversammlungen und den Kreistagen. Wir beobachten leider schon jetzt vielerorts, dass genau dieses Signal fehlt. Wenn die Verwaltungsleitung und Politik nicht aktiv vorangehen, bleibt das Bauamt Verhinderungsbehörde.“

Diese Einschätzung zur Rolle der Kommunen teilt GdW-Präsident Gedaschko. Es brauche aktiven Gestaltungswillen vor Ort. „Wenn die obersten kommunalen Ebenen nicht mitziehen, wird aus dem Bau-Turbo ein Papiertiger“, fürchtet Gedaschko und fleht dann geradezu: „Die kommunalen Bauämter müssen zu Ermöglichungsbehörden werden – mit klaren Verfahren, festen Fristen und sichtbarem Rückhalt aus Politik und der Verwaltungsführung. Nur dann kann der Bau-Turbo wirklich Fahrt aufnehmen.“

Die Regierungskoalition will den Bau-Turbo noch vor der Sommerpause des Parlaments Ende Juli durch den Bundestag bringen.

Redaktion (allg.)

Pixabay/ Mohamed_hassan
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