Im Herbst 2023 hatte die Ampelregierung den Gesetzentwurf vorgelegt, vom Bundestag verabschiedet ist die Baurechtsnovelle bis heute nicht. Gesellschaftlich umstritten ist vor allem der § 246e, der den Wohnungsbau schneller und einfacher machen könnte.
Einige Akteure sprechen sich vehement gegen eine solche Klausel aus. Gäbe es bei Umsetzung einer solchen Novelle Gewinner unter den Bauherren? Wer würde von einer solchen Regelung profitieren?
Was genau unter einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt zu verstehen ist, regelt § 201a BauGB. Maßgeblicher Faktor: die Gefährdung von ausreichender Versorgung mit Mietwohnungen in einer Gemeinde oder einem Teil der Gemeinde zu angemessenen Bedingungen. Dies kann insbesondere dann der Fall sein,
- wenn die Mieten deutlich stärker steigen als im bundesweiten Durchschnitt,
- die durchschnittliche Mietbelastung der Haushalte den bundesweiten Durchschnitt deutlich übersteigt,
- die Wohnbevölkerung wächst, ohne dass durch Neubautätigkeit insoweit erforderlicher Wohnraum geschaffen wird, oder
- geringer Leerstand bei großer Nachfrage besteht.
Wird der Wohnungsbau erleichtert, oder nicht?
In diesen Gebieten will das Bundesbauministerium den Wohnungsbau durch das neue Gesetz erleichtern. Städte und Gemeinden könnten auf der bewährten Grundlage des Städtebaurechts wo nötig und möglich von Bebauungsplänen abweichen, dort nachverdichten, Gebäude aufstocken oder Flächen für die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum ausweisen. Beispielsweise wäre so das Errichten eines Hauses in zweiter Reihe auf Grundstücken denkbar, wodurch besonders in Gebieten mit großen Höfen und Hintergärten mehr Wohnraum geschaffen werden könnte.
Das Ministerium erhofft sich auf diese Weise eine Annäherung an das gesetzte Ziel, jährlich 400.000 neue Wohnungen und davon 100.000 Sozialwohnungen zu errichten. Letztes Jahr wurde diese Marke um fast die Hälfte verfehlt.
Die Voraussetzungen
Der Idee nach soll die Novelle § 246e BauGB nur unter folgenden Bedingungen zum Einsatz kommen:
- Errichtung eines Wohnzwecken dienenden Gebäudes mit mindestens sechs Wohnungen
- Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes, wenn hierdurch neue Wohnungen geschaffen werden oder vorhandener Wohnraum wieder nutzbar wird
- Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage für Wohnzwecke, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung
Mindestens eine dieser Anforderungen muss zur Anwendung erfüllt sein. Die Norm ist bis zum 31. Dezember 2027 gültig.
Im Außenbereich, also in Arealen außerhalb bebauter Ortschaften und Bereichen von Bebauungsplänen, tritt die Wirkung des § 246e BauGB nur ein, wenn die Flächen im räumlichen Zusammenhang mit Flächen stehen, die entweder in bebauten Ortschaften oder im Bereich eines Bebauungsplanes liegen.
Die Kritik
Sowohl die Bundesarchitektenkammer als auch der Bund Deutscher Architektinnen und Architekten kritisieren diese gesetzliche Lockerung. Sie formulierten gemeinsam mit verschiedenen Umwelt- und Sozialverbänden schon Anfang 2024 einen Appell gegen die Einführung des „Bauturbos“. Demnach wäre der Rückgang von Wohnungsneubauten keinesfalls mit zu strengen Anforderungen des Baugesetzbuchs zu erklären. Zum Zeitpunkt des Appells seien erteilte Baugenehmigungen für fast 900.000 Wohneinheiten ungenutzt.
Grund für das reduzierte Neubauvolumen sind laut Appell nicht zu wenig erteilte, sondern zu wenig genutzte Baugenehmigungen! Den Autoren zufolge hat § 246e darauf überhaupt keine Auswirkungen. Vielmehr hätte die Norm nur zur Folge, dass der einzelne Bürger noch weniger Einflussmöglichkeit auf die Planungskultur hätte.
Denn mit der Novelle könnten Beteiligungen der Öffentlichkeit übersprungen werden. Dies führe zu einer Entdemokratisierung der Planungskultur. Außerdem müsse sichergestellt werden, dass der neue Wohnraum auch bezahlbar bliebe oder für das Einrichten von Sozialwohnungen genutzt würde. Das könne § 246e BauGB nicht leisten.
Für die Umweltverbände wichtig: Der Bauturbo würde dem allgemeinen Ziel der Verringerung des Flächenverbrauchs entgegenwirken. Bis 2030 ist geplant, den Verbrauch auf höchstens 30 Hektar pro Tag zu reduzieren.
Was haben Bauherren davon?
Besitzt ein Grundeigner viel freie Fläche, beispielsweise einen großen Innenhof oder alte, ungenutzte Stallungen, so könnte der § 246e helfen, per Sonderregelung diese Fläche nutzbar zu machen. Besitzer könnten so zum Wohle der Gesellschaft beitragen, indem sie neuen Wohnraum schaffen an Orten, in denen dieser äußerst knapp ist. Sie bewirtschaften also ungenutzte Fläche. Im besten Fall verdienen sie damit Geld, während andere eine neue Bleibe bewohnen.
Allerdings sind die Zweifel der Kritiker durchaus berechtigt. Sozialer Wohnungsbau wird auf diese Weise eher selten gefördert. Außerdem könnte, je nachdem, wie weit das neue Gebäude vom bereits bestehenden entfernt liegt, das Wohlempfinden der Bewohner leiden. Bauherren müssten also viele Faktoren berücksichtigen, abgesehen von der Befürwortung der Gemeinde. Für einzelne Fälle, beispielsweise in Kleinstädten oder in Städten mit brachliegendem Land, könnte diese Genehmigung durchaus eine für alle lohnende Maßnahme sein. Die Gefahr, dass Großgrundbesitzer diese Möglichkeit für noch mehr Profit nutzen, ist jedoch äußerst hoch.
Quelle: Friedrich Geschwinder, Rechtsanwalt bei Koenen Bauanwälte
Redaktion (allg.)
