Steigende Zinsen und Inflation

Institutionelle Anleger zeigen Nerven

Die Zinsen sind in den ersten fünf Monaten 2022 so stark gestiegen, wie sie ein Jahrzehnt zuvor gefallen waren. Das lässt Projektentwickler und Bauherren nervös abwarten, während institutionelle Anleger fast unverändert am deutschen Immobilienmarkt investieren.

Zinsanstieg und Geldentwertung schmälern das Vertrauen institutioneller Investoren in den deutschen Markt noch nicht. Foto: Adobestock/Composer
Zinsanstieg und Geldentwertung schmälern das Vertrauen institutioneller Investoren in den deutschen Markt noch nicht. Foto: Adobestock/Composer

Das Analyse-Institut bulwiengesa sieht den deutschen Projektentwicklermarkt „im Zangengriff von Zinsanstieg, Inflation und Baukostenexplosion“. Nach Jahren des Wachstums gerate das Geschäft der Developer ins Stocken. In den sieben deutschen A-Städten ging das Projektentwicklungsvolumen zwischen den Analysejahren 2021 und 2022 um 3,6 Prozent zurück, vor allem im Wohnungsbau (-7,6 %). So gut wie alle Nutzungsarten (Büro, Handel, Wohnen, sonstige) litten unter unwirtschaftlichen Marktbedingungen wie begrenzten Erträgen bei Mieten und Preisen und weiterhin sehr stark steigenden Kosten bei den Bauleistungen.

Auf Finanzierungsseite zeige sich, dass Banken bei Projektentwicklungen zurückhaltender geworden seien und mehr Eigenkapital forderten. Allgemein führten die erhöhten Risiken, etwa durch die enormen Steigerungsraten bei den Baukosten und das deutlich gestiegene Zinsniveau zu wesentlich höheren Finanzierungskosten. Das aktuelle Marktumfeld dränge den deutschen Gewerbe- und Wohnungsbau in eine Art Zwangsjacke. Es drückten Materialengpässe und extreme Kostensteigerungen bei zunehmenden energetischen Qualitätsanforderungen. Viele Marktteilnehmer würden abwarten, beobachten und Projektentscheidungen verschieben. Vor allem die Banken seien sehr zurückhaltend.

So wenige Transaktionen wie seit mehr als zehn Jahren nicht

Der international agierende Immobiliendienstleister und Investmentmanager Savills erkennt im April und Mai einen signifikanten Rückgang im Handel mit Immobilien. Es bestünde kein Zweifel daran, dass die steil gestiegenen Zinsen und möglicherweise auch andere Belastungsfaktoren, etwa die geringere konjunkturelle Dynamik gepaart mit hoher Inflation, zumindest vorübergehend zu deutlichen Verwerfungen am Immobilieninvestmentmarkt geführt hätten. Im Mai hat Savills weniger als hundert Transaktionen registriert – das sei letztmals im März 2011 der Fall gewesen.

Das Transaktionsvolumen erwies sich als wesentlich robuster, war aber ebenfalls unterdurchschnittlich. Auf Gewerbeimmobilien entfielen 2,5 Mrd. Euro (5-Jahres-Mittel: 5,5 Mrd. Euro), auf Wohnimmobilien 0,9 Mrd. Euro (5-Jahres-Mittel: 2,1 Mrd. Euro). Folglich ging auch das Transaktionsvolumen der letzten zwölf Monate zurück und liege nun für Gewerbe- und Wohnimmobilien insgesamt bei 116,3 Mrd. Euro (- 2,8 % gegenüber April).

Savills bleibt bei der schon im April formulierten Einschätzung, dass die geringe Transaktionsaktivität eine vorübergehende Anpassungsreaktion an das veränderte Zinsumfeld darstelle. Angesichts einer hohen Zahl gestoppter und sich in die Länge ziehender Verkaufsprozesse werde allerdings auch in den kommenden Monaten mit nur wenigen Transaktionen und entsprechend niedrigen Umsätzen gerechnet.

Fondsmanager vertrauen dem deutschen Markt weiterhin

Während also Projektentwickler, die bauen wollen, und Immobilien-Trader verunsichert sind, scheinen Fondsmanager nach wie vor Vertrauen in den deutschen Immobilienmarkt zu haben. Das jedenfalls sieht der Fondsverwalter Primonial REIM Germany so mit Blick auf das erste Quartal 2022. Während sich das deutsche Immobilienklima aufgrund des Ukraine-Krieges bei allen Assetklassen außer Hotel leicht eingetrübt habe, sei die Stimmung für Immobilieninvestments insgesamt positiv. Das spiegele sich auch in dem hohen Gesamttransaktionsvolumen von rund 12,1 Mrd. Euro wider – die aktuelle Immobilienpreisentwicklung zeige keine Anzeichen für eine rückläufige Nachfrage. Allerdings nehme der Druck aufgrund anziehender Bauzinsen, dem Sinken der Risikoprämie für Immobilien und steigender energetischer Anforderungen an den Gebäudesektor zu.

Bei Büroimmobilien konstatiert Primonial REIM für das erste Quartal 2022 ein höheres Investitionsvolumen von rund 3,9 Mrd. Euro. Obwohl ausländische Investoren mit einem Anteil von rund 20 Prozent am Transaktionsvolumen nur eine untergeordnete Rolle gespielt hätten, blieben Büroimmobilien die wichtigste Assetklasse unter institutionellen Investoren. Hierfür würden auch mehrere jüngst aufgelegte deutsche Bürofonds sprechen.

Wohnimmobilien erfreuten sich weiterhin großer Beliebtheit, auch wenn mit 4,2 Mrd. Euro das Transaktionsvolumen das Rekordergebnis des Vorjahresquartals nicht erreicht habe. Der größte Anteil sei auf ausländische Investoren entfallen, bei denen deutsche Wohnimmobilien weiterhin als sicherer Hafen gelten würden. Aufgrund des Ukraine-Kriegs seien grundsätzlich keine unmittelbaren Folgen auf den deutschen Wohnungsmarkt zu erwarten, abgesehen von einer temporär höheren Wohnungsnachfrage durch Geflüchtete aus der Ukraine. Allerdings führten die gestiegenen Energiekosten zu einer deutlich höheren Wohnkostenbelastung. Hinzu käme die ab Januar 2023 fällige CO2-Abgabe, die die Nachfrage von Investoren nach energieeffizienten Gebäuden erhöhen dürfte.

Handelsimmobilien hätten einen vergleichsweisen guten Start ins Investmentjahr 2022 erlebt. Doch auch wenn sie mit einem Investitionsvolumen von rund 1,6 Mrd. Euro im ersten Quartal den Vorjahreswert übertroffen hätten, bestünden weiterhin strukturelle Unsicherheiten. Das gelte besonders für Shopping-Center, aber auch hinsichtlich der Zukunftsfähigkeit mancher Innenstadtlagen. Der Druck durch den Onlinehandel sei weiterhin hoch und dementsprechend seien die Spitzenrenditen auf dem Vorjahresniveau geblieben. Ausländische Investoren hätten mit einem Anteil von rund 500 Mio. Euro etwa ein Drittel der Gesamtinvestitionen ausgemacht.

Laut Primonial REIM sei die Nachfrage nach Gesundheitsimmobilien auch im Jahr 2022 bislang ungebrochen hoch. Wie auch in anderen europäischen Ländern mache sich aber die Angebotsknappheit zunehmend bemerkbar. Das Transaktionsvolumen lag bis Ende März mit 0,3 Mrd. Euro leicht unterhalb des Niveaus der beiden Vorjahre und der Markt sei weiterhin von sehr spezialisierten Akteuren geprägt.

Der Hotelmarkt sei auch zu Beginn des Jahres 2022 mit einem Transaktionsvolumen von 0,3 Mrd. Euro das Krisenkind des deutschen Immobilienmarktes gewesen. Das Segment würde von großen Unsicherheiten belastet, was sich auch am geringen Interesse ausländischer Investoren zeige. Besonders betroffen seien dabei Stadt- und Messehotellerie. Zusätzliche Herausforderungen kämen mit der notwendigen Dekarbonisierung auf die Hotelbranche zu, die besonders hohe CO2-Emissionen aufweise. Insgesamt dürften Investoren außerhalb der Ferienhotellerie auch in den kommenden Monaten zurückhaltend agieren.

Nachfrage nach Luxus-Wohnungen sinkt

In fünf der sieben deutschen Top-Metropolen ist nach einer Analyse des Vermittlungsportals ImmoScout 24 die Nachfrage nach Luxus-Neubauwohnungen von Januar bis April 2022 im Vergleich zum Vorjahr zum Teil stark gesunken. Für die Analyse wurden Neubau-Eigentumswohnungen mit Quadratmeterpreisen ab 10.000 Euro im Zeitraum Januar bis April 2022 berücksichtigt. In Düsseldorf ging die Nachfrage, gemessen in Kontaktanfragen pro Woche, im Schnitt um 73 Prozent, in Köln um 46 Prozent, in Frankfurt am Main um 44 Prozent und in Hamburg um 26 Prozent zurück. Berlin und München bilden die einzigen Ausnahmen. In der Bundeshauptstadt legte die Nachfrage mit knapp 12 Prozent leicht zu, wohingegen die Nachfrage in München sich fast verdoppelte. Das Luxussegment bekomme die Auswirkungen des Ukrainekriegs, das Ende der historisch niedrigen Zinsen sowie die Inflation momentan am deutlichsten zu spüren. Eine Abkühlung der Nachfrage und längere Vermarktungszeiten bei Luxusimmobilien seien jedoch kein Zeichen für sinkende Preise.

„Wohnungsbau ist absolut unkalkulierbar geworden“

Im Gegensatz zu internationalen Fondsmanagern schätzen bauwillige Wohnungsunternehmen und die deutsche Bauwirtschaft die wirtschaftlichen Bedingungen als äußerst kritisch ein. Allgemein geht man in diesen Kreisen eher davon aus, dass laufende Bauprojekte in diesem Jahr noch abgeschlossen werden, geplante Neubauprojekte jedoch zurückgestellt oder ganz aufgegeben werden, weil die Kostenentwicklung unkalkulierbar geworden sei. (Red.)

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