Zahlen Mieter und Hausbesitzer die Zeche?
Der Beschluss des EU-Parlaments für eine Sanierungspflicht für alte Gebäude hat eine Welle des Protests ausgelöst. Bis zu sieben Millionen Eigenheime und noch einmal so viele Wohnungen könnten allein in Deutschland betroffen sein. Allerdings ist das letzte Wort noch nicht gesprochen: Jetzt müssen Parlament und EU-Staaten einen Kompromiss finden, bevor die Vorgaben in Kraft treten können.
Um was geht es konkret?
Im Einzelnen: Alle Neubauten sollen ab 2028 emissionsfrei sein. Für Neubauten, die Behörden nutzen, betreiben oder besitzen, soll das schon ab 2026 gelten. Außerdem sollen alle Neubauten bis 2028 mit Solaranlagen ausgestattet werden, sofern dies technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar ist. Bei Wohngebäuden, bei denen größere Renovierungen nötig sind, bleibt dafür bis 2032 Zeit.
Auf einer Skala von A bis G – wobei die Energieeffizienzklasse G den 15 Prozent der Gebäude mit den schlechtesten Werten im Gebäudebestand eines Mitgliedstaats entspricht – müssen Wohngebäude dem Vorschlag zufolge bis 2030 mindestens Klasse E und bis 2033 Klasse D erreichen. Nichtwohngebäude und öffentliche Gebäude müssen diese Energieeffizienzklassen bis 2027 bzw. bis 2030 erreichen. Verbessert werden muss die Energieeffizienz (durch Dämmmaßnahmen oder bessere Heizungsanlagen), wenn Gebäude verkauft oder in größerem Maßstab renoviert werden oder wenn ein neuer Mietvertrag unterzeichnet wird.
Warum sieht die EU-Kommission Handlungsbedarf?
Das Vorhaben geht auf einen Vorschlag der EU-Kommission zurück. Sie hatte diesen vorgelegt, etwa weil Gebäude ihren Angaben zufolge für rund 40 Prozent des Energieverbrauchs und rund ein Drittel der Treibhausgasemissionen in der EU verantwortlich sind. Wenn Häuser besser gedämmt sind oder moderne Heizungen verwendet werden, kann das den Energiebedarf senken.
Was sind die Kritikpunkte?
Kritiker befürchtet, dass hohe Sanierungskosten auf viele Hausbesitzer zukommen könnten. «Wir können die Kosten im Kampf gegen den Klimawandel nicht auf Omas Häuschen abwälzen», kritisierte etwa der CDU-Europaabgeordnete Dennis Radtke im EU-Parlament. Heftige Kritik am EU-Beschluss kommt auch von den Verbänden in Deutschland.
GdW: Absurde Vorschläge – wer soll das bezahlen?
Der Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW, Axel Gedaschko, sagt: „Die Vorschläge des Europaparlaments sind absurd. In gerade einmal neun Jahren müsste fast die Hälfte aller Gebäude in der gesamten EU saniert werden. Dabei herrscht schon jetzt ein massiver Material- und Fachkräftemangel, die Preise rund um das Bauen und Sanieren explodieren und auch die Zinsen steigen weiter. Für die absurd hohen Ziele müssten pro Jahr mindestens 125 Milliarden Euro investiert werden. Das wäre eine Verdreifachung der bisherigen Summe. Die ganz große und absolut unbeantwortete Frage ist, wer das finanzieren und wo dieses Geld herkommen soll.“
Vielen Wohnungsunternehmen würde das Geld ausgehen, weil sie nicht über ausreichend Eigenkapital verfügen und die Zinsen für Kredite steigen. Zudem sei die Sanierung in diesem Tempo realitätsfern und nicht annähernd zu schaffen, weil es für eine solch rasante Umgestaltung des Wohnungsbestandes an Handwerkskapazitäten fehle. Der Wettbewerb um Handwerker werde die Preise weiter in die Höhe treiben.
„Private Eigentümer im fortgeschrittenen Lebensalter wären völlig aufgeschmissen. Sie bekommen oft gar keinen Kredit mehr. Dabei summiert sich der Einbau von Wärmepumpe, neuen Heizkörpern, Dämmmaßnahmen und einem Solardach schnell auf 80.000 Euro oder mehr. Gefördert wird der Heizungsaustausch derzeit mit einer Übernahme von 25 Prozent der Kosten im Normalfall, bis 35 Prozent bei ineffizienten Heizungen. Beim Einbau besonders umweltfreundlicher Wärmepumpen werden je nach ausgetauschter Heizungsart 30 bis 40 Prozent der Kosten übernommen. Bei förderfähigen Gesamtkosten von 60.000 Euro fallen beim Heizungstausch Beträge in der Größenordnung von rund 36.000 bis 42.000 Euro an, die individuell getragen werden müssen und in der Regel höher ausfallen können. Das kann sich kaum einer leisten“, so der GdW-Präsident.
BFW: Aufgebürdete Kosten sind nicht zu stemmen
„Die Gebäuderichtlinie lehnen wir ab. Hier herrscht absolute Realitätsverweigerung auf Seiten der EU, weil in wenigen Jahren die Hälfte der Gebäude europaweit saniert werden soll,“ sagt BFW-Präsident Dirk Salewski. Die Richtlinie überfordere Immobilienbesitzer durch Zwangssanierungen vollkommen. Immobilienbesitzern würden Kosten aufgebürdet, die sie allein nicht stemmen können. Es sei zudem „völlig illusorisch zu glauben, es wäre personell und finanziell möglich, in dieser kurzen Zeit derart viele Gebäude zu sanieren. Fachpersonal fehlt überall. Die Baukosten sind explodiert. Hohe Inflation und das gestiegene Zinsniveau erschweren die Lage zudem.“ Salewski warnt: „Am Ende zahlten die Zeche Mieter und Hausbesitzer.“
Haus- und Grund: Abkassieren und bevormunden
Kai Warnecke, Verbandschef von Haus & Grund, fordert eine Neuausrichtung des Klimaschutzgesetzes. „Mittlerweile müsste jedem klar sein, dass wir mit dem technokratischen Klein-Klein nicht vorankommen“. Warnecke plädiert dafür, den Gebäudesektor möglichst zügig in den europäischen Emissionshandel zu integrieren und europaweit verlässlich CO2-Reduktionsziele festzulegen. Um Gebäudesanierungen voranzutreiben, müssten die Einnahmen aus dem Emissionshandel für die Gebäudesanierung verwendet werden.
Diese Förderung muss durch einen gesetzlichen Anspruch für Eigentümer verbrieft werden. Flankierend dazu bedarf es eines Pro-Kopf-Klimageldes, um die Bürgerinnen und Bürger beim CO2-Preisen zu entlasten. Warnecke vermisst im Wirtschaftsministerium einen ordnungspolitischen Kompass. „Es macht schlicht keinen Sinn, einen Preis für CO2 einzuführen und weiterhin an detaillierten verpflichtenden Vorgaben festzuhalten, wann welche Maßnahmen von jedem einzelnen Bürger umzusetzen sind. Das ist Abkassieren und Bevormunden aus einem Guss – aber kein wirksamer Klimaschutz“, resümierte Warnecke.
ZIA: Die Fristen sind zu ambitioniert
Der Spitzenverband der Immobilienbranche, ZIA, sieht in der Position des Europäischen Parlaments zur Gebäudeenergieeffizienzrichtlinie die Chance, der europäische Klimaneutralität bis 2050 entscheidend näher zu kommen, weist jedoch auf die Gefahr hin, dass bei der Ausgestaltung der EPBD (Energy Performance of Buildings Directive) das Augenmaß verlorengeht.
„Gebäude emittieren etwa 38 Prozent des CO2 in der EU. Deshalb liegt hier eine zentrale Stellschraube des Green Deals“, sagt ZIA-Präsident Dr. Andreas Mattner. „Die Immobilienwirtschaft unternimmt immense Anstrengungen, um dieser Verantwortung gerecht zu werden und weitere Fortschritte zu erzielen.“ Zugleich sieht der ZIA aktuell Probleme, wenn die Fristen für die Mindesteffizienzstandards (MEPS) zu schnell kommen und zu ambitioniert sind.
DENEFF fordert Sanierungsgipfel
Die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz e.V. (DENEFF) begrüßt demgegenüber das EU-Votum als eine gute Grundlage, um nun zeitnah in den Dialog mit den EU-Institutionen zu gehen und die Details der Ausgestaltung zu klären. Das Votum sei ein wichtiger Zwischenschritt zu deutlich mehr Planungssicherheit für alle Beteiligten der Bauwirtschaft, der Industrie und des Handwerks.
Autorin: Christina Hövener-Hetz