Geplantes Verbot von Gas- und Ölheizungen schlägt hohe Wellen
Ab 2024 sollen keine neuen Erdgas- und Ölheizungen mehr eingebaut werden
Die Wohnungswirtschaft ist sich einig: Die millionenfache Verschrottung von Gasheizungen werde sehr teuer und die Mieter seien die Leidtragenden dieser Maßnahmen. Der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) und die an 100 Unternehmen der Energiebranche beteiligte Thüga warnen vor großen Unsicherheiten bis hin zur Planwirtschaft.
Update, 14.06.23: Bis 2028 keine Pflicht zum Heizungstausch
Update, 04.09.23: Der Entwurf des „Heizungsgesetzes“ (GEG) soll im September in zweiter und dritter Lesung im Deutschen Bundestag debattiert werden. Hier die wichtigen Regelungen, über die das Parlament abstimmen wird.
Nachfolgend eine Zusammenstellung der IVV zu Meinungen von Verbänden, Politik und Wirtschaft und Auswirkungen für Hausbesitzer und Mieter.
Derzeit heizt jeder zweite Haushalt in Deutschland mit Erdgas. Ab 2024 sollen keine neuen Erdgas- und Ölheizungen mehr eingebaut werden. An ihre Stelle sollen Heizungen treten, die mindestens zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Ab 2045 sollen Heizungen dann komplett mit erneuerbaren Energien etwa aus Wind und Sonne laufen. Wer vorher eine Heizung ersetzt oder repariert, muss diese Frist im Kopf behalten. Wenn eine Erdgasheizung irreparabel kaputt geht, kann dem Entwurf zufolge übergangsweise für bestimmte Fristen auch eine althergebrachte Heizungsanlage eingebaut werden – man muss also nicht sofort einen modernen Ersatz finden. Außerdem solle es Fördergeld und Härtefallregelungen geben, hieß es aus Regierungskreisen. Nach Habecks Plänen erlaubt wären Wärmepumpen, die Wärme aus der Luft, dem Grundwasser oder dem Erdreich nutzen. Zulässig und erwünscht wären nach dem Gesetzentwurf auch ein Anschluss an das Fernwärmenetz oder Stromdirektheizungen. Nach Angaben aus Regierungskreisen wären auch Biomasseheizungen denkbar oder Heizungen, die Gas aus erneuerbaren Quellen wie etwa grünen Wasserstoff nutzen.
GdW: „Sehr, sehr teuer“
"Der Gesetzentwurf aus dem Hause Habeck ist gespickt mit zahlreichen Pflichten und Detailvorgaben, ohne dass klar wird, wie diese in der Praxis umgesetzt werden können", beklagt der Präsident des Eigentümerverbands Haus und Grund, Kai Warnecke. Es würde "sehr, sehr teuer", warnt der Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW, Axel Gedaschko. Ab 2026 müssten pro Jahr mehr als eine Million fossil betriebene Heizungen ausgetauscht werden. "Denn bis 2030 müssen zusätzlich rund 6,5 Millionen Heizungen jenseits der schon vorhandenen Sanierungsplanung ersetzt werden."
BFW: „Ohne Not wird Wohnen noch teurer“
Der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) reagiert mit Unverständnis auf den Referentenentwurf zum Gebäudeenergiegesetz (GEG). „Seit Monaten suchen alle nach Möglichkeiten der Entlastung, hier wird eine neue finanzielle Belastung aus der Luft gegriffen. Ohne Not wird so Wohnen in Deutschland noch teurer werden. Was sozial nicht tragfähig und wirtschaftlich nicht darstellbar ist, ist auch nicht nachhaltig“, erklärt BFW-Präsident Dirk Salewski in Berlin. „Die Mieter sind die Leidtragenden dieser Maßnahmen. Hohe Kosten für die Umrüstung der Heizungsanlagen führen zu höheren Mieten. Das Ganze führt zur finanziellen Überforderung von allen Beteiligten. Dazu kommt der Mangel an Fachkräften. Die Handwerker und Fachkräfte, die das umsetzen sollen, stehen gar nicht zur Verfügung. Das alles erinnert an ‚Wünsch Dir was‘ und nicht an abwägende Klima- und Wirtschaftspolitik“, so der BFW-Präsident. „Bundeskanzler Scholz und Bauministerin Geywitz müssen Herrn Habeck die gesamtgesellschaftliche Dimension und die Folgen seiner Vorschläge deutlich machen. Klima und Soziales gehören zusammen“, sagt Salewski.
Der ZIA ist skeptisch
Die Pläne, den Einbau neuer Öl- und Gasheizungen ab dem kommendem Jahr zu untersagen, sieht der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) skeptisch. „Das Ziel geht in die richtige Richtung. Wir sollten am Ende allerdings immer bedenken, dass die Umsetzung dieser Pläne auch leistbar sein muss – sowohl finanziell als auch zeitlich“, sagt ZIA-Geschäftsführer Joachim Lohse. Lohse verweist zudem auf Hürden, die einem schnellen Abschied von Öl- und Gasheizungen im Wege stehen könnten. Engpässe bei den Lieferketten und der Verfügbarkeit von Fachkräften führten aktuell immer wieder zu ungeplanter Verlangsamung.
Lohse weiter: „Ich sehe auch ein Missverhältnis darin, dass die Immobilienbesitzerinnen und -besitzer schon zu einem Zeitpunkt verstärkt herangezogen werden, an dem die Kommunen ihren Teil oft noch nicht geleistet haben.“ Bei der kommunalen Wärmeplanung sei Deutschland noch längst „nicht so weit wie gewünscht“.
Deutscher Mieterbund sieht allein Eigentümer in der Pflicht
Melanie Weber-Moritz vom Deutschen Mieterbund wertet die Pläne als Chance, warnte aber auch davor, die Kosten allein bei den Mietern zu lassen. Der geplante verpflichtende Heizungstausch müsse als Instandhaltung gewertet und ausschließlich vom Vermieter bezahlt werden.
Verbraucherschutzverband WiE erinnert an finanzschwache Rentner
Der Verbraucherschutzverband Wohnen im Eigentum (WiE) stellt fest, dass das gerade auch die Wohnungseigentümergemeinschaften vor große finanzielle und logistische Herausforderungen stellen werde, da in WEGs die Entscheidungsfindung system- und strukturbedingt kompliziert und langsamer sei. "Die beabsichtigten Maßnahmen sind ambitioniert. Ob sie mit diesen Fristen umsetzbar sind, muss diskutiert und gegebenenfalls nachjustiert werden," stellt WiE-Chefin Gabriele Heinrich fest. Ebenso bedürfe es der finanziellen Unterstützung älterer WEGs, in denen zum Beispiel ältere Menschen mit niedrigen Renten wohnen, so Heinrich. Grundsätzlich begrüßt WiE aber den vorgeschlagenen Weg. Denn: "Die Energie- und Klimawende muss angepackt werden."
Universität Siegen: „Pläne sind sozial kalt“
Vor einem verengten Blick auf die Wärmepumpe warnte Lamia Messari-Becker, Professorin für Gebäudetechnologie und Bauphysik an der Uni Siegen. Bei einer entsprechenden Förderung kämen unter anderem auch wasserstofffähige Heizungen, Fern- und Nahwärme, Erdwärme sowie kommunale Wärmepläne mit erneuerbaren Energien zum Einsatz, sagt sie. Messari-Becker nennt die bekannt gewordenen Überlegungen "klimapolitisch nicht gut durchdacht, sozial kalt und mit massiven Problemen behaftet".
Die Gebäude in Deutschland seien hinsichtlich ihrer energetischen Qualität, technischen Voraussetzungen und der regionalen Gegebenheiten sehr unterschiedlich. "Es gibt daher nicht die eine Lösung, die für alle gut funktioniert." Rund ein Drittel der Wohnungseigentümer sei im Rentenalter, da seien Kredite keine Selbstverständlichkeit. Sie plädierte für kommunale Wärmepläne mit erneuerbaren Energien zum Einsatz, sagte sie der dpa.
Verbraucherzentrale verlangt finanzielle Hilfen
Die Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) verlangt Hilfen: "Private Haushalte müssen beim Rückbau von Gasetagenheizungen in Mehrfamilienhäusern einen finanziellen Ausgleich erhalten – insbesondere, wenn die Heizung erst wenige Jahre alt ist", sagt Thomas Engelke vom VZBV dem "Handelsblatt". Er betont aber auch, mehr Unabhängigkeit von fossilen Energieimporten sei nötig.
Bundesverband Wärmepumpe unterstützt Habecks Pläne
Rückendeckung bekommt Habeck erwartungsgemäß vom Bundesverband Wärmepumpe e.V (BWP). In einer Erklärung heißt es, die viel diskutierte 65 Prozent EE- Regelung beim Heizungstausch müsse nun schleunigst auf den Weg gebracht werden, um Planungssicherheit in der Branche zu schaffen. Eine öffentliche Debatte zur Wärmewende und zu den Klimazielen beim Heizen sei überfällig und sollte konkret am Gesetz geführt werden.
"Die Wärmepumpenbranche wird einen zentralen Beitrag leisten, um nun endlich die großen Aufgaben im Gebäudesektor anzugehen. Sie ist bereits in Vorleistung gegangen und investiert Milliardenbeträge in den Ausbau der Produktionskapazitäten", so BWP-Geschäftsführer Dr. Martin Sabel. „Bereits in den vergangenen Jahren konnten massive Steigerungen beim Wärmepumpen-Ausbau von der Branche bewerkstelligt werden. Allein im letzten Jahr wurden 236.000 Wärmepumpen in Deutschland installiert, eine Steigerung von 53 Prozent gegenüber dem Vorjahr, der weit überwiegende Teil davon in der Renovierung“, heißt es in der Presseerklärung.
Deutsche Umwelthilfe: „Raus aus fossiler Abhängigkeit“
Die Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe, Barbara Metz, begrüßte ebenfalls die Heizungspläne: "Das ist gleichzeitig ein wichtiger Schritt aus der fossilen Abhängigkeit – und eine gute Nachricht für Verbraucherinnen und Verbraucher nach einem Jahr der Versorgungssorgen und explodierenden Heizkosten."
Kritik von CDU und Koalitionspartnerin FDP
Die CDU-Fraktion im Bundestag äußert sich zu den Plänen von Minister Habeck und Ministerin Gleywitz empört. Die Union setze auf Anreize und Freiwilligkeit. Der bau- und wohnungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Daniel Föst, erklärt: "Der Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes schießt weit über die Vereinbarungen der Koalition hinaus. Die FDP wird einem solchen Entwurf nicht zustimmen. Klar ist: Der Gebäudesektor muss klimafit werden. Das funktioniert aber nicht über Nacht und nicht mit der Brechstange.
Der grüne Klimaminister überfordert zusehends die Bürgerinnen und Bürger.“ Gegenüber der Augsburger Allgemeinen sagte Föst, ein generelles Verbot von Gasheizungen werde viele Menschen hart treffen und finanziell überfordern. Zudem sei es unnötig, denn die Gasinfrastruktur könne künftig auch klimaneutral genutzt werden – etwa über Hybridheizungen und den Einsatz von Wasserstoff. "Diese Innovationen auszubremsen, wäre der falsche Weg."