Interview

„Elementarschäden sollten obligatorischer Teil jeder Gebäudeversicherung sein“

Stefan Bucksteegen, Versicherungsexperte für die Wohnungswirtschaft seit 1999, über List und Tücke des Kleingedruckten in Versicherungsverträgen und die Notwendigkeit, Elementarschäden abzusichern.

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 Bild: Assenovo
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Dieses Interview gehört zum Haupttext Die Leistungen einer Elementarschadenversicherung aus der IVV 10/23

In Ihrer Aufzählung möglicher Katastrophen fehlen Sturm, Blitzeinschlag und Feuer. Wie sind diese Risiken zu versichern?

Das sind Gefahren, die schon im Rahmen der Basisleistungen einer Gebäudeversicherung abgedeckt sind. Feuer, Leitungswasser, Sturm und Hagel sind mitversichert, und der Blitzeinschlag zählt zu den Feuergefahren. Man sollte als Versicherungskunde immer darauf achten, dass diese Gefahren tatsächlich versichert werden, normalerweise finden sie sich in den gängigen Gebäudeversicherungen. Die Elementarschadenversicherung ist eine Erweiterung der Wohngebäudeversicherung.

Eine Selbstbeteiligung von maximal 5.000 Euro erscheint gering. Gilt dieses Limit auch, wenn die Versicherung fünf Millionen leisten muss?

Es gibt am Markt sehr unterschiedliche Varianten der Selbstbeteiligung. Eine der gängigsten Formulierungen lautet: Zehn Prozent der Schadenssumme, mindestens 500 Euro und maximal 5.000 Euro. Bei speziellen Produkten für die Wohnungswirtschaft oder für Hausverwaltungen gibt es sogar deutlich niedrigere Selbstbeteiligungen von 250 Euro oder 500 Euro. Als Versicherungsnehmer sollte man sehr genau in die Police schauen. Im Prinzip leistet der Versicherer im Schadenfall bis zur vereinbarten Versicherungssumme. Allerdings gibt es bei einigen Versicherern eine Entschädigungsgrenze in der Elementarschadenversicherung. Diese kann beispielsweise bei fünf Millionen Euro liegen. Die Versicherung zahlt grundsätzlich für den schlimmsten Fall, auch wenn die Selbstbeteiligung niedrig ist.

Sie raten dazu, die Obliegenheiten des Vertrages genau zu prüfen. Welche Pflichten können das sein?

Auch hier ist es ratsam, das Kleingedruckte genau zu lesen. Obliegenheiten sind Nebenpflichten, die im Vertrag geregelt sind, deren Nichtbeachtung weitreichende Konsequenzen haben kann. Beispiele im Rahmen einer Elementarschadenversicherung können sein, dass die Versicherung das Vorhandensein einer funktionierenden Rückstauklappe voraussetzt. Eine weitere Obliegenheit ist häufig, dass sämtliche Rohre zur Ableitung von Wasser immer freigehalten werden, damit das Wasser fließen kann. Oder es wird verlangt, dass Gegenstände im Keller nicht auf dem Fußboden, sondern in einem halben Meter Höhe gelagert werden, damit sie nicht so schnell mit Wasser in Berührung kommen. Rückstauklappen und Abflussrohre müssen bei diesen Obliegenheiten regelmäßig geprüft werden. Die Pflichten können sich von Versicherung zu Versicherung deutlich unterscheiden.

Können Sie die ungefähren Kosten für eine Elementarschadenversicherung nennen, die den Neubauwert einer Immobilie absichert?

Die Kosten einer Elementarschadenversicherung sind im Wesentlichen abhängig von zwei Faktoren: Erstens vom Neubauwert der zu versichernden Immobilie und zweitens von der Lage der Immobilie und dem damit verbundenen Hochwasser- und Starkregenrisiko. Ein weiterer Faktor ist in diesem Zusammenhang, wie die Versicherungssumme ermittelt wird. Eine Versicherungsgesellschaft, die die Versicherungssumme konventionell nach dem Versicherungswert 1914 ermittelt, ist in der Regel teurer als spezielle Tarife für die Wohnungswirtschaft, die die Versicherungssumme auf Basis der Wohnfläche oder der Wohneinheiten ermittelt werden. Nehmen wir beispielhaft ein Achtfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 880 Quadratmetern, das in der Zürs Zone eins, der niedrigsten Gefahrenklasse, liegt: Ein solches Gebäude lässt sich über einen guten Hausverwaltertarif bereits für 307,10 Euro Jahresprämie absichern.

… und diese Kosten sind umlegbar?

Ja, diese Kosten sind auf die Mieter umlegbar.

Einige Politiker denken laut über eine Pflichtversicherung für Elementarschäden nach. Wie ist Ihre Position dazu?

Ich bin gegen eine vom Staat auferlegte Elementarschadenversicherung, weil staatlich vorgegebene Lösungen meist unflexibel und nicht marktgerecht sind, was die Konditionen angeht, und somit für die Versicherungsgesellschaften nicht kostendeckend umsetzbar. Dennoch bin ich dafür, dass jeder Immobilienbesitzer eine Elementarschadenversicherung abschließen müsste. Das würde in der Praxis so aussehen, dass jeder neu abgeschlossene Vertrag obligatorisch Elementarschäden mit absichert. Der Versicherungsnehmer kann diesen Zusatzbaustein zwar ablehnen, doch wenn er sich dazu entschließt, darf er kein Anrecht auf staatliche Hilfe im Schadenfall haben.

Die Fragen stellte Thomas Engelbrecht

 

Thomas Engelbrecht

Thomas Engelbrecht
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Seite 24
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