Nach einer Klage mehrerer Stadtwerke hat das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) seine Markterklärung zurückgezogen. Sie ist die Basis für den Pflicht-Rollout von SMGW. Mittlerweile hat ein Entwicklungsunternehmen für intelligente Messsysteme Widerspruch gegen die Rücknahme eingelegt.
Um das Thema zu durchdringen, ist es wichtig, einige Fachbegriffe und technische Hintergründe zu verstehen. Ursprünglicher Treiber von SMGW ist die Dezentralisierung der Stromerzeugung. In der Vergangenheit wurde Strom überwiegend in Großkraftwerken erzeugt und in das Stromnetz eingespeist. Durch die Umstellung auf erneuerbare Energien wird die Stromerzeugung zunehmend dezentraler. Dadurch entsteht ein erhöhter Regelbedarf, für den die Netze bisher nicht ausgelegt waren. Erforderlich dafür sind Komponenten, die hochsicher und hochverfügbar sind: Smart Meter Gateways.
Auch für Immobilieneigentümer und -manager bringen SMGW Vorteile. Da ist zunächst einmal die Stromablesung. Das Messstellenbetriebsgesetz schreibt vor, bis 2032 in ganz Deutschland die alten analogen Stromzähler durch digitale Geräte, sog. moderne Messeinrichtungen (mME), zu ersetzen. Diese Geräte sollen einen besseren Überblick über das Verbrauchsverhalten geben und zum Energiesparen motivieren.
Kombiniert man eine moderne Messeinrichtung mit einer Kommunikationseinheit, dem SMGW, so wird daraus ein intelligentes Messsystem (imSys). Es überträgt die Verbrauchsdaten automatisch an den Stromversorger, sodass der Ableser nicht mehr vor Ort erscheinen muss.
Bedingungen für den Pflichteinbau
Einige Haushalte erhalten das SMGW verpflichtend. Grundlage hierfür sollte die oben erwähnte Markterklärung sein. Dazu müssen sie eine der folgenden Voraussetzungen erfüllen:
- Jährlicher Stromverbrauch höher als 6.000 Kilowattstunden
- Betrieb einer stromerzeugenden Anlage (beispielsweise Solarstrom) mit einer Nennleistung von mehr als 7 Kilowatt
- Betrieb einer steuerbaren Verbrauchseinrichtung (z.B. Wärmepumpe oder Wallbox).
Verantwortlich für den Pflichteinbau ist der grundzuständige Messstellenbetreiber (gMSB). Dies ist im Normalfall der lokale Netzbetreiber – nicht zu verwechseln mit dem Stromlieferanten. Letzterer ist bekanntlich frei wählbar. Daneben gibt es noch wettbewerbliche Messstellenbetreiber (wMSB). Diese Rolle entstand im Zuge der Liberalisierung durch das Messstellenbetriebsgesetz. Damit kann nun auch der Messstellenbetreiber frei gewählt werden – entweder durch die Verbraucherinnen und Verbraucher für ihre individuelle Messstelle oder durch den Vermietenden für die komplette Liegenschaft.
Immobilienbetreibende, die nicht vom Pflichteinbau betroffen sind, haben die Möglichkeit zum freiwilligen Einbau von Smart Meter Gateways. Dessen Vorteile gehen weit über die automatische Fernübertragung von Stromverbrauchsdaten hinaus. So ist beispielsweise vorgeschrieben, dass ein Messstellenbetreiber neben Strom auch den Gasverbrauch über das Smart Meter Gateway anbinden können muss. Dadurch, dass es dann nur einen Ansprechpartner für mehrere Energiesparten gibt, entstehen Synergien und Zeitersparnis für die Immobilienbetreibenden.
Chancen durch Multimetering in der Wohnungswirtschaft
Bindet man zusätzliche Sparten in die Verbrauchsübertragung ein, entfallen weitere Ablesetermine. Sobald die Verbrauchswerte von mehr als einer Sparte über das Smart Meter Gateway übertragen werden, spricht man von Multimetering. Perspektivisch wird auch das Submetering, also der Wärme- und Wasserverbrauch auf Wohnungsebene, über das Smart Meter Gateway abgewickelt werden können. Mit der passenden App oder im Web lassen sich dann sämtliche Energieverbräuche des Gebäudes betrachten und optimieren.
Damit kann Multimetering der Wohnungswirtschaft eine fundierte Datenbasis für Nachhaltigkeitskriterien und ESG-Bewertungen liefern. Unter ESG versteht man die Betrachtung eines Unternehmens unter den Gesichtspunkten Environment (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (Unternehmensführung). Diese Kriterien gewinnen zunehmend an Bedeutung in Bezug auf die Kreditwürdigkeit eines Investments.
Von einem Smart Meter Gateway profitiert letztlich jede Anwendung, die eine hochsichere, hochverfügbare Datenübertragung erfordert. Dazu gehören beispielsweise Smart-Home-Anwendungen, flexible Stromtarife oder intelligente Ladesäulensteuerung, durch die Elektromobilität in das energiewirtschaftliche System integriert wird.
So wird das Smart Meter Gateway zur unverzichtbaren Datendrehscheibe in der Immobilie. Vorausschauende Immobilienbetreibende nutzen die Möglichkeiten, die ihnen der freiwillige Einbau bietet. Gerade im Hinblick auf die immer dringender werdenden energiepolitischen Herausforderungen ist jedoch zu hoffen, dass seitens des Gesetzgebers mit einer neuen Markterklärung endlich klare Rahmenbedingungen geschaffen werden.
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Christopher Intsiful
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