Einige ostdeutsche Wohnungsunternehmen in Schieflage

Noch rollt die Insolvenzwelle nicht an

Meldungen von steigenden Mieten machen bundesweit Schlagzeilen. Doch in Ostdeutschland haben viele Wohnungsunternehmen mit ganz anderen Problemen zu kämpfen: mit Leerstand, niedrigen Mieten und einer wirtschaftlichen Schieflage. Trotz dieser Herausforderungen ist nicht mit einer Insolvenzwelle zu rechnen – zumindest noch nicht.

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Die Schließung eines Quartierbüros aufgrund einer Insolvenz gehört in der sozial orientierten Wohnungswirtschaft bislang zur absoluten Ausnahme. Bild: Adobestock/Heiko Kueverling
Die Schließung eines Quartierbüros aufgrund einer Insolvenz gehört in der sozial orientierten Wohnungswirtschaft bislang zur absoluten Ausnahme. Bild: Adobestock/Heiko Kueverling

Seit 2022 haben hunderte Mieter in Thale, einer Kleinstadt im Harz, einen neuen Vermieter. Damals wurde das kommunale Wohnungsunternehmen mit seinen gut 900 Wohneinheiten von der Haas-Unternehmensgruppe aus Passau übernommen; zuvor hatte das Stadtparlament den Verkauf beschlossen. Ein hoher Leerstand, ein großer Investitionsstau, eine schrumpfende Bevölkerung: Das waren die Faktoren, die den Ausschlag für diese Entscheidung gaben und mit denen auch andere Wohnungsunternehmen in strukturschwachen Gegenden vor allem Ostdeutschlands zu kämpfen haben. „Die wirtschaftliche Situation vieler ostdeutscher Wohnungsunternehmen bleibt gerade in Abwanderungsregionen angesichts allseits steigender Kosten und Anforderungen sehr schwierig“, stellt Axel Gedaschko, der Präsident des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, fest.

Zum Beispiel Sachsen-Anhalt

Besonders anspruchsvoll ist die Situation in Sachsen-Anhalt. Die 77 kommunalen Wohnungsunternehmen, die im Verband der Wohnungswirtschaft (VdW) Sachsen-Anhalt organisiert sind, verzeichnen nach den letzten verfügbaren Zahlen einen durchschnittlichen Leerstand von 12,6 Prozent, während die Nettokaltmiete im Durchschnitt lediglich 5,68 Euro pro Quadratmeter beträgt. In einzelnen Regionen stehen noch viel mehr Wohnungen leer; so verzeichnet die Statistik des VdW Sachsen-Anhalt für die Stadt Dessau-Roßlau einen Leerstand von 31,9 Prozent.

Der Verkauf des kommunalen Wohnungsunternehmens in Thale ist denn auch nicht das einzige Krisensymptom in Sachsen-Anhalt. Bereits 2013 veräußerte die Stadt Burg ihre Wohnungsbaugesellschaft an eine Gesellschaft der Berliner Hirling-Gruppe. In jüngerer Vergangenheit sorgten zwei Fälle im Salzlandkreis für Schlagzeilen: In Nachterstedt wurde 2021 die Vorharzer Heimstätte liquidiert und in Egeln meldete 2023 die Umland Wohnungsbau mit ihren rund 1.400 Wohnungen Insolvenz an.

Die Gründe dafür sind unterschiedlich. Die Insolvenz in Egeln ist nach Angaben von VdW-Verbandsdirektor Jens Zillmann darauf zurückzuführen, dass eine bayerische Bank ein Darlehen nicht verlängerte. Mittlerweile hat die Umland Wohnungsbau einen neuen Eigentümer, nämlich eine Gesellschaft der zuvor bereits in Burg aktiven Hirling-Gruppe. Für die Probleme in Nachterstedt verantwortlich waren der Leerstand von rund dreißig Prozent sowie der Umstand, dass viele der rund 800 Wohnungen mit Gasetagenheizung ausgestattet sind. „Für eine Sanierung“, berichtet Zillmann, „fehlte das Geld, und auch die von uns als Verband angeregte Kooperation mit anderen kommunalen Wohnungsunternehmen kam nicht zustande. Deshalb wurden die Wohnungen per Asset Deal verkauft, und die Gesellschaft wurde liquidiert.“

Insgesamt sind laut Zillmann in den vergangenen Jahren in Sachsen-Anhalt rund 3.000 kommunale Wohnungen in privates Eigentum übergegangen. „Grundsätzlich lehnt der VdW jedwede Privatisierung kommunaler Wohnungen ab, egal ob durch Verkäufe oder auf dem Wege einer Insolvenz“, erklärt der Verbandsdirektor. „Nach unserem Selbstverständnis sind kommunale Wohnungsgesellschaften ein Instrument der Daseinsvorsorge für eine soziale, bezahlbare und moderne Wohnraumversorgung.“

Weitere Insolvenzen stehen nicht bevor

Weitere Insolvenzen in Sachsen-Anhalt seien „in einem überschaubaren Zeitraum“ jedoch nicht zu erwarten, sagt Zillmann weiter. Er begründet dies damit, dass die Unternehmen dazugelernt hätten: Sie hätten in der Niedrigzinsphase Schulden zurückgezahlt und arbeiteten jetzt überwiegend mit lokalen Bankpartnern statt mit westdeutschen Instituten zusammen. „Außerdem“, erklärt der Verbandsdirektor, „sind sie in diesen krisenhaften Zeiten sehr vorsichtig und halten sich mit größeren Investitionen zurück.“

Die gleiche Beobachtung macht Frank Emrich, Verbandsdirektor des Verbandes der Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (vtw). Er verweist darauf, dass einige Unternehmen in seinem Verband trotz eines Leerstands von zwanzig Prozent keine Schulden hätten. Der Grund: Sie investieren kaum. „Dabei“, betont Emrich, „besteht die Gefahr, dass es zu einem Substanzverzehr kommt und die Probleme in die Zukunft verschoben werden.“

Und Probleme gibt es in Thüringen genug. Von „aktuell weiter wachsenden widrigen Umständen“ spricht der Verbandsdirektor und nennt dabei unter anderem Baukosten, Zinsbelastung, niedrige Mieten und hohen Leerstand. Das führe in einzelnen Fällen zu „anspruchsvollen wirtschaftlichen Situationen“. Dennoch bezeichnet Emrich die Gefahr, dass Unternehmen Insolvenz anmelden oder sich von ihrem Bestand trennen müssen, als „absolut gering“.

In der Vergangenheit gab es in Thüringen allerdings zwei solche Fälle. Vor etwa zehn Jahren meldete die Wohnungsgesellschaft Berga/Elster (die nicht Mitglied des vtw war) Insolvenz an, was Emrich mit Managementfehlern begründet. Und 2016 wurde die GWB Elstertal in Gera (rund 6.700 Wohn- und Gewerbeeinheiten) an die Investmentgesellschaft Benson Elliot verkauft. Grund dafür war jedoch nicht eine wirtschaftliche Schieflage des Unternehmens, sondern die Insolvenz des Gesellschafters, nämlich der Stadtwerke Gera. Mittlerweile ist die GWB Elstertal wieder in öffentlicher Hand: Mehrheitseigentümer ist ein Unternehmen des Freistaats Thüringen, Minderheitseigentümer die Stadt Gera.

Akute Insolvenzgefahr besteht auch in Sachsen nicht, wie Mirjam Philipp sagt, Vorstand des Verbands der sächsischen Wohnungsgenossenschaften (VSWG). In den letzten Jahren habe es eine einzige Insolvenz einer Genossenschaft gegeben, die allerdings sehr individuelle Gründe gehabt habe. Derzeit nehme die Gefahr eines wirtschaftlichen Kollapses kleinerer Unternehmen zwar zu; die Prüfungsbetreuung der Genossenschaften durch den Verband trage aber dazu bei, dass wirtschaftliche Krisensituationen rechtzeitig erkannt und Insolvenzen vermieden würden.

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Energiekrise hat nicht zu Insolvenzen geführt

Nicht bewahrheitet hat sich die Befürchtung, dass die im Jahr 2022 massiv gestiegenen Energiekosten die Existenz von Wohnungsunternehmen gefährden und „bis hin zur Insolvenz“ (so der GdW im August 2022) führen könnten. Dass es nicht zu energiepreisbedingten Insolvenzen gekommen ist, begründet Christian Gebhardt, Leiter Betriebswirtschaft beim GdW, mit den Maßnahmen der Politik, insbesondere mit der Deckelung des Preisanstiegs bei Gas und Strom.

Genaue Angaben, wie viele GdW-Mitgliedsunternehmen in den letzten Jahren Insolvenz – aus welchem Grund auch immer – angemeldet haben, liegen dem Verband nicht vor. Gebhardt vermutet jedoch, dass die Zahl im niedrigen einstelligen Bereich liegen dürfte. Er weist zudem darauf hin, dass in bundesweiter Perspektive der Verkauf kommunaler Wohnungsbestände keineswegs die Regel ist – ganz im Gegenteil: „Vielfach stehen kommunale Wohnungsunternehmen bereit, um Bestände von privaten Wohnungsunternehmen zu übernehmen.“

Verbände wollen verlässliche Förderung

Auch Gebhardt weist auf die Risiken hin, die entstehen, wenn Unternehmen bei den Investitionen sparen und ihre Bautätigkeit zurückfahren. „Dies“, sagt der GdW-Experte, „ist aufgrund der Herausforderungen (fehlender Neubau, Klimaanforderungen) keine befriedigende Lösung.“

Apropos Klimaanforderungen: Genau bei diesem Thema sehen ostdeutsche Interessenvertreter einen Ansatzpunkt, um die Situation für die Wohnungsunternehmen zu verbessern. „Bei den jetzigen Rahmenbedingungen ist die Aufgabe der Dekarbonisierung wirtschaftlich nicht leistbar“, sagt vtw-Verbandsdirektor Frank Emrich. „Wir müssen deshalb einen anderen Weg beschreiten“ – und zwar den von einer Gruppe von Wissenschaftlern angelegten „Praxispfad CO2-Reduktion im Gebäudesektor“ (vgl. ivv 01/2025). Dieser schlägt vor, die Anforderungen an die Energieeffizienz des einzelnen Gebäudes zu senken und dafür die Energieerzeugung in den Blick zu nehmen.

Eine weitere Forderung erhebt Mirjam Philipp vom VSWG: Sie spricht sich für „verlässliche Rahmenbedingungen bei der Förderung“ aus. Das gelte nicht nur für die KfW-Förderung auf Bundesebene, sondern auch für die Landesebene, ergänzt Jens Zillmann vom VdW Sachsen-Anhalt. Nach seinen Worten bräuchten seine Mitgliedsunternehmen jährlich Fördermittel in Höhe von 135 Millionen Euro für Rückbau, energetische Sanierung und Schaffung von Barrierefreiheit. 2024 hätten aber gerade einmal vier Millionen Euro für VdW-Mitglieder zur Verfügung gestanden.

Frank Emrich aus Thüringen appelliert jedoch auch an die eigene Branche, aktiv zu werden und Lösungen zu suchen, damit nicht doch eines Tages weitere Unternehmen in die Insolvenz gehen müssen. „Perspektivisch werden wir strukturelle Veränderungen sehen“, ist Emrich überzeugt, wobei er an Kooperationen und Fusionen denkt. „So könnte zum Beispiel ein zentrales Dienstleistungsunternehmen Aufgaben für mehrere Wohnungsunternehmen übernehmen“, sagt er. „Und wenn zwei Genossenschaften mit je 500 Wohneinheiten im Abstand von fünf Kilometern tätig sind, kann eine Fusion sinnvoll sein.“ Allerdings seien bereits Fusionen an der Grunderwerbsteuer gescheitert – weshalb Emrich in solchen Fällen eine Befreiung von der Grunderwerbsteuer fordert, wie es sie in Thüringen schon einmal von 2004 bis 2006 gab.

Christian Hunziker

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Seite 16 bis 18
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