Schutz von Klima und Denkmal erfordert Fingerspitzengefühl
Längst nicht jedem Denkmal sieht man seine epochale Dimension an. Manchmal sind es eher verborgene Werte, die ein Gebäude für die Denkmalschützer erhaltenswert machen. Um die historische Bedeutung des „Warmwasserblocks“ an der Wilhelmsburger Straße im Hamburger Stadtteil Veddel wissen jedenfalls eher nur Eingeweihte. Das mag auch daran liegen, dass der in den 1920er-Jahren entstandene Gebäudekomplex lange vernachlässigt wurde. Derzeit modernisiert ihn der städtische Wohnungskonzern SAGA jedoch intensiv Abschnitt für Abschnitt; im Sommer 2025 sollen die Arbeiten abgeschlossen sein. Im Jahr 2015 übernahm die SAGA den heruntergewirtschafteten Block mit 161 Wohnungen, drei Jahre später wurde er unter Denkmalschutz gestellt. Die Wohnstadt auf der Veddel sei eine der bedeutendsten Hamburger Großwohnsiedlungen der damaligen Zeit, so Dr. Carsten Brosda, Senator der Hamburger Behörde für Kultur und Medien, bei einem öffentlichen Rundgang zum Baufortschritt Ende Mai.
Geplant wurde sie vom berühmten Architekten und Stadtplaner Fritz Schumacher, der als Oberbaudirektor von 1909 bis 1933 mit modernen Backsteinbauten das Gesicht der Hansestadt prägte. Innerhalb des von ihm gestalteten Ensembles im ehemaligen Arbeiterquartier nimmt der „Warmwasserblock“ als erster Block mit fließend warmem Wasser einen besonderen Platz ein.
Vereinbarung zwischen SAGA und Denkmalschutzbehörde
Klimaschutz lautet das Gebot der Stunde aber auch für ein Denkmal. „Den Charakter eines denkmalgeschützten Gebäudes zu erhalten und gleichzeitig die energetischen Anforderungen zu erfüllen, verlangt kreative Lösungen und Fingerspitzengefühl“, sagt Muharrem Solmaz, Gruppenleiter Serielle Modernisierung bei der SAGA. Genauso gilt es, die Modernisierung wirtschaftlich und zeitgemäß umzusetzen, sodass sie den heutigen Ansprüchen genügt und für die Mieter der Sozialwohnungen bezahlbar bleibt. In einer gemeinsamen Vereinbarung zwischen SAGA und Denkmalschutzamt wurden dafür Ziele und Verpflichtungen festgezurrt.
Mineralische Dämmung unter Klinkerriemchen
Einen hohen Stellenwert bei der Sanierung nimmt die rote Klinkerfassade ein. Teils überzieht sie noch ein dicker brauner Anstrich, der jetzt sukzessive abgebeizt wird. „Selbst wenn für den Warmwasserblock vor allem der historische Denkmalansatz zählt, geht es darum, das Gebäude wieder möglichst getreu an den Originalentwurf zu bringen“, so Solmaz. Gedämmt wird der größte Teil der Fassade mit Mineralwolle, um sie dann mit Klinkerriemchen zu verkleiden. „Wir dämmen bei der SAGA auch bei anderen Projekten ausschließlich mit Mineralwolle, um einen verlässlichen und einfachen Brandschutz zu gewährleisten“, erklärt Solmaz. So müsse kein Brandriegel eingezogen werden, wie er bei einem Wärmedämmverbundsystem mit Polystyrol nötig wäre, um einen möglichen Brandüberschlag in die oberen Geschosse zu verhindern.
Herantasten an Struktur und Farbton der historischen Ziegel
Kniffliger wurde es bei der Verkleidung. An der Fassade hängen noch die Musterflächen mit der Auswahl an roten Klinkerriemchen und Fugen. Um die Wirkung der Varianten besser beurteilen zu können, legte die SAGA gut sechs Quadratmeter große Trägerplatten mit Steinen von mehreren Anbietern an, die die Ziegel teils traditionell in Ringöfen brennen. „Mit verschiedenen mineralischen Zusammensetzungen der Tonerde und Temperaturen im Brennofen sowie Variationen von Kohlebränden haben wir uns möglichst genau an das Original herangetastet“, erklärt Solmaz. Dabei zählten Farbton und Schattierung genauso wie die Oberflächenstruktur. Gemeinsam mit dem Denkmalschutzamt und dem Architekten wählte Solmaz den passenden Klinker aus: „Wir haben so lange Ziegel brennen lassen und an den Fugen herumprobiert, bis wir mit dem Ergebnis zufrieden waren, der ganze Abstimmungsprozess hat sicherlich ein dreiviertel Jahr gedauert.“
Dämmstärke beträgt lediglich vier Zentimeter
Die Dämmplatten aus Mineralwolle haben eine Stärke von gerade mal vier Zentimetern, der Klinkeraufbau kommt auf sechs Zentimeter. „Sonst arbeiten wir eher mit einer 16-Zentimeter-Dämmung“, berichtet Solmaz. Die geringe Dämmtiefe ermöglicht es, die Fenster des Warmwasserblocks so weit vorzuziehen, dass sie direkt an die Verkleidung aus Klinkerriemchen anschließen. „So sieht man später gar nicht, dass das Gebäude gedämmt wurde.“
1.000 Fassadensteine akribisch ausgetauscht
Der erste Bauabschnitt um das sogenannte Torhaus, ein markanter zurückgesetzter Gebäudeteil mit Einfahrt, ist inzwischen wieder abgerüstet. Hier lässt sich bereits die denkmalgerecht sanierte Fassade begutachten – und zwar im frischen Originalzustand. In diesem Fall modernisierte das Team – anders als für den restlichen Komplex – die Klinkerfassade konventionell, tauschte über 1.000 Steine aus und nahm eine akribische Fugensanierung vor. Daneben bleiben weitere historische Elemente wie Vordächer, Dachabschlüsse und Fenster weitgehend erhalten.
„Museum“ gibt Einblick in den restaurativen Aufwand
Bevor der Bau starten konnte, liefen zahlreiche komplexe Untersuchungen und Auswahlprozesse. Für die charakteristischen Bauteile des Gebäudes erstellten das Hamburger Denkmalschutzamt und weitere Experten zuerst Gutachten und restaurative Befunduntersuchungen, auf die sich die Gestaltung stützt. Einen Eindruck davon, welch immenser Aufwand teils betrieben wurde, kann man sich im „Museum“ in einer der leer stehenden Wohnungen machen. Hier liegen auf Tischen und auf dem Boden alte Fensterrahmen, Drückergarnituren und Fenstergriffe, Holzmuster in unterschiedlichen Farben, Stuckelemente und Gesimsteile; an den Wänden hängen historische Fotos, Informationen und Bauzeichnungen.
Forschungsarbeit: Feuchtmessung in der Innendämmung
Aber auch die Zukunft hat man im Blick. Im Rahmen eines Forschungsprojekts wurden die Innenwände des Torhauses gedämmt. Die SAGA und das Denkmalschutzamt untersuchen über zwei Jahre, ob dies grundsätzlich eine sinnvolle Alternative zur Außendämmung sein kann. Seit August 2023 misst ein computergestütztes Monitoring dafür mithilfe von Fühlern, die zwischen Innenwand und Dämmung angebracht sind, rund um die Uhr den Feuchtigkeitseintrag, die Ergebnisse wertet ein Sachverständiger regelmäßig aus. „Der Mythos, dass sich mit der Innendämmung das Risiko von Schimmelbildung erhöht, wurde nie verlässlich belegt. Wir möchten jetzt anhand der Langzeitdaten klären, was tatsächlich unter realen Bedingungen passiert“, so Solmaz. Verkleidet wurden die Innenwände mit sechs Zentimeter dicken „Multipor“ Mineraldämmplatten, um sie abschließend in den Wohnungen zu verputzen. „Ein Ingenieurbüro hat für uns anhand von zehn Kriterien wie Feuchteschutz, Wärmeschutz, Raumakustik und Brandschutz verschiedene Dämmstoffe miteinander verglichen“, erzählt Solmaz. Ganz oben im Ranking standen am Ende die inzwischen verbauten diffusionsoffenen und kapillaraktiven „Multipor“ Mineraldämmplatten, die Feuchtigkeit speichern und wieder abgeben können. Später wichtig: Der Wandaufbau muss in allen Phasen im mineralischen System bleiben, die Platten dürfen also nicht mit einer Vinyltapete oder Kunstharzfarbe, die gegen Diffusion und Dampf einen hohen Widerstand aufbauen, überdeckt werden. „Dazu haben wir die Mieter, die im Sommer wieder eingezogen sind, eingehend informiert“, erzählt Solmaz. Sollten sich während des Monitorings schwerwiegende Probleme zeigen, wird das Torhaus im Nachgang doch noch mit einer Außendämmung versehen.
„Bei verrotteten Fenstern zeigte sich das Denkmalschutzamt kompromissbereit“
Ebenfalls entscheidend für ein stimmiges Gesamtbild und gleichzeitig eine gute Energiebilanz: Der Austausch und die Sanierung der Fenster, die in den 1980er-Jahren nachgerüstet worden sind. Grundierung, Imprägnierung und eine zweifache Lackschicht für die Holzrahmen sowie eine Doppelverglasung bringen einen U-Wert von 1,3. Wo es geht, sollen die Rahmen erhalten bleiben. „Waren sie allerdings stark verrottet, zeigte sich das Denkmalschutzamt immer kompromissbereit“, so Solmaz. Die Neuausführung der Holzfenster orientiert sich am ursprünglichen Entwurf, hat drei Flügel und ein Oberlicht. Um den originalgetreuen Zustand herstellen zu können und den olivgrünen Farbton für den Neuanstrich der Rahmen auszuwählen, haben die Denkmalschützer ebenfalls penibel geforscht und experimentiert. Der historisch belegte Farbbefund in Olivgrün, Beige, Blau und Grau für den Warmwasserblock wird sich später durch das gesamte Gebäude ziehen – vom Treppenhaus über die Flure bis zu den Küchen und Bädern. „Selbst bei den Gesimsabdeckungen und Fallleitungen sind wir der Farbfamilie treu geblieben“, berichtet Solmaz.
Gasheizung wurde gegen Blockheizkraftwerk ausgetauscht
Unkompliziert war die Dämmung von Dach und Keller: Für die Aufdachdämmung verwendete die SAGA herkömmliche PIR Hochleistungsdämmstoffe in einer Stärke von 16 Zentimetern, die Kellerdecke wiederum wurde mit fünf Zentimeter dicken Platten aus Mineralwolle versehen. Die alte Gasheizung ersetzt zudem ein neues Blockheizkraftwerk, welches das Gebäude nicht nur mit Wärme, sondern auch mit Strom versorgt.
Trotz dünner Dämmschicht reduziert sich Energiebedarf um fast drei Viertel
„Unterm Strich kann sich die energetische Gesamtbilanz trotz der größtenteils geringen Dämmstärke von vier Zentimetern für die Fassade wirklich sehen lassen“, sagt Solmaz. Der Primärenergiebedarf reduziert sich von 252 auf 66 Kilowattstunden pro Quadratmeter im Jahr und damit um fast drei Viertel. Damit springt der Warmwasserblock in den Energieeffizienzklassen von Kategorie G auf C. Für die 8.800 Quadratmeter Wohnfläche sinkt der CO2-Ausstoß so jährlich von 55,9 auf 19,4 Kilogramm pro Quadratmeter – eine Einsparung von rund 65 Prozent.
Aufgrund doppelter Förderung lässt sich das Sozialmietenniveau halten
Zur genauen Höhe der Investitionen will man sich bei der SAGA zwar nicht äußern. „Dank der Neubauförderung der Hamburgischen Investitions- und Förderbank für öffentlich geförderte Wohnungen, die bei umfangreichen Sanierungsmaßnahmen auch für den Bestand greift, kombiniert mit dem KfW-Programm Effizienzhaus Denkmal lassen sich die günstigen Mieten, die nach der Modernisierung bei 6,90 Euro pro Quadratmeter liegen, aber wirtschaftlich abbilden“, so SAGA-Pressesprecher Gunnar Gläser.
Bettina Brüdgam


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