Intelligente Beispiele für Neubauten und die Umnutzung des Bestandes
Der Deutsche Bauherrenpreis ist der wichtigste Preis im deutschen Wohnungsbau und wird von den drei auslobenden Verbänden GdW Bundesverband deutscher Wohnungsunternehmen, BDA Bund Deutscher Architektinnen und Architekten und Deutscher Städtetag bereits seit 1986 vergeben. Neben dem Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung, und Bauwesen wird der Preis von der DZ Hyp und dem bdla Bund Deutscher Landschaftsarchitekt:innen gefördert.
Insgesamt hatten sich in diesem Jahr 187 Projekte deutschlandweit für den Deutschen Bauherrenpreis beworben. Darunter befinden sich Neubauten, Modernisierungen und Umbauten. Aus der Vielzahl der Projekte wurden 29 Projekte für den begehrten Preis nominiert. Die interdisziplinär zusammengesetzte Jury unter dem Vorsitz von Susanne Wartzeck, Präsidentin Bund Deutscher Architektinnen und Architekten, zeichnete insgesamt fünf Projekte mit dem Deutschen Bauherrenpreis aus. Zwei weitere Beiträge erhielten einen Sonderpreis.
GdW-Präsident Axel Gedaschko wies angesichts der Preisverleihung daraufhin, dass die Herausforderung an das Bauen derzeit praktisch nicht zu lösen seien. „In der aktuellen Krisensituation wird bezahlbarer Wohnungsbau angesichts steigender Baukosten, Material- und Fachkräftemangel, explodierender Energiekosten, Zinsanstieg und einer völlig unzureichenden Förderung ungleich schwieriger bis unmöglich.“ Es sei daher wichtiger denn je, Rahmenbedingungen zu schaffen, die das Bauen in ‚Hoher Qualität zu tragbaren Kosten‘ weiterhin ermöglichen.
Thomas Kaup, Vizepräsident des Bund Deutscher Architektinnen und Architekten, betonte, dass der Einsatz für bezahlbares Wohnen zum gesellschaftlichen Engagement seiner Zunft gehöre. Dies stehe beim Deutschen Bauherrenpreis – neben der architektonischen Qualität – im Vordergrund. Darum gehöre der BDA von Anfang an zu den Mitauslobern des Preises. „In der Jury sind uns vor allem die vielen guten Beispiele für Umnutzung und Umbau des Bestandes aufgefallen, die ein Zeichen für verantwortliches Planen und Bauen angesichts des Klimawandels setzen“, sagte Thomas Kaup.
Im Folgenden stellen wir die Preisträger vor und dokumentieren die Begründungen der Jury für die Preisvergaben.
SheddachHalle, Kempten
- Bauherr: Sozialbau Kempten Wohnungs- und Städtebau GmbH, Kempten
- Architekt: Hagspiel Stachel Uhlig Architekten Part mbB, Kempten
Der Umbau einer denkmalgeschützten Industriehalle zu 46 geförderten Atelierwohnungen ist beispielhaft für den Umgang mit Baudenkmälern, deren ursprünglicher Nutzungszweck entfallen ist. Dabei wurde sowohl auf der Seite des Denkmalschutzes als auch auf der Seite der Wohnraumförderung offensichtlich „quergedacht“.
Die entstandenen Wohnungen sind hochattraktiv, entsprechen aber insbesondere in der gemeinschaftlich angelegten Nutzung der Freibereiche in wohltuender Weise einmal nicht den üblichen Standards. Neben den Wohnungen wurde in einen Teilbereich auch das „Digitale Gründerzentrum Allgäu“ integriert. So wird das außergewöhnliche Projekt, über die Bewohnerinnen und Bewohner hinaus, einem erweiterten Personenkreis zugänglich gemacht.
Der Aufwand der Sanierung hat sich in architektonischer und baukultureller Hinsicht bezahlt gemacht. Der Erhalt der Bausubstanz und der darin gespeicherten grauen Energie leistet einen Beitrag zum nachhaltigen Bauen. Der Umbau der denkmalgeschützten Industriehalle zeigt, wie wichtig und fruchtbar die Weiterentwicklung der Identität eines Ortes sein kann, und macht Mut zu ungewöhnlichen Lösungsansätzen.
Pergolenviertel, Hamburg
- Bauherr: SAGA Siedlungs- und Aktiengesellschaft, Hamburg
- Architekt: Winking Froh Architekten GmbH, Hamburg
Das Pergolenviertel überzeugt mit einem ausgesprochen starken städtebaulichen Konzept: Eine stringente Blockrandbebauung ergänzt sinnfällig die großmaßstäbliche Typologie des Standorts in Hamburg Nord. Die Strenge des Blocks wird durch die Materialität mit der durchgängigen Verwendung von Backstein unterstrichen. Alle Elemente – Block, Formensprache und Materialität – knüpfen an die große Hamburger Wohnungsbautradition an. Als prägende Besonderheiten wurden Torbauten, Durchwegungen und Arkaden („Pergolen“) in die Blockrandbebauung integriert. Dieser Aufwand in Entwurf und Bau schlägt sich erfreulicherweise nicht nachteilig in den Baukosten nieder. Der Blockinnenbereich wurde ebenfalls recht stringent, mit differenzierten Pflanz- und Baumfeldern, gestaltet. Den Bewohnerinnen und Bewohnern werden damit unterschiedlich Optionen zur individuellen Aneignung geboten.
Durch die hundertprozentige Förderung des Projekts können die Wohnungen zu einem sozial sehr verträglichen Preis angeboten werden. Damit können auch Haushalte mit geringerem Einkommen in den Genuss dieser mehr als angemessenen Wohnverhältnisse kommen – ein programmatisch richtungsweisender Aspekt.
Wohnquartier Arnheimweg, Münster-Gievenbeck
- Bauherr: Wohn + Stadtbau Wohnungsunternehmen der Stadt Münster GmbH
- Architekt: 3pass Architekten Stadtplaner Part mbB Kusch Mayerle BDA, Köln
Das neue Wohnquartier mit 65 Wohnungen in fünf Gebäuden ist ein klassisches Beispiel für die Weiterentwicklung bestehender Stadtstrukturen. Es hebt sich jedoch durch den aufgenommenen lichten Charakter der Nachbarbebauung, die durchgehende Drei-Geschossigkeit und das klare Volumen der einzelnen Häuser als Beispiel für effizientes Bauen von anderen Projekten positiv ab.
Die kluge ganzheitliche Herangehensweise spiegelt sich auch in den Baukosten wider. Entgegen der sonst üblichen Riegel-Punkt- Haus-Geometrie liegt das Besondere des Projektes in den abgeknickten Gebäudekonturen. Sie schaffen Großzügigkeit und erlebbare Gartenräume mit hoher Aufenthaltsqualität. Der fließende Charakter des Freiraums innerhalb der Wohnanlage schließt nahtlos an die Strukturen der angrenzenden Grundstücke an.
Die zurückhaltende, aber elegante Gestaltung mit umgebungsbezogener Materialauswahl schafft nachhaltig Identität und Wertigkeit. Ein vielfältiger Wohnungsmix von Wohneigentum und geförderten Wohnungen bietet eine gute Basis für das Zusammenleben von Menschen mit verschiedenen Bedürfnissen und Lebensweisen.
Spiegelfabrik, Fürth
- Bauherr: Spiegelfabrik Planungs-GbR, Fürth
- Architekt: Heide & von Beckerath, Berlin
Auf dem Gebiet einer ehemaligen Spiegelfabrik entstanden in enger Abstimmung mit den zukünftigen Nutzerinnen und Nutzern 58 neue Wohneinheiten. Das Konzept, an dieser Stelle ein gemeinschaftsorientiertes und generationenübergreifendes Wohnen anzubieten, führte zu einem Mix aus genossenschaftlichem und selbstgenutztem Wohnraum. Werkstätten, variable Arbeitsräume, ein Nachbarschaftszentrum und ein zentraler Gemeinschaftsraum mit Küchesind ergänzende Angebote für die Bewohnerinnen und Bewohner des Quartiers.
Auf dem länglichen Grundstück entstanden zwei Kopfbauten, die über ein Verbindungsgebäude mit Laubengängen verbunden sind. Spannend ist hierbei der Seitenwechsel der Erschließungszonen in der Gebäudemitte. Diese Zonen bilden durch den Einsatz von T-Stützen kleine kommunikationsfördernde Eingangsbereiche vor den Wohnungen aus. Neben der effizienten Ausnutzung des Grundstücks wurde auch bei der Materialwahl nachhaltig gedacht. Entstanden ist eine robuste Holzhybridkonstruktion mit einem hohen Energiestandard und einer Eigenstromproduktion von 60 Prozent. Ein Carsharing-Angebot reduziert die notwendigen Stellplätze, weitläufige Gründächer und Gärten sollen ein angenehmes Mikroklima schaffen.Die Spiegelfabrik Fürth bietet ein äußerst gelungenes und vielfältiges Angebot für unterschiedlichste Bewohnergruppen. Das Projekt hat Vorbildcharakter für die Entwicklung und Nachverdichtung schwieriger innerstädtischer Räume.
EUROPAN 12 – Wohnanlage in urbaner Südstadt, Nürnberg
- Bauherr: wbg Nürnberg GmbH Immobilienunternehmen
- Architekt: FABRIK·B Architekten, Berlin
Die Wohnanlage mit 132 Wohneinheiten in der Südstadt von Nürnberg setzt die Ziele des 12. Europan Wettbewerbs beispielhaft um. Der vorhandene kleinteilige Städtebau der 1920er-Jahre wird zu einem lebenswerten urbanen Quartier weiterentwickelt. Der Neubau integriert sich als Blockrandbebauung in die vorhandenen städtebaulichen Strukturen. Die Baukörper nehmen mit ihrer Höhenstaffelung die angrenzende Nachbarbebauung auf. Während zur lärmbelasteten Straße hin die Fassaden geschlossener wirken, vermittelt der Innenhof mit farbigen Öffnungen und verschiebbaren Sonnenschutzelementen einen fast heiteren Charakter. Der begrünte Innenhof ist kommunikativer Mittelpunkt der neuen Wohnanlage.
Mit einem Wohnungsmix von 1- bis 5-Zimmer-Wohnungen, davon 37 Prozent öffentlich gefördert, wird der Anspruch an eine sozialintegrative Gestaltung des neuen Stadtbausteins konsequent umgesetzt. Der hohe Anteil an barrierefreien Wohneinheiten, einem Kinderhort sowie einem ausgewogenen Gewerbeangebot unterstützen den inklusiven Ansatz. Damit werden nicht nur innerhalb der Wohnanlage unterschiedliche Lebensformen zusammengeführt, es wird auch für das Quartier ein Mehrwert geschaffen.
Dass sich die Gesamtwohnfläche um das Dreifache gegenüber der Ausgangslage erhöht, ist beispielgebend für die anstehenden Herausforderungen der Städte und den Stadtumbau in Bezug auf die Schaffung von Wohnraum und verdient besondere Anerkennung.
Thomas Engelbrecht
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