Seit einem Jahr keine Förderung für den altersgerechten Umbau
Noch 2021 war der Fördertopf aufgrund der großen Nachfrage von 75 Millionen auf 130 Millionen aufgestockt worden. Die Wohnungswirtschaft hat laut einer Umfrage der IVV Verständnis für die fiskalischen Herausforderungen durch die Energiewende und aktuell verstärkt durch das Russland-Embargo als Folge des Kriegs in der Ukraine. Gleichzeitig warnen die Unternehmen davor, mit Blick auf die wachsende Nachfrage nach barrierefreiem Wohnraum relevante Investitionen nicht unter den Tisch fallen zu lassen. Nur 1,5 Prozent der Wohnungen in Deutschland seien altersgerecht. Angesichts einer rechnerisch prognostizierten Zahl von 3,7 Mio. Haushalten mit mobilitätseingeschränkten Menschen werden im Jahr 2035 etwa zwei Millionen barriererearme Wohnungen fehlen, so eine Studie des Instituts für Wohnen und Umwelt (IWU). Um mehr Wohnhäuser altengerecht zu modernisieren, müsse der Staat eine Förderung von drei Milliarden Euro jährlich bieten, so Schätzungen der ARGE Kiel. Hinzu komme, dass durch den Verbleib älterer Menschen in der eigenen Wohnung stationäre Pflegekosten von jährlich rund 100 Millionen Euro eingespart würden.
GdW: KfW-Programm sollte unbedingt weitergeführt werden
Für den Bundesverband der Wohnungswirtschaft (GdW) forderte Dr. Claus Wedemeier, Referatsleiter Demografie, die Bundesregierung auf, das KfW-Programm „Altersgerecht umbauen“ unbedingt weiterzuführen. „Denn bei all den Diskussionen um die Energiewende dürfen wir andere gesellschaftlich relevante Investitionen nicht vergessen“, so Wedemeier. Die Wohnungswirtschaft fordert die Bundesregierung seit Jahren auf, die Zuschussvariante des KfW-Förderprogramms „Altersgerecht umbauen“ auch für professionelle Unternehmen zu öffnen, um mehr Umbauten im Bestand finanzieren zu können. Hier liege das größte Potenzial.
Was die Nachfrage nach barrierefreien Wohnungen betrifft, sei diese bei den rund 3.000 GdW-Mitgliedsunternehmen unterschiedlich ausgeprägt und hänge stark vom jeweiligen Wohnquartier ab.
Die in den regionalen Mitgliedsverbänden organisierten Unternehmen sind überwiegend klassische Bestandshalter. Sie setzen bei ihren knapp sechs Millionen Wohnungen auf ein nachhaltiges Geschäftsmodell. Ihre Ziele sind eine langfristige Sicherung des Wohnungsbestands durch eine jeweils möglichst für alle Generationen und Ansprüche angepasste bauliche Ausstattung und Sanierung, um bestehende Mieterinnen und Mieter zu halten. „Barrierefreiheit nach DIN 18040 ist jedoch im Bestand baulich nicht immer wirtschaftlich herstellbar und häufig auch nicht nachgefragt, sofern Mieter nicht auf einen Rollstuhl oder andere besondere Hilfen angewiesen sind“, so Dr. Wedemeier.
Der GdW verweist auf Studien von Prognos von 2014 und Pestel von 2018, die von einem zusätzlichen Bedarf bis 2030 von rund 3 Millionen Wohnungen ausgehen. „Die Kosten dürften angesichts der aktuell stark gestiegenen Baupreise bei deutlich über 60 Mrd. Euro liegen, dies ergibt einen rechnerischen Aufwand von rund 20.000 Euro pro Wohnung“, rechnet der GdW vor. „Nach unserer Prognose weisen rund 514.000 Wohneinheiten von rund sechs Millionen (8,6 %) GdW-Wohnungen einen barrierearmen oder barrierefreien Standard auf. Das sind 8,6 Prozent aller GdW-Wohnungen. Allerdings beträgt der barrierefreie Anteil nach DIN wahrscheinlich nur etwa 1 Prozent. Bundesweit sind insgesamt nur etwa 2,3 Prozent – rund 1.000.000 Wohnungen – altersgerecht ausgestattet.“ Das KfW-Programm „Altersgerecht umbauen“ sollte unbedingt weitergeführt werden.
BFW: Immer mehr Vorschriften
Für den Bundesverband Freier Wohnungs- und Immobilienunternehmen (BFW) erklärt Bundesgeschäftsführer Markus Weidling: „Die immer zahlreicher werdenden Vorschriften und Anforderungen an den Wohnungsbau führen zu steigenden Kosten, die immens sind. Das trifft auf alle Bereiche zu. Daher ist es umso wichtiger, eine auskömmliche staatliche Förderung für den Wohnungsneubau zur Verfügung zu stellen, damit alle Bevölkerungsgruppen profitieren können, auch die mit geringeren finanziellen Möglichkeiten und auch diejenigen, die im hohen Alter barrierefrei ihren wohlverdienten Ruhestand genießen wollen.“
Immobilienentwickler, die bezahlbar bauen wollen, würden aktuell im Stich gelassen, kritisiert Simon Hübner, Vorstand der GBI Holding. Das gelte gerade auch im Bereich von Angeboten für Senioren. Denn bei geförderten oder preisreduzierten Projekten müssten immer alle Bausteine genau passen und kalkulierbar sein, damit eine Investition sich trotz der geringeren Einnahmen noch rechnet. „Und das verwirrende Hin und Her bei der KfW-Förderung, bei der die Unsicherheit ja wahrscheinlich bis zum Jahresende andauert, ist nicht der einzige bremsende Faktor. Hinzu kommen die Zinserhöhungen, erhebliche Baupreissteigerungen, die Lieferschwierigkeiten bei Material und natürlich der Krieg in der Ukraine. Als Konsequenz werden vor allem bezahlbare Wohn-Projekte verschoben oder sogar ganz aufgegeben. Nicht nur von uns, sondern in der gesamten Branche“, so GBI-Vorstand Hübner. Dabei werde der Entwickler einer Luxus-Senioren-Residenz wahrscheinlich Spielraum haben, sein Projekt weiterzuverfolgen. „Aber bei Projekten für die große Masse der Durchschnittsrentner werden sich die meisten Vorhaben einfach nicht mehr rechnen. Für eine Politik, die gerade im Bereich des bezahlbaren Wohnens Erfolge erzielen wollte, ist die derzeitige Situation fatal.“
HSB Bauträger & Immobilien GmbH: Flankierende Maßnahmen
Die in Bad Marienberg im Westerwald ansässige HSB Bauträger & Immobilien GmbH hofft ebenfalls auf die Fortsetzung des KfW-Programms, setzt aber gleichzeitig auf flankierende Maßnahmen. Geschäftsführer Dr. Harry Schmidt-Bovendeert, der mit seinem Unternehmen seit 25 Jahren im Bereich Betreutes Wohnen und Altenpflegeheime tätig ist, sagt, dass es bereits heute aufgrund der enorm gestiegenen Baupreise und unzureichenden Investitionskostenzuschüsse kaum noch machbar sei, in neue Altenpflegeheime zu investieren. Er fordert eine Anpassung der Investitionskostenzuschüsse für Altenpflegeheime an die gestiegenen Baukosten.
Dr. Schmidt-Bovendeert verweist auf den Riesenbedarf an Wohnungen im Betreuten Wohnen und Service Wohnen, der von Jahr zu Jahr größer werde. Gleichzeitig könnten die Mieten von den Bewohnern oder den Angehörigen schon heute kaum noch aufgebracht werden. Das habe dazu geführt, dass die Wohnungen im Betreuten Wohnen kleiner werden und aus Kostengründen immer häufiger auf angebotene Zusatzleistungen der Betreuungspartner verzichtet werde. Der mittelständische Unternehmer hofft auf eine Sensibilisierung von Entscheidern auf verschiedenen Ebenen. So sei unter anderem ein Umdenken auf dem Arbeitsmarkt nötig. „Berufe im Handwerk müssen wesentlich attraktiver gestaltet werden, um wenigstens dem Fachkräftemangel auf dem Bau entgegenzuwirken“, so Dr. Schmidt-Bovendeert.
Christina Hövener-Hetz
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