Ursachen und Auswirkungen des Fachkräftemangels
Der aktuelle Mangel an qualifizierten Arbeitskräften ist insgesamt historisch hoch. Das KfW-ifo-Fachkräftebarometer vom Dezember 2023 verzeichnet, dass im vierten Quartal des Jahres rund 39 Prozent der Unternehmen in Deutschland ihre Geschäftstätigkeit durch die fehlende Verfügbarkeit von Fachkräften beeinträchtigt sahen. Dieser Mangel ist in nahezu allen Wirtschaftsbereichen präsent und besonders im Dienstleistungssektor zu spüren, wo mittlerweile 45 Prozent der Unternehmen Schwierigkeiten beklagen. Damit gehört auch die Immobilienverwaltung zu den stark betroffenen Branchen.
Der Bedarf an Fachkräften ist hoch und wird weiter wachsen
Die steigende Nachfrage nach Personal zeigt sich deutlich: Laut VDIV-Branchenbarometer 2024 stimmen 74,1 Prozent der Teilnehmenden der Aussage zu, dass mehr qualifiziertes Personal in der Immobilienverwaltung benötigt wird, um die wachsenden Aufgaben zu bewältigen. Allerdings gehen 94,2 Prozent davon aus, dass sich der Fachkräftemangel weiter verschärfen wird. Bereits im Jahr 2023 hatten 57,4 Prozent der befragten Immobilienverwaltungen offene Stellen, von denen 42,1 Prozent nicht besetzt werden konnten. Fast ein Viertel aller Befragten, konkret 24,2 Prozent, war demnach mit dieser Problematik konfrontiert. Im Durchschnitt blieben über alle Unternehmensgrößen hinweg 1,5 Vollzeitstellen und 1,1 Teilzeitstellen unbesetzt.
Um den akuten Bedarf an Personal in der Immobilienverwaltung besser zu veranschaulichen, lohnt sich ein Blick auf eine weitere Erhebung: In einer Blitzumfrage vom März 2023 gaben 85 Prozent der rund 1.600 befragten Immobilienverwaltungen an, dass ihnen die Mitarbeiter fehlen, um die anstehenden Sanierungsprojekte umsetzen zu können.
Viele Unternehmen sehen sich mit der Frage konfrontiert, wie sie trotz der schwierigen Marktsituation neue Mitarbeiter gewinnen können. Ein höheres Gehalt allein wird nicht ausreichen. Neben der Vergütung spielt auch das Thema Work-Life-Balance eine immer größere Rolle – ein Anspruch, dem viele Immobilienverwaltungen nur schwer gerecht werden können.
Denn oft wird von den Beschäftigten erwartet, dass sie die Anliegen der Eigentümer in langen Telefonzeiten betreuen und die Erreichbarkeit sicherstellen. Gleichzeitig finden die meisten Eigentümerversammlungen nach wie vor am Abend, in der Regel nach 17 Uhr, statt. Dieses Modell lässt kaum Flexibilität zu, was für viele Fachkräfte eine abschreckende Wirkung hat. Der „VDIV-Verwalter-Monitor – Bestandsaufnahme Versammlungszeitbeginn einer Wohnungseigentümerversammlung“ vom Juli 2024 zeigt, dass über 90 Prozent der befragten Verwaltungen einen früheren Beginn der Versammlungen vor 17 Uhr bevorzugen. Etwa 53 Prozent der Befragten halten den Zeitraum zwischen 15 und 17 Uhr für ideal, während knapp 32 Prozent eine Startzeit zwischen 12 und 15 Uhr befürworten. Rund 83 Prozent der Verwaltungen sehen in einem frühen Versammlungsbeginn einen wichtigen Faktor für eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit Wohnungseigentümergemeinschaften.
Für mehr Effizienz ist Automatisierung notwendig
Damit die Zusammenarbeit effizienter wird und Aufgaben in kürzerer Zeit bewältigt werden können, wird auch der Einsatz neuer Technologien immer wichtiger. Ein steigender Grad an Digitalisierung und Automatisierung kann dabei helfen, Arbeitsabläufe zu optimieren. Künstliche Intelligenz kann zum Beispiel unterstützen, indem sie einfache Anfragen, wie Schadensmeldungen, Routineaufträge oder den Datenaustausch selbstständig bearbeitet und beantwortet. Dadurch entstehen Freiräume für die Bearbeitung komplexerer Anliegen und Prozesse können optimiert werden. So wird nicht nur die Arbeitsbelastung reduziert, sondern auch die Effizienz der Verwaltung erhöht.
Neue Arbeitsteilung zwischen Verwaltung und Eigentümergemeinschaft
Auf Eigentümergemeinschaften kommen ebenfalls neue Herausforderungen zu, denn durch gesetzliche Vorgaben zur Digitalisierung und zur Klimawende werden sie in die Pflicht genommen, sich intensiver mit dem Zustand und der Erhaltung ihrer Gebäude zu beschäftigen. Diese Aufgabenbereiche umfassen das Erheben von Gebäudedaten und die Planung notwendiger Sanierungsmaßnahmen. Je nach Ausrichtung der Verwaltung könnte es in Zukunft eine Lösung sein, dass Verwaltungen nur noch bestimmte Aufgabenbereiche – beispielsweise die Abrechnung – übernehmen, während Eigentümergemeinschaften oder deren Verwaltungsbeiräte andere Verantwortlichkeiten wie das Einholen von Angeboten selbst durchführen. Diese Teilung der Aufgaben könnte es den Eigentümergemeinschaften ermöglichen, flexibler auf die Herausforderungen der Zukunft zu reagieren und die Verwaltung zu entlasten.
Gemeinschaften müssen sich auf Neues einlassen
Im Zuge dieser Entwicklungen wird es für Verwaltungen notwendig, noch stärker zu selektieren und beispielsweise komplizierte Eigentümergemeinschaften aus ihrem Portfolio zu nehmen. Das dient sowohl der Effizienz der Verwaltung als auch dem Schutz der Beschäftigten. Laut Branchenbarometer 2024 haben bereits 42,9 Prozent der befragten Verwaltungen eine Mindestgröße für neue Mandate festgelegt, wobei die häufigste Angabe eine Mindestgröße von zehn Wohneinheiten war. Zudem geben 15,6 Prozent der Verwaltungen an, derzeit keine neuen Wohnungseigentümergemeinschaften mehr aufzunehmen. Dieser Trend zeigt, dass die Verwaltungen ihre Ressourcen effizienter einsetzen und gleichzeitig die Arbeitsbelastung ihrer Teams besser steuern möchten.
In den kommenden Jahren werden viele Verwaltungen ihr Geschäftsmodell wohl an veränderte Marktbedingungen anpassen. Eine Möglichkeit besteht darin, rein digitale Verwaltungsmodelle oder einen abgespeckten Leistungskatalog anzubieten. Für Wohnungseigentümergemeinschaften bedeutet dies jedoch, dass es zunehmend schwieriger werden wird, eine professionelle Verwaltung zu finden, die umfassende Dienstleistungen anbietet. Es zeichnet sich ab, dass Eigentümergemeinschaften in Zukunft flexibler und stärker involviert sein müssen, um eine effiziente Verwaltung sicherzustellen.
Fazit
Insgesamt ist der Fachkräftemangel in der Immobilienverwaltung ein ernstes und komplexes Problem, das nur durch ein Zusammenspiel von fairer Vergütung, verbesserten Arbeitsbedingungen und einem hohen Maß an Digitalisierung bewältigt werden kann. Der Weg zu einer dauerhaften Lösung erfordert von allen Beteiligten – Verwaltungen, Eigentümergemeinschaften und Gesetzgeber – eine gemeinsame Anstrengung und die Bereitschaft, neue Ansätze auszuprobieren. Nur so kann die Immobilienverwaltung langfristig als für Fachkräfte attraktive Branche bestehen und nur so können sowohl Unternehmen als auch Gemeinschaften den wachsenden Anforderungen gerecht werden.
An der Befragung von Februar bis April 2024 im Rahmen des Branchenbarometers nahmen 991 Unternehmen teil.
Der Auswertung liegen die auswertbaren Umfrageergebnisse von bis zu 488 Immobilienverwaltungen aus ganz Deutschland – sowohl Mitgliedern als auch Nicht-Mitgliedern des Verbandes – zugrunde.
Das Branchenbarometer kann hier erworben werden: https://vdiv.de/publikationen/studienumfragen
Ergebnisse des VDIV-Branchenbarometers 2024
Zu häufig keine leistungsgerechte Vergütung (Teil 1)Wo stehen Verwaltungen bei Heizungstausch und Sanierung? (Teil 2)
Ursachen und Auswirkungen des Fachkräftemangels(Teil 3)
Martin Kaßler
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