Wohnungseigentümer sollen Protestbriefe schreiben
Wohnen im Eigentum befürchtet, dass durch die rein virtuelle Eigentümerversammlung „ältere, hörgeschädigte, technikferne und bildungsbenachteiligte Eigentümer ausgegrenzt und WEGs gespalten werden können“. Im Frühsommer hat das Bundesjustizministe-rium einen Referentenentwurf für ein erweitertes Wohnungseigentumsgesetz vorgelegt. Danach soll im § 23 des WEG festgeschrieben werden, dass Eigentümerversammlungen mit drei Viertel der abgegebenen Stimmen beschließen können, dass Versammlungen und Beschlussfassungen auch rein digital stattfinden können.
Schon damals hatte Wohnen im Eigentum empört auf den Gesetzesvorstoß reagiert und von einer „Ausgrenzung älterer und nicht-onlineaffiner Eigentümer“ gesprochen. Weiterer Kritikpunk: Das Justizministerium würde die Bedenken des Verbraucherschutzverbandes ignorieren und allein den Wünschen der Verwalterinteressenverbände folgen. Nach Ansicht von WiE-Vorständin Gabriele Heinrich, ist „der Entwurf eindeutig nur auf Verlangen von Verwalterverbänden und großen Wohnungsgesellschaften verfasst worden“. Daher hat WiE nun eine Aktion mit Protestschreiben initiiert – und fordert Wohnungseigentümer auf, sich an das Bundesjustizministerium und verschiedene Bundestagsabgeordnete zu wenden. Sie sollen dem BMJ und wichtigen Politiker vermitteln, welche Probleme es bereits jetzt mit Eigentümerversammlungen gebe, die durch reine Online-Versammlungen noch verstärkt würden, und wie schwierig es bereits jetzt sei, Eigentümerversammlungen ordnungsgemäß durchzuführen.
VDIV begrüßt den Entwurf uneingeschränkt
Der Verband der Immobilienverwalter Deutschland (VDIV) hat die gesetzliche Grundlage für die virtuelle Eigentümerversammlung uneingeschränkt begrüßt. „Der vorliegende Entwurf ist kurz, knapp und gut – und er vereinfacht das Wohnungseigentumsrecht“, so die erste Reaktion von VDIV-Geschäftsführer Martin Kaßler. Das hohe Beschluss-Quorum von 75 Prozent Zustimmung der Eigentümer zur virtuellen Versammlung sorge dafür, so Kaßler weiter, dass die breite Mehrheit dafür stimmen muss. Wie bisher auch könnten Eigentümer, die nicht an der Versammlung teilnehmen, von ihrem Vollmachtsrecht Gebrauch machen. Niemand werde also ausgeschlossen. Die Möglichkeit der reinen Online-Versammlung könne trotz Personalmangels die professionelle Verwaltung von kleineren Gemeinschaften weiterhin sicherstellen.
Auch Genossenschaftsgremien sollen virtuell tagen können
Unterdessen arbeitet das Bundesjustizministerium an der Ausweitung von virtuellen Versammlungen in Genossenschaften. Vorstands- und Aufsichtsratssitzungen von Genossenschaften sollen künftig auch als virtuelle oder hybride durchgeführt werden können. Nach Angaben des VDIV gibt es ein entsprechendes Eckpunktepapier des Bundesjustizministeriums für den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Genossenschaften.
Konkret vorgesehen seien Regelungen zu digitalen Formen der Sitzung und Beschlussfassung durch Vorstand und Aufsichtsrat. Die Pläne knüpfen an das Gesetz zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften an. Darin wurde als Alternative zur herkömmlichen General- und Vertreterversammlung in Präsenz die virtuelle Versammlung ausschließlich unter Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel verankert. Auch eine hybride Versammlung, bei der die Mitglieder wählen zwischen einer Teilnahme in Präsenz oder auf elektronischem Wege, ist nun gesetzlich möglich. Außerdem kann eine Versammlung im gestreckten Verfahren durchgeführt werden. Dabei wird zunächst eine virtuelle oder hybride Erörterungsphase und anschließend schriftlich oder über elektronische Kommunikation eine Abstimmungsphase durchgeführt.
Diese Optionen sollen nach dem Willen des Justizministeriums auch für Vorstands- und Aufsichtsratssitzungen sowie für die Gründungsversammlung einer Genossenschaft möglich sein. Die Neuregelung virtueller Versammlungsformate soll Teil eines Maßnahmenpaketes sein, mit dem das BMJ verbesserte Rahmenbedingungen für die weitere Digitalisierung von Genossenschaften etablieren möchte. Vorgesehen ist unter anderem auch, dass die Schriftform nicht mehr die Regel, sondern die Ausnahme sein soll. Weitere Vorschläge betreffen Beschlussfassungen sowie die digitale Informationsversorgung der Genossenschaftsmitglieder.
Das Eckpunktepapier wurde unter anderem Verbänden zur Stellungnahme bis zum 29. September 2023 zugesandt. Die Frist für die Verbändeanhörung zur Erweiterung des Wohnungseigentumsgesetzes endete am 7. Juli. Wann das Bundeskabinett und anschließend der Bundestag die WEG-Reform verabschieden war zunächst unklar. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird das geänderte WEG nicht vor 2024 in Kraft treten. (Red.)
Redaktion (allg.)
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