CO2-frei, enttechnisiert, energieautark

Wohnzukunft beginnt mit fünf energieautarken Gebäuden

In Deutschland fehlen Hunderttausende Wohnungen. Dennoch sinkt die Zahl der Bauanträge. Explodierende Kosten fressen die Mietrenditen, zusätzlich verbleibt die neu eingeführte CO2-Steuer beim Vermieter. Konzepte mit umfassenden Lösungen sind gefragt: zu Bauweise, Energieversorgung und Technik. Nur Modelle, die das wirtschaftliche Interesse beider Seiten im Blick haben, schaffen leistbaren Wohnraum für Mieter bei gleichzeitigem Investitionsanreiz für Vermieter.

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Auch Fassadenelemente werden zur Erzeugung von Energie genutzt. Je mehr Energie ein Gebäude erzeugt, je höher sind die Einsparungen sämtlicher Energiekosten. Bild: UKBS
Auch Fassadenelemente werden zur Erzeugung von Energie genutzt. Je mehr Energie ein Gebäude erzeugt, je höher sind die Einsparungen sämtlicher Energiekosten. Bild: UKBS

Solche zukunftsträchtigen Häuser, die sämtliche relevanten Faktoren und ihre Wechselwirkungen sprichwörtlich unter ein Dach bringen, übergibt die Unnaer Kreis-Bau- und Siedlungsgesellschaft mbH (UKBS) Anfang Dezember an ihre Mieter. Die fünf Mehrfamilienhäuser in der Heinrichstraße versorgen sich zukünftig selbst mit Wärme, Strom und Elektromobilität aus der Sonne. Sie basieren auf dem Konzept der „enttechnisierten, hochgradig energieautarken Gebäude“ des Autarkieteams rund um den Energiewissenschaftler Prof. Timo Leukefeld. 35 Wohnungen mit Wohnflächen zwischen 65 und 95 Quadratmetern entstanden auf dem knapp 6.000 Quadratmeter großen Areal. Jede Wohneinheit ist für E-Mobilität vorbereitet, die sich aus dem selbst gewonnenen Sonnenstrom speist. Zudem besteht ein E-Car-Sharing Angebot. Umgeben sind die Gebäude von einem naturnah gestalteten Gemeinschaftsgarten. 41 Stellplätze für Pkw und 100 für Fahrräder ergänzen das Wohnangebot.

„Unsere Gebäude verzichten im laufenden Betrieb vollkommen auf fossile Energieträger. Das neuartige, langlebige Infrarot-Heizsystem reduziert die Baukosten und kommt ohne Wartung aus“, erläutert Matthias Fischer, Geschäftsführer der UKBS, die verschiedenen Vorteile. CO2-frei im Betrieb, sind diese enttechnisierten, energieautarken Gebäude ökologisch einzigartig. Ein darauf basierendes Geschäftsmodell sichert Investoren und Vermietern rentable Mieteinnahmen und ihren Bewohnern Sicherheit und Unabhängigkeit in Bezug auf Wohnen und Mobilität.

Ein durch und durch nachhaltiges Konzept, das umweltbezogene (ökologische), wirtschaftliche und soziale Dimensionen gleichwertig berücksichtigt und damit eine dauerhaft zukunftsfähige Entwicklung begründet (Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit) (1). Die Bundesregierung sieht hochgradig selbstversorgende Häuser im Passivhausstandard erst ab 2045 als Baustandard vor.

Ökologisch – energieautark durch die Sonne

Die fünf Häuser der UKBS folgen dem Grundsatz: Form follows Energy! Pultdächer, optimal zur Sonne hin ausgerichtet, sammeln Sonnenenergie über großflächige Photovoltaikmodule. Ebenso die nach Süden ausgerichteten Fassadenflächen. Sie liefern die Energie, mit der sich die Gebäude selbst mit Wärme sowie Strom für Haushalt und Mobilität versorgen, und machen diese zu 50 bis 70 Prozent energieautark.

Was auf Dächern und Fassaden beginnt, setzt sich in den Heizräumen fort. „Die Presse bezeichnet Heizkeller als die „größte Hoffnung in Sachen Energiewende und Klimaschutz“, weiß Timo Leukefeld, Energiewissenschaftler und Entwickler des Konzepts. „Dafür musste sich darin jedoch etwas von Grund auf ändern. Unsere Häuser erfüllen diese Hoffnung, indem wir mit allem aufräumen, was sich in Heizkellern üblicherweise befindet.“ Statt Heizkessel, Wärmepumpen, Fußbodenheizungen, Heizkörper, zentrale Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung, zentrale Warmwasserboiler, -leitungen und -zirkulation oder BUS-Systeme, kurz: statt tonnenweise CO2-emittierender, wartungsintensiver Technik, befindet sich in den Heizräumen der fünf Gebäude in Unna nichts, außer einem minimalistischen Sonnenstrom-Speicher.

High „Low-Tech“ – wirklich intelligente Technologie

Dieser Akku speichert den über die Photovoltaikmodule gesammelten Strom für den häuslichen Gebrauch (über einen Zeitraum von etwa einem Tag). Für wohlige Wärme sorgt in den Gebäuden eine moderne, langlebige Strahlungsheizung auf Infrarotbasis. Diese erwärmt statt der Luft Oberflächen. Wände, Decken und Fußböden werden zu „Heizkörpern“, die Wärme speichern und zeitversetzt wieder abgeben. Außerdem entfallen die für herkömmliche Heizungen üblichen Rohrleitungs- sowie Hydrauliksysteme. Das Warmwasser bereiten sogenannte Autarkieboiler dezentral und elektrisch. Durch und durch „Technik-Minimalist“, benötigt das gesamte Gebäude daher lediglich Strom- und Kaltwasserleitungen. Diese seit Jahrzehnten bewährten, soliden und langlebigen Komponenten machen die gesamte Heiz- und Warmwassertechnik annähernd wartungsfrei – mit immensen wirtschaftlichen Einsparungen.

Seit Jahren gesellen sich zur Kaltmiete (1. Miete) stetig steigende Betriebskosten, insbesondere für Heizung, Warmwasser sowie Haushaltsstrom. Inzwischen sind diese so hoch, dass man von einer „2. Miete“ sprechen kann. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, schreiben Gesetze und Richtlinien wie das Gebäudeenergiegesetz (GEG) aufwendige Technik vor. Ja, sie locken sogar mit KfW-Fördermitteln für eine entsprechende Umsetzung im Wohnungsbau.

Dabei ist viel Technik nicht per se schlau: Sie treibt zum einen die Investitionskosten in die Höhe. Zum anderen müssen sämtliche technischen Komponenten permanent gewartet und repariert werden. Fachkräftemangel und steigende Handwerker-Löhne treiben diese Kosten in die Höhe und akkumulieren sich, inzwischen zu einer „3. Miete“. Kürzere Lebensdauern der einzelnen Technikkomponenten führen zudem zu stetigen, kostenintensiven Neuanschaffungen. Ein Beispiel: Hielten Heizkessel um die Jahrtausendwende noch etwa 30 bis 40 Jahre, ist deren Lebensdauer heute auf etwa die Hälfte gesunken.

Auch die klimatische Entwicklung spricht inzwischen gegen zu viel Heiz- und Gebäudetechnik: Aufgrund der steigenden Temperaturen einerseits und verbesserten Gebäudehüllen andererseits verliert das Heizen an Bedeutung. Bei Neubauten übersteigen schon heute die Instandhaltungskosten dieser aufwendigen Technologie diejenigen der dadurch eingesparten Energie bei Weitem. Die gesetzlichen Vorschriften im Zusammenhang mit energieeinsparender Technik führen daher häufig lediglich zu höheren Investitionskosten, die in keinem Verhältnis zu den jährlichen Heizkosten stehen (man spricht von „abnehmendem Grenznutzen“).

Die enttechnisierten, energieautarken Gebäude beziehen mit ihrem „Low-Tech“-Ansatz die sozio-ökonomische Entwicklung (Aufwand für Wartung und Reparatur) sowie die dynamische Entwicklung von Klima und Wetter mit ein. Eine sehr gut dämmende Gebäudehülle sorgt mit entsprechender Speichermasse für geringsten Heizwärmebedarf. Zusammen mit Photovoltaik und Stromspeicher erreichen diese Gebäude einen Autarkiegrad von 50 bis 70 Prozent.

Bezieht das Gebäude die restliche Energie als Ökostrom, wird CO2-freies Wohnen von einer Zukunftsvision zur ökologisch einzigartigen Realität. Es befreit die Gebäude von der seit 2021 verhängten und stetig steigenden CO2-Abgabe, durch die Vermieter herkömmlicher Häuser deutliche Einbußen ihrer Renditen erfahren.

Wirtschaftlich – lukrative Geschäftsmodelle mit hohen Renditen

Das Konzept der energieautarken Gebäude mit ihrer radikalen Enttechnisierung eröffnet ein neuartiges Geschäftsmodell: „Indem wir die zukünftigen Betriebskosten in die Investitionskosten mit einbezogen haben, können wir als Vermieter für die Dauer von fünf Jahren feste Pauschalmieten mit Energieflatrate in Höhe von 13,50 Euro pro Quadratmeter anbieten. Ein landesweit einzigartiges Modell,“ so Matthias Fischer, Geschäftsführer der UKBS. „Diese Pauschalmieten enthalten neben dem Entgelt für Wohnen die Kosten für Wärme, Strom und E-Mobilität. Hinzu kommen dann lediglich noch die allgemeinen Betriebskosten (für Wasser, Abwasser u.a.) als Vorauszahlung in Höhe von zwei Euro pro Quadratmeter.“

Dieses Modell gibt zum einen größere Flexibilität bei der Kalkulation des Mietpreises. Mit zwei bis vier Euro höheren Mieteinnahmen pro Quadratmeter liegt die Rendite deutlich über der ortsüblichen Kaltmiete eines Mehrfamilien-Neubaus. Das bietet Anreiz, in Immobilien zu investieren.

Zum anderen sorgen Pauschalmieten mit Energieflatrate für eine engere und langfristigere Kundenbindung. Längere Verweildauern in den Wohnungen ersparen stete Mieterwechsel sowie den damit verbundenen Renovierungs- und Verwaltungsaufwand sowie eventuelle Rechtsstreitigkeiten.

Sozial – unabhängige und selbstbestimmte Mieter

Auch für die Mieter, die ab Anfang Dezember 2023 die 35 Wohnungen in Unna-Königsborn beziehen, ergeben sich viele Vorteile. Das „Rundum-Sorglos-Paket“ sichert die Grundversorgung mit Wärme, Strom und Mobilität. Über einen langen Zeitraum vor den stetig wachsenden Nebenkosten-Forderungen geschützt, bietet das Modell, insbesondere in Zeiten steten Kaufkraftverlusts, Sicherheit.

Darüber hinaus sieht das Konzept eine gewisse Anzahl von E-Autos vor, die im Rahmen eines Car-Sharings kollektiv genutzt werden können. Auf diese Weise sparen Mieter bereits die Anschaffungskosten für ein Auto. Das solare Betanken ist, wie der Haushaltsstrom auch, von der Flatrate gedeckt.

Als Selbstversorger machen diese Gebäude ihre Bewohner unabhängig von endlichen Ressourcen. Durch den Gebrauch erneuerbarer Energien wohnt es sich in energieautarken Häusern großzügig: mit komfortablen Temperaturen sowie selbsterzeugtem Strom für Haushalt und Elektromobilität. Weil die enttechnisierten, energieautarken Gebäude Energie nutzen, statt sie zu verbrauchen, hat mit ihnen in Unna die Zukunft des Wohnens bereits begonnen.

(1) Dieser Ansatz wurde von der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages weiter ausgearbeitet und als Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit vorgestellt, in „Schutz des Menschen und der Umwelt - Ziele und Rahmenbedingungen einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung“, 1998

Corina Prutti

Corina Prutti
das komm.büro
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Artikel Wohnzukunft beginnt mit fünf energieautarken Gebäuden
Seite 50 bis 53
1.12.2023
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