Anspruch auf Lärmschutz

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Bild: M. Eisinger
Bild: M. Eisinger

Ein Wohnungseigentümer kann von einem anderen Wohnungseigentümer den Einbau eines anderen Bodenbelags verlangen.

BGH, Urteil vom 26. 06. 2020 – V ZR 173/19

Problemstellung

Nach § 14 Nr. 1 WEG ist jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, die im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile so instand zu halten, dass sie andere Wohnungseigentümer nicht erheblich beeinträchtigen. Nach § 13 Abs. 1 WEG hingegen kann jeder Wohnungseigentümer mit den im Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen nach Belieben verfahren, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen. Nach § 15 Abs. 3 WEG kann jeder Wohnungseigentümer einen Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen, der dem Gesetz, den Vereinbarungen und Beschlüssen sowie dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer entspricht. Die Frage nach dem Verhältnis dieser Normen zueinander stellt sich, wenn die Trittschalldämmung des Gemeinschaftseigentums mangelhaft ist und ein Wohnungseigentümer durch den Austausch des Fußbodenbelages seiner Wohnung die Schalldämmung weiter herabsetzt.

Die Entscheidung

Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Immobilie war 1962 errichtet worden. Der Kläger war Eigentümer der Wohnung im zweiten Obergeschoss, der Beklagte Eigentümer der Wohnung im darüberliegenden Dachgeschoss, das erst nachträglich 1995 zur Wohnung umgebaut und ursprünglich mit Teppichboden ausgestattet wurde. Im Jahr 2008 ersetzte der Beklagte den bisherigen Teppichbodenbelag durch einen Fliesenboden. Der Kläger beschwerte sich über unerträglichen Lärm in seiner Wohnung, weil Trittschall aus der Dachgeschosswohnung in seine Wohnung übertragen werde. Ein Sachverständigengutachten ergab eine deutliche Überschreitung der in der einschlägigen DIN 4109 festgelegten Grenzwerte.

Der BGH bestätigte zunächst, dass sich der im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander einzuhaltende Schallschutz nach der DIN 4109 richtet, wenn ein vorhandener Bodenbelag ausgetauscht wird, ohne dass dabei in das Gemeinschaftseigentum (Estrich und Geschossdecke) eingegriffen wird. Das gilt auch dann, wenn wie hier, der Schallschutz durch das Gemeinschaftseigentum mangelhaft ist. Schallschutz zwischen den Wohnungen ist in erster Linie durch den Aufbau der Geschossdecke und des Estrichs zu gewährleisten. Das bedeutet aber nur, dass bei einem Eingriff in das Gemeinschaftseigentum der bisherige Schallschutz erhalten bleiben muss, jedenfalls nicht erheblich verschlechtert werden darf. Davon völlig unabhängig ist die Verpflichtung des Eigentümers aus § 14 Nr. 1 WEG, das Sondereigentum so instand zu halten, dass dadurch keinem anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil entsteht. Bei einer Änderung des Bodenbelags muss der Wohnungseigentümer also darauf achten, dass auch mit dem neuen Bodenbelag die Grenzwerte der DIN 4109 eingehalten werden.

Konsequenzen

Die Entscheidung stärkt die Position eines Wohnungseigentümers gegenüber den anderen Wohnungseigentümern. (Auch) bei Eingriffen in das Sondereigentum, ist der Wohnungseigentümer verpflichtet, auf die übrigen Wohnungseigentümer Rücksicht zu nehmen. Das gilt auch dann, wenn das Schallschutzniveau bereits durch Mängel am Gemeinschaftseigentum abgesenkt wird, der renovierende Wohnungseigentümer also eigentlich nichts „falsch“ macht. Mit dem unzureichenden Zustand des Gemeinschaftseigentums müssen eben alle leben.

Praxistipp

Vorkehrungen gegen unerwünschte Schallübertragungen zwischen Wohnungen sind technisch in aller Regel leicht zu treffen – jedenfalls, bevor der Bodenbelag verlegt ist. Der richtige Zeitpunkt für eine fachgerechte Beratung liegt also vor der Verlegung der ersten Fliese. JM

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