Ergänzung der Tagesordnung der ETV

Mit den in der Eigentümerversammlung gefassten Beschlüssen muss die Gemeinschaft unter Umständen über eine längere Zeit hinweg leben. Dementsprechend wichtig ist es, dass auf der Versammlung alle relevanten Punkte behandelt werden. Das Recht eines einzelnen Miteigentümers, die Behandlung eines bestimmten Themas verlangen zu können, ist deshalb ein wichtiges Recht zum Schutz der Minderheit.

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Bild: Paul/stock.adobe.com
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Auch bei einem Ergänzungsantrag zur Tagesordnung einer anstehenden Versammlung muss die Einladungsfrist gewahrt werden.

AG Schwerin, Urteil vom 7. Oktober 2022 – 14 C 299/22

Problemstellung

Die Eigentümerversammlung ist das zentrale Forum zur Diskussion und Entscheidung über die Belange der Gemeinschaft. Mit den dort gefassten Beschlüssen muss die Gemeinschaft unter Umständen über eine längere Zeit hinweg leben. Dementsprechend wichtig ist es, dass auf der Versammlung alle relevanten Punkte behandelt werden. Das Recht eines einzelnen Miteigentümers, die Behandlung eines bestimmten Themas verlangen zu können, ist deshalb ein wichtiges Recht zum Schutz der Minderheit. Allerdings verlangt das Wohnungseigentumsgesetz zur Sicherstellung einer ordnungsmäßigen Verwaltung eine gewisse Konsequenz im Verhalten der Minderheitsgesellschafter.

Die Entscheidung

Das Amtsgericht hatte über den Anspruch der Kläger auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu entscheiden. Die Kläger waren Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft und verlangten von dem Verwalter die Aufnahme bestimmter Tagesordnungspunkte für die nächste Wohnungseigentümerversammlung.

Die ETV sollte am 13. Oktober 2022 stattfinden. Bereits im März 2022, also mehr als ein halbes Jahr vor der Versammlung, hatten die Kläger dem Verwalter bestimmte Tagesordnungspunkte mitgeteilt, unter anderem die Kündigung des Vertrags mit einer Wärmemessungsfirma, die Kündigung des Verwaltervertrages sowie die Abberufung des Verwalters und des Beirats. Mit Schreiben vom 5. September 2022 lud der Verwalter zur ordentlichen Eigentümerversammlung ein, nahm allerdings die Tagesordnungspunkte, die die Kläger benannt hatten, nicht in die Tagesordnung auf. Mit Schreiben vom 12. September 2022 erinnerten die Kläger den Verwalter an die Aufnahme dieser Tagesordnungspunkte. Auch darauf reagierte der Verwalter nicht. Mit Antrag vom 26. September 2022, also etwas mehr als zwei Wochen vor der ETV, verlangten die Kläger, dem Verwalter im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, die Tagesordnung für den 13. Oktober 2022 um die von ihnen benannten Tagesordnungspunkte zu ergänzen.

Das Amtsgericht wies den Antrag zurück. Nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG kann jeder Wohnungseigentümer von der Gemeinschaft eine ordnungsmäßige Verwaltung verlangen. Dazu gehört auch die Ergänzung der Tagesordnung um von einzelnen Wohnungseigentümern gewünschte Themen, gerade weil die ETV der geborene Ort für Diskussion und Austausch der Wohnungseigentümer ist.

Der geltend gemachte Anspruch stand den Klägern dennoch nicht zu. Weitere Voraussetzung für einen solchen Ergänzungsanspruch ist, dass auf der Eigentümerversammlung ein ordnungsgemäßer Beschluss über den beantragten Tagesordnungspunkt herbeigeführt werden kann. Die ETV kann – selbstverständlich – nicht verpflichtet werden, einen Beschluss zu fassen, dessen Anfechtbarkeit von vornherein feststeht. Hier haben die Kläger ihren Antrag so spät gestellt, dass selbst bei einer positiven Entscheidung des Gerichts der Verwalter die dreiwöchige Einladungsfrist nicht mehr hätte einhalten können. Eine ordnungsgemäße Benennung der Tagesordnungspunkte in der Einladung ist nach § 23 Abs. 2 WEG jedoch von vornherein Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Beschlussfassung. Zwar ist die in § 24 Abs. 4 WEG vorgesehene dreiwöchige Ladungsfrist nur eine Soll-Vorschrift. Das bedeutet aber nicht, dass die Ladungsfrist schlichtweg ignoriert werden könnte. Solange also nicht ein Fall besonderer Dringlichkeit vorliegt, ist die dreiwöchige Ladungsfrist einzuhalten.

Eine besondere Dringlichkeit kann nur vorliegen, wenn ein von außen kommendes Ereignis eine ungewöhnlich schnelle Beschlussfassung erfordert. Selbst verursachte Verzögerungen in der Beschlussfassung können keine Dringlichkeit begründen. Hier haben die Kläger bereits mehr als sechs Monate vor der Eigentümerversammlung die Ergänzung der Tagesordnung beantragt. Obwohl sie zu einem Zeitpunkt, in dem die Ladungsfrist noch unproblematisch einzuhalten gewesen wäre, davon wussten, dass der Verwalter die Tagesordnungspunkte nicht in die Einladung aufgenommen hatte, blieben sie so lange untätig, bis die Ladungsfrist nicht mehr einzuhalten war. Diese Zögerlichkeit geht zulasten der Kläger.

Konsequenzen

Der Anspruch eines einzelnen Eigentümers auf Ergänzung der Tagesordnung nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG ist ein Anspruch, der dem Schutz der Minderheit dient. Den Anspruch an der Nichteinhaltung der Ladungsfrist scheitern zu lassen, erscheint ein wenig problematisch. Denn immerhin ist auch der Verwalter, der auf mehrfache Anfragen der Kläger nicht reagiert hat, für die Zeitverzögerung zumindest mitverantwortlich. Allerdings gehören zur Begründung einer einstweiligen Verfügung ein Verfügungsanspruch und ein Verfügungsgrund. Der Verfügungsanspruch meint den eigentlichen materiellen Anspruch, also hier den Anspruch auf Ergänzung der Tagesordnung. Der Verfügungsgrund beantwortet die Frage, warum die Kläger eine besonders schnelle Entscheidung des Gerichts brauchen und nicht ein „normales“ Hauptsacheverfahren abwarten können. An dem Verfügungsgrund fehlt es allerdings. Spätestens mit Erhalt der Einladung Anfang September 2022 hätte den Klägern klar sein müssen, dass der Verwalter ihrer Aufforderung nach Ergänzung der Tagesordnung nicht nachgekommen ist. Wenn die Kläger in dieser Situation noch länger zögern, widerlegen sie ihr Argument, nun bräuchten sie eine besonders schnelle Entscheidung, quasi selbst. Mit dem Antrag auf Erlass einer Eilentscheidung zu warten, ist schlicht inkonsequent.

Praxistipp

Wohnungseigentümern, die sich in einer Minderheitenposition sehen, tun gut daran, sich konsequent zu verhalten und ihre Ansprüche mit Druck durchzusetzen. Zu beachten ist aber auch, dass ein solcher Antrag sich nach dem neuen Wohnungseigentumsrecht zwingend gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft zu richten hat. Eine Klage gegen den Verwalter sieht das neue Recht nicht mehr vor. Bereits aus diesem Grund hätte das Amtsgericht den Antrag zurückweisen können. JM

Dr. Jonas Müller

Dr. Jonas Müller
RA, FA für Bau- und Architektenrecht, wronna+partner.gbr
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