Ein Mietvertrag „bis zum Tod des Mieters“ bedarf der Schriftform.
Die Entscheidung beschäftigt sich mit der Frage, welche Folgen es hat, wenn der Vermieter dem Mieter verspricht, bis zum Tode des Mieters keine Eigenbedarfskündigung auszusprechen. Durch die lange Bindungsdauer der Parteien entstehen dadurch Nutzungskonflikte, die keine Seite vorhersehen kann. Die Klägerin ist Eigentümerin eines mehrgeschossigen Gebäudes, das ursprünglich als Einfamilienhaus konzipiert war. Später wurden im Treppenhaus auf jeder Etage Abschlusstüren eingebaut,sodass zwei getrennte Wohnungen entstanden sind. Die obere Wohnung wird von der Klägerin und ihrem Mann bewohnt. Die untere Wohnung bewohnt die Beklagte. Im November 2018 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs. Zur Begründung führt die Klägerin an, die Wohnungen im Haus sollten wieder zusammengelegt werden. Für ihren Ehemann sei es aufgrund einer 2017 festgestellten Herzerkrankung nicht mehr ohne Weiteres möglich, die Treppen zur oberen Wohnung hinaufzusteigen. Die Beklagte widersprach der Kündigung und verlangte die Fortsetzung des Mietverhältnisses. Sie behauptet, bei Begründung des Mietverhältnisses sei ihr zugesichert worden, dass sie bis zum Tode in der Wohnung bleiben könnte. Die Klägerin verlangte die Räumung der Wohnung, die Beklagte die Fortsetzung des Mietverhältnisses.Problemstellung
Die Entscheidung
Das Amtsgericht wies die Räumungsklage ab und ordnete die Fortsetzung des Mietverhältnisses zu unveränderten Bedingungen bis Ende Februar 2022 an.
Auf die von der Beklagten behauptete Zusage, sie könne bis zum Tod in der Wohnung bleiben, kommt es nicht an. Eine solche Vereinbarung unterliegt nach § 550 BGB der Schriftform. § 550 BGB fordert die Schriftform für Mietverträge, die für mehr als ein Jahr abgeschlossen werden. Bereits 2007 hat der BGH entschieden, dass ein Verzicht des Vermieters auf das Recht, ein Mietverhältnis über Wohnraum wegen Eigenbedarfs zu kündigen, der Schriftform bedarf, wenn der Verzicht für mehr als ein Jahr gelten soll. § 550 BGB dient zwar in erster Linie dem Schutz des Erwerbers eines vermieteten Objekts, der durch die schriftlich abgeschlossenen Verträge leicht abschätzen kann, in welche Mietverhältnisse er eintritt.
§ 550 BGB schützt aber auch die Parteien des Mietverhältnisses vor der unbedachten Eingehung langfristiger Bindungen und auch der Beweisbarkeit langfristiger Abreden. Der Ausschluss der Kündigung wegen Eigenbedarfs ist eine ganz erhebliche Einschränkung des verfassungsrechtlich geschützten Eigentums des Vermieters. Durch die schriftliche Fixierung des Kündigungsverzichts soll sich der Vermieter noch einmal der Tragweite seiner Entscheidung bewusst werden.
Für die Entscheidung des Falles kommt es also darauf an, ob die Klägerin Eigenbedarf geltend machen kann. Der Wunsch des Vermieters, seine Wohnung selbst zu Wohnzwecken zu nutzen, ist im Hinblick auf sein durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschütztes Eigentum grundsätzlich zu achten und einer gerichtlichen Nachprüfung entzogen. Die Gerichte sind nicht berechtigt, ihre Vorstellungen von angemessenem Wohnen verbindlich an die Stelle der Lebensplanung des Vermieters zu setzen.
Die berechtigten Belange des Mieters werden dadurch gewahrt, dass die Gerichte den geltend gemachten Eigenbedarf daraufhin überprüfen, ob dieser Wunsch ernsthaft verfolgt wird, ob er von vernünftigen und nachvollziehbaren Gründen getragen ist oder ob er missbräuchlich ist. Missbräuchlich ist der Eigenbedarf dann, wenn der geltend gemachte Wohnbedarf weit überhöht ist, die Wohnung die Nutzungswünsche des Vermieters überhaupt nicht erfüllen kann oder der Wohnbedarf in einer anderen Wohnung des Vermieters ohne wesentliche Abstriche befriedigt werden kann. Für keine dieser Einschränkungen gibt es im vorliegenden Fall Hinweise. Der Eigenbedarf ist nachvollziehbar mit der Herzerkrankung des Ehemannes und der damit einhergehenden geminderten körperlichen Leistungsfähigkeit begründet. Für einen Missbrauch der Eigenbedarfskündigung fehlt es an Anhaltspunkten.
Das Gericht ordnete dennoch nach § 574 Abs. 1 BGB die Fortsetzung des Mietverhältnisses für rund eineinhalb Jahre an, weil die Beklagte geltend gemacht und bewiesen hatte, dass sie an einer schwerwiegenden Depressionen leidet, die sich durch einen Umzug deutlich verschlimmern würde. Die befristete Verlängerung des Mietverhältnisses soll zu einer Stabilisierung der Psyche der Beklagten führen.
Konsequenzen
Die Entscheidung macht zunächst die umfassende Schutzwirkung des Schriftformerfordernisses nach § 550 BGB deutlich. Ein Mietvertrag mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr, der nicht in schriftlicher Form abgeschlossen ist, gilt als ein Mietvertrag auf unbestimmte Zeit. Die Kündigung ist frühestens zum Ablauf eines Jahres nach der Überlassung des Wohnraums zulässig. Diese Vorschrift gilt nicht nur für die schlichte Befristung von Mietverträgen, sondern auch für sonstige Vereinbarungen zwischen den Parteien des Mietverhältnisses, die im Ergebnis zu einer langen Bindung der Vertragsparteien führt wie etwa der Ausschluss bestimmter Kündigungsgründe. Zum anderen zeigt die Entscheidung, dass ein vom Vermieter geltend gemachter Eigenbedarf sich recht unkompliziert umsetzen lässt, wenn dieser Eigenbedarf tatsächlich ernst gemeint ist.
Praxistipp
Die Zusage gegenüber einem Mieter, für eine bestimmte Zeit das Mietverhältnis nicht aus bestimmten Kündigungsgründen zu kündigen, ist außerordentlich riskant, wenn solche Zusagen schriftlich vereinbart werden. Gerade private Vermieter sollten von solchen Zusagen Abstand nehmen, weil – wie hier – nicht vorhersehbare Entwicklungen zu einem völlig veränderten Wohnbedarf führen können. JM
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