WEG

Online-Eigentümerversammlung – darf man das?

Das mehr als 70 Jahre alte Wohnungseigentumsgesetz kennt keine Online-Versammlung. Darf ein Verwalter trotzdem eine virtuelle Eigentümerversammlung durchführen? Was gilt es zubeachten?

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StadtArt-Geschäftsführer Bernd Schneider: Eine erste WEG kann mit ihm per Computer, Tablet oder Smartphone an einer Versammlung teilnehmen.
StadtArt-Geschäftsführer Bernd Schneider: Eine erste WEG kann mit ihm per Computer, Tablet oder Smartphone an einer Versammlung teilnehmen.

Über Raum und Zeit hinweg

Jüngst gab es zwischen dem Geschäftsführer der in Berlin ansässigen StadtArt Hausverwaltung, einem Architekten, einem Anwalt und einem WEG-Beirat ein Krisengespräch. Die Geschäftspartner kamen über das  Internetportal „Gotomeeting“ zusammen. Über Raum und Zeit hinweg konnte Bernd Schneider eine dringende Angelegenheit diskutieren und Entscheidungen treffen - einer der Gesprächsteilnehmer war gerade auf China-Reise.

Belegprüfung online von zu Hause aus

Auch die Kommunikation seiner Hausverwaltung mit Eigentümern und Mietern spielt sich zum großen Teil auf einem Internetportal ab. Die Beiräte der von StadtArt betreuten Eigentümergemeinschaften können die jährliche Belegprüfung über das Portal online von zu Hause aus machen. Und noch auf andere Weise nutzt Verwalter Bernd Schneider das Internet für die Kommunikation. Im Auftrag des VDIV Berlin-Brandenburg und der Verbraucherschutzorganisation „Wohnen im Eigentum“ tritt er als Referent in Online-Seminaren auf. Über diesen Kanal lernen Beiräte, wie Jahresabrechnungen zu prüfen sind und Berufskollegen erhalten Tipps für ein besseres Zeitmanagement in der Hausverwaltung.

Über diese Webinare lernte der StadtArt-Geschäftsführer ein Onlineportal kennen, das wie eine Life-Videokonferenz funktioniert. So reifte in ihm der Entschluss, seine Eigentümer in virtuellen Räumen zusammenzuführen. Die erste Online-Eigentümerversammlung – es war eine rein virtuelle Veranstaltung, niemand traf physisch zusammen – fand Ende 2018 statt. Anlass war eine Gebäudeversicherung, die nach einem Schadensfall einen neuen Vertrag mit einer wesentlich höheren Prämie anbot. Das erforderte kurzfristig eine Änderung des Wirtschaftsplans der WEG für das kommende Jahr.

Generalprobe der digitalen Konferenz

Bernd Schneider hatte es bei der Überzeugungsarbeit recht einfach, da die betroffene Gemeinschaft mit nur neun Eigentümern überschaubar war. Per E-Mail machte er allen den Vorschlag, eine Online-Versammlung abzuhalten und diese vorher technisch zu proben. Alle Eigentümer erhielten einen elektronischen Link, über den sie sich in den virtuellen Versammlungsraum einloggen konnten. Vor der eigentlichen Versammlung nahmen sich Bernd Schneider und ein Mitarbeiter zwei Stunden Zeit, um mit den Eigentümern in einer Art Generalprobe die digitale Konferenz technisch durchzuspielen.

Mindestens so wichtig wie die technischen Fragen ist für Verwalter Schneider die juristische Absicherung. Denn weil das Wohnungseigentumsgesetz von „erschienenen stimmberechtigten Eigentümern“ spricht (§ 23 Abs. 1), besteht die Gefahr das Beschlüsse, die in virtuellen Versammlungen zustande kommen, angefochten werden.

Virtuelles Meeting hilft gegen Versammlungsträgheit

Dass man diesen neuen Weg ausprobieren wollte, darüber konnte Bernd Schneider in der überschaubaren neunköpfigen WEG schnell Konsens herstellen. Zusätzlich sicherte er sich aber juristisch ab. Zusammen mit der Einladung, die als PDF verschickt wurde – „Nehmen sie teil per Computer Tablet oder Smartphone“, stand in der Einladung – erhielten die Eigentümer eine Stimmrechtsvollmacht für den Verwalter. Wer als Verwalter Online-Versammlungen organisieren möchte, dem rät Bernd Schneider zusätzlich, Teilungserklärungen durch gesonderte Vereinbarungen zu ergänzen, diese Ergänzungen sollten notariell beglaubigt werden.

Nach herrschender juristischer Meinung besteht heute kein Anspruch eines Wohnungseigentümers, via Internetschaltung an einer Präsenzveranstaltung teilnehmen zu dürfen. In der Gemeinschaftsordnung kann aber eine solche Online-Teilnahme gestattet werden. Entscheidend ist, dass kein Eigentümer durch eine rein virtuelle Versammlung ausgeschlossen wird. Daher bietet sich eine Präsenzversammlung an, zu der sich abwesende Eigentümer nach Wunsch online zuschalten können.

Das könnte, da geht Bernd Schneider kritischmit so manchem Eigentümer ins Gericht, gegen die Versammlungsträgheit helfen. „Wenn wir eine Versammlung im Hotel gegenüber abhalten, kommen oft wenige Teilnehmer, die sich dann auch noch über den Zeitpunkt beschweren.“

Das Aktienrecht ist Beispiel für eine WEG-Reform

Das mehr als 70 Jahre alte Wohnungseigentumsgesetz kennt natürlich keine Online-Versammlung und schafft keine eindeutigen Verhältnisse. Dr. Jan-Hendrik Schmidt, Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Wohnungseigentumsrecht, vertritt unter Juristen eine Minderheitsmeinung und macht Verwaltern dennoch Mut für den virtuellen Weg. Das WEG kenne nur körperliche Anwesenheit, doch im Aktionärsrecht sei diese Unterscheidung zwischen physischer und virtueller Teilnahme bereits hinfällig. So heiße es in der Begründung zum Gesetzentwurf zur Umsetzung der Aktionärsrechte-Richtlinie, dass der online zugeschaltete Aktionär in der Hauptversammlung ebenso erschienen ist wie der physisch-reale Teilnehmer (BT-Drs. 16/11642, S. 27).

„Freilich finden Hauptversammlungen als Präsenzversammlung statt. Dennoch wäre es bereits heute gesetzeskonform, wenn sich sämtliche Aktionäre online zuschalteten. Im Wohnungseigentumsrecht wird das ebenfalls funktionieren unter Wahrung der mitgliedschaftlichen Rechte aller Wohnungseigentümer.“

Nach Auffassung von Rechtsanwalt Schmidt ist der Willensbildungsprozess bei einer virtuellen Teilnahme der klassischen Eigentümerversammlung deutlich näher als eine schriftliche Beschlussfassung im Umlaufverfahren. Schmidt bestätigt das Vorgehen von Verwalter Bernd Schneider.

Solange der Gesetzgeber im WEG nicht für Klarheit sorgt, bestehe die Gefahr, dass Eigentümer Beschlüsse einer virtuellen Versammlung aus formalen Gründen anfechten. Dieses Haftungsrisiko (§ 49 Abs. 2 WEG) könnten Verwalter vorerst mit einer einfachen Lösung verringern: Mit der Einladung zu einer Präsenzversammlung werden neben den Online-Zugangscodes Stimmrechtsvollmachten an jene Wohnungseigentümer versandt, die online teilnehmen wollen.

StadtArt-Geschäftsführer Bernd Schneider will seinen Weg indessen fortsetzen. Gerade habe er mit dem Beirat einer 18-köpfigen Gemeinschaft gesprochen, deren Eigentümer in ganz Deutschland verstreut sind. Die virtuelle Versammlung sei besonders für kleine WEGs in ländlichen Gebieten praktisch. „Die finden doch kaum noch einen Verwalter, der zu ihnen rausfährt.“ Bernd Schneider wird es wieder tun.

aus: IVV immobilien vermieten & verwalten, November 2019

SERVICE-TIPP:
Am 24. Oktober führte die IVV eine Weiterbildungsveranstaltung als Webinar durch. Das Onlineseminar wurde aufgezeichnet. Darin schildert der erfahrene WEG-Verwalter, Martin Metzger, was es bei der Vorbereitung und Duchführung einer Eigentümerversammlung zu beachten gilt. Sie können die Aufzeichnung im Verlagsshop käuflich erwerben.

Inhalte des Webinars:

  • Zeitpunkt und Ort
  • Wer darf denn eigentlich rein
  • Die Vollmacht
  • Die Stimmrechte
  • Praktische Tipps für die zügige und fehlerfreie Abwicklung
  • Die Wirksamkeit der Beschlüsse
  • Die Crux mit den Wirtschaftseinheiten

Webinar "Die Eigentümerversammlung" - mehr Infos

Live-Webinare der Zeitschrift IVV immobilien vermieten & verwalten

Thomas Engelbrecht

Thomas Engelbrecht
Chefredakteur

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Artikel Online-Eigentümerversammlung – darf man das?
Seite 10 bis 11
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