„Meine beiden Söhne in der Firma zu haben, ist ein großes Glück“
Die gelernte Gartenbauingenieurin und Kauffrau der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft und bisherige Vizepräsidentin gründete 1996 die Pruß Hausverwaltung mit Niederlassungen in Berlin und Strausberg. Erst kürzlich wurde sie für ihr ehrenamtliches Engagement mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Sylvia Pruß ist unter anderem im Prüfungsausschuss der IHK Ostbrandenburg, ehrenamtliche Handelsrichterin am Landgericht Frankfurt (Oder) und stellvertretende Vorsitzende des neu gegründeten DIHK-Bundesausschusses für Bau- und Immobilienwirtschaft - seit 2008 Vorsitzende des VDIV-Landesverbandes Berlin-Brandenburg.
Präsidentin des VDIV zu sein, ist nicht ihr erstes und einziges Ehrenamt. Was hat Sie bewogen, auch diese Aufgabe noch zu übernehmen?
Ja, ich habe mehrere Ehrenämter, die ich gern ausfülle. Die Präsidentschaft stand da zunächst nicht auf meiner persönlichen Agenda. Aber es gibt so viele Herausforderungen für unsere Branche, wie ich es in 30 Jahren Berufserfahrung nicht erlebt habe. Deshalb habe ich mir gesagt, wir brauchen noch mehr die Perspektive der Praxis in der Politik und als Unternehmerin kann und will ich das als neue Präsidentin leisten.
Was haben Sie den Delegierten vor Ihrer Wahl versprochen?
Auf alle Fälle, dass ich authentisch bleibe, dass ich eine Präsidentin sein werde, die die Sprache der Verwaltungen spricht, die Probleme der Praxis kennt, die für den Zusammenhalt unserer Branche steht. Das ist mir ganz wichtig. Nur gemeinsam können wir viel erreichen. Wie wichtig das ist, zeigt die Einführung der virtuellen Eigentümerversammlung; da hat die Praxis trotz emotionaler Debatten durchgesetzt.
Wie bekommen Sie Ihre Ehrenämter als Chefin einer Hausverwaltung zeitlich unter einen Hut?
An allererster Stelle steht meine Leidenschaft für den Beruf. Alles, was ich im Ehrenamt mache, mache ich mit viel Herzblut. Das ist für mich Berufung. Und ich habe das ganz große Glück, dass sich meine beiden Söhne für die Immobilienbranche begeistern und im Unternehmen arbeiten. Sie halten mir den Rücken oft frei, wenn ich in meinen Ehrenämtern tätig bin.
Wie groß ist das Team der Pruß Hausverwaltung?
Wir betreuen 5.000 Wohneinheiten in Berlin und Brandenburg und wir sind insgesamt elf Mitarbeiter. Wir haben immer Auszubildende in der Firma, weil darin unsere Zukunft liegt.
Sie haben in Ihrer Eröffnungsrede an die Kongressteilnehmer appelliert, die Digitalisierung voranzutreiben. Wie würden Sie den Status der Digitalisierung Ihres Unternehmens beschreiben?
Ich habe in meiner Eröffnungsrede gesagt, dass ich mich damit etwas schwer getan habe. Und ich bin auch von der Politik enttäuscht. Vor zwei Jahren wollte ich den großen Schritt der Digitalisierung machen. Ich habe über fünf Monate versucht, KMU-Fördermittel zu beantragen. Aber der Fördertopf war immer wieder leer, bis ich entschieden habe, zunächst bei der alten Software zu bleiben. Und wir haben weitere Tools ergänzt, ein Portal für die Eigentümer, ein Tool für das Auftragsmanagement, haben aber schnell gemerkt, dass wir an Grenzen kommen, weil es ineffektiv ist, viele Programme aufzuschalten. In diesem Jahr fiel die Entscheidung für eine große Lösung und wir nehmen uns eine Dreivierteljahr Zeit für die Umstellung. Zum 1. Januar 2025 möchten wir nahezu komplett digital sein.
Sie wollen keine Insellösungen mehr, aber was soll die neue Gesamtlösung können im Vergleich zur alten kaufmännischen Software?
Wir wollen Ressourcen gewinnen für die wichtigen Tätigkeiten des Verwalters. Wir verwalten 5.000 Einheiten in 280 Objekten, da gehen unglaublich viele Rechnungen ein, das soll automatisiert werden. Die Belegprüfung der Beiräte soll komplett online erfolgen. Noch verschicken wir Aktenordner. Die Ein- und Ausgänge sämtlicher Dokumente wird automatisiert. Die Mitarbeiter sollen Einblick in Mieterakten haben, wenn sie in den Liegenschaften unterwegs sind. Und die Eigentümer sollen alle Informationen und Daten online einsehen können. Der Versand dieser Dokumente raubt uns heute viel Zeit.
Diese Investitionen tätigen Sie jetzt ohne staatliche Unterstützung?
Ja, komplett mit Mitteln des Unternehmens in erheblicher Größenordnung, und ich würde jedem Verwalter raten: Bitte spart nicht am falschen Ende. Ich nehme mir auch Berater, die uns in der täglichen Arbeit begleiten. Wir investieren also in die Software und in einen Berater, der die Mitarbeiter mitnimmt, denn nichts ist schlimmer, als die Mitarbeiter bei der Einführung des neuen Systems allein zu lassen.
Umfasst die neue Software auch die Nutzung von KI?
Mein Ziel ist zum Beispiel der automatische Empfang von Rechnungen, also die Übernahme strukturierter Daten in die Buchhaltung. Das funktioniert natürlich nur, wenn unsere Stammdaten, etwa von den Handwerkern, korrekt eingepflegt sind.
Umfasst die KI auch die Kommunikation mit Mietern und Eigentümern?
Ich möchte nicht alles auf einen Schlag einführen. Erstmal sind die Stammdaten und das Onlineportal dran und dann schauen wir, wie das läuft. Wir werden ab 1. Januar noch nicht Telefonie über KI betreiben. Das persönliche Gespräch mit den Kunden bleibt wichtig. Wir experimentieren schon ein wenig mit ChatGPT bei der Formulierung von schriftlichen Antworten auf manche Mieteranfrage. Das macht den Mitarbeitern durchaus Spaß.
Im VDIV-Branchenbarometer heißt es regelmäßig, die durchschnittliche Verwaltervergütung sei nicht auskömmlich. Wie ist das bei Ihnen? Trauen Sie sich, höhere Gebühren bei Ihren Kunden durchzusetzen?
Wir machen so viel und die Vergütung steht in keiner Relation dazu. Und was überhaupt nicht in Relation steht, ist der Kaufpreis einer Wohnung zur Vergütung des Verwalters. Ich predige in allen Vorträgen: Wir dürfen uns nicht unter Preis verkaufen! Ich weiß, wie schwierig es ist. Kürzlich wurde ich auf einer Eigentümerversammlung gefragt, warum ich nur eine zweijährige Bestellung wünsche. Ich habe gewagt zu sagen, nach zwei Jahren möchte ich die Gebühren erhöhen können. Ein Eigentümer hat daraufhin angekündigt, er werde sich bei der nächsten Wahl des Verwalters enthalten. Ich finde, wir sollten den Mut haben, unsere Bestände zu prüfen und schauen, welche Bestände unrentabel sind. Wir brauchen den Mut, auch mal um 30 oder 40 Prozent zu erhöhen. Das tut dem Eigentümer weh. Wir geben deshalb auch Objekte ab. Und sehe bei Kollegen, dass sie die Gebühren kräftig erhöhen, was richtig und gut ist. Und die werden auch wieder bestellt.
Sie haben also den Mut Gebühren zu erhöhen?
Ja.
Haben Sie Probleme freie Arbeitsplätze zu besetzen?
Der Fachkräftemangel ist ein echtes Problem. Für mich am Firmensitz in Straußberg in der Ausbildung, denn junge Leute wollen nach Berlin. Wachsen können wir nur mit der Digitalisierung, das erhoffe ich mir jedenfalls. Alle drei bis vier Tage wird uns die Übernahme eines Objektes angeboten, aber ich muss derzeit immer ablehnen, weil wir keine Kapazitäten haben. Wir könnten wachsen, wenn es mehr Fachkräfte gäbe. Wirklich wichtig finde ich das Halten der Mitarbeiter, sie so zu motivieren, dass sie gerne in die Firma kommen. Dafür machen wir viel. Letzte Woche haben wir ein Firmenevent veranstaltet, sind weggefahren mit Hotel-Übernachtung und Feier. So fördern wir den Zusammenhalt, denn durch Home-Office sind die Mitarbeiter nicht immer gemeinsam im Büro.
Sie schreiben keine Stellen aus, weil Sie auf die Digitalisierung setzen?
Ich schreibe im Moment keine Stellen aus, weil ich zunächst entschieden habe nicht zu wachsen. Mit dem jetzigen Mitarbeiterstamm kann ich den Bestand halten und die Qualität verbessern. Wenn wir digital sind, werden wir neue Objekte übernehmen.
Was halten Sie von einer staatlichen Honorarordnung für Immobilienverwalter?
Gar nichts. Das Schöne an diesem Beruf ist seine Vielfältigkeit, jedes Objekt ist anders. Ein denkmalgeschütztes Objekt mit 20 Einheiten in Berlin kann ich nicht vergleichen mit einem Plattenbau mit 20 Einheiten in Brandenburg. Daher wäre eine festgelegte Einheitsgebühr nicht vermittelbar. Wenn es in einer WEG viele Rechtstreitigkeiten gibt oder viele Reparaturen zu organisieren sind, braucht es die Flexibilität in der Vergütung. Im Übrigen möchte ich selbst entscheiden. Wenn ich besser bin als andere, sollte sich das auch am Preis bemessen.
Viele Hausverwaltungen sind Kleinunternehmen mit vier oder fünf Beschäftigten, oft Teilzeitkräfte. Wie sollen die neben dem Kerngeschäft die wachsenden Aufgaben und die Transformation stemmen?
Man schafft es kaum. Es bleibt kaum Zeit für Weiterbildung. Deshalb setze ich auf VDIV-Angebote zur Online-Schulung. Zudem glaube ich, dass weniger verwalten, mehr wert sein kann. Mehr Freizeit, mehr Honorar, bessere Qualität.
Führt die permanente Überlastung zu einer Marktbereinigung?
Es gab vor Jahren die Einschätzung, kleine Hausverwaltungen würden alle vom Markt gehen. Diese Einschätzung kann ich nicht teilen. Verschwinden werden allerdings die Verwalter, die nicht digitalisieren, die sich nicht weiterbilden und die sich nicht auf die Ansprüche des Marktes einstellen. Es wird weiterhin kleine Verwaltungsfirmen geben, weil es viele kleine Objekte gibt. Dafür braucht es auch viele Verwaltungen, aber auch diese müssen sich spezialisieren.
Welche Ziele möchten Sie als VDIV-Präsidentin erreichen?
Ich möchte den erfolgreichen Weg des VDIV weiter mitgestalten. Mir ist wichtig, dass wir gute politische Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Zukunft unsere Branche schaffen. Daran lasse ich mich gern messen.
Danke für das Gespräch, Frau Pruß.
Thomas Engelbrecht
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