Der Krieg, die Energiekosten und die Solarpflicht für Gebäude
Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) meldet anlässlich der in München stattfindenden Messe „The smarter E Europe“, dass die Leistung von Photovoltaikanlagen im ersten Quartal 2022 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 32 Prozent gestiegen sei. Das Geschäftsklima in der Solarbranche befinde sich auf einem Allzeithoch. Fast jeder sechste Hauseigentümer in Deutschland plane in den kommenden 12 Monaten die Errichtung einer Solaranlage zur Strom- oder Wärmeerzeugung. Das gehe aus einer aktuellen YouGov-Repräsentativumfrage hervor, die im BSW-Auftrag Anfang Mai unter mehr als 1.000 Gebäudeeigentümern durchgeführt worden sei. Die wichtigsten der genannten Gründe für das sprunghaft gestiegene Interesse seien mit 55 Prozent die steigenden Energiepreise, der Wunsch nach mehr Versorgungsunabhängigkeit (52 Prozent) und die Klimakrise (44 Prozent).
Die Bundesregierung wolle die installierte Photovoltaikkapazität von derzeit knapp über 60 Gigawatt (GW) bis zum Jahr 2030 auf mindestens 215 GW und bis 2040 auf mindestens 400 GW erhöhen. Ihr Anteil am Stromverbrauch soll allein in den kommenden acht Jahren von derzeit rund 10 Prozent auf über 25 Prozent wachsen. Klimaschutzminister Robert Habeck hatte dafür zu Jahresbeginn ein „Solarbeschleunigungspaket“ angekündigt.
Auch die Europäisch Union macht seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine mehr Druck in Richtung Solartechnik. Der sogenannte „REPowerEU“-Plan zur Verringerung der Energieabhängig von Russland sieht unter anderem den beschleunigten Ausbau von Dach-Fotovoltaikanlagen vor. In einem Brief an die Kommission schlagen die Energieminister von Österreich, Belgien, Litauen, Luxemburg und Spanien vor, dass der Ausbau von Solarenergie im Gebäudebereich in der Europäischen Union geregelt werden soll. Jede Photovoltaikanlage reduziere sofort und direkt unsere Energieabhängigkeit von Russland, so die Minister. Gleichzeitig sei man hohen Strompreisen weniger ausgesetzt, und klimaschädliche Treibhausgase würden reduziert.
Die Stromgewinnung aus erneuerbaren Energien soll laut Bundesregierung bis 2030 bei 80 Prozent liegen. Die Leistung von Photovoltaik soll vervierfacht werden. Auf Bundesebene gibt es aktuell kein beschlossenes Gesetz für eine allgemeine Solarpflicht, aber einige Bundesländer regeln die Vorschriften individuell.
In diesen Bundesländern gelten bereits Solar-Pflichten
In Baden-Württemberg gilt die bislang umfassendste Solarpflicht. Seit 1. Januar 2022 müssen Nicht-Wohngebäude mit Solaranlagen ausgerüstet werden und seit 1. Mai auch neu gebaute Wohnhäuser. Hausbesitzer, die eine grundlegende Dachsanierung vornehmen, müssen vom 1. Januar 2023 an eine Photovoltaikanlage einbauen lassen.
Die Landesbauordnung von Nordrhein-Westfalen verlangt seit Jahresbeginn 2022 die Ausrüstung von Parkplätzen mit Photovoltaikanlagen. Parkplätze mit mehr als 35 Stellplätzen müssen mit einer PV-Anlage überdacht werden. Diese Pflicht gilt allerdings nur für Flächen, die zu gewerblich genutzten Gebäuden gehören.
Ähnlich die geltenden Vorschriften in Schleswig-Holstein. Im nördlichsten Bundesland müssen neu errichtete Parkplätze, die mehr als 100 Autos Platz bieten, mit Solarstromanlagen ausgerüstet werden. Im Gebäudebereich ist die Installation von PV-Anlagen beim Neubau von Nichtwohngebäuden vorgeschrieben. Sofern mehr als 10 Prozent der Dachfläche von Nichtwohngebäuden renoviert werden, muss ebenfalls eine Solaranlage aufs Dach gesetzt werden.
In Berlin sind private Eigentümer von Neubauten sowie von Bestandsgebäuden im Falle einer grundlegenden Dachsanierung ab 2023 zur Installation einer PV-Anlage verpflichtet. Alternativ kann die Anlage auch an der Gebäudefassade oder eine Solarthermieanlage installiert werden.
In Hamburg gilt eine Pflicht zur Installation von PV-Anlagen ab 2023 auf Dächern im Neubau. Für Bestandsgebäude, bei denen die Dachhaut vollständig erneuert wird, greift die Pflicht ab 2025.
Auch in Rheinland-Pfalz greift eine Solarpflicht ab 2023. Sie sieht vor, dass gewerbliche Neubauten mit PV-Anlagen ausgestattet werden müssen. Rheinland-Pfalz bietet als Alternative zur PV-Anlage auch die Installation einer solarthermischen Anlage zur Wärmeerzeugung an, mit der man die Pflicht erfüllen kann.
Die Niedersächsische Landesregierung hat sich auf ein verschärftes Klimaschutzgesetz geeinigt, das unter anderem eine Pflicht für Solaranlagen auf allen neuen Wohngebäuden vorsieht. Bislang galt diese Verpflichtung nur für neue Gewerbebauten.
„Ohne Förderung zahlen die Mieter die Zechen“
In der Wohnungswirtschaft gibt es angesichts dieser Entwicklung Mahnungen, dass die erzwungenen Investitionen in solare Technik nicht auf die Mieten umgelegt werden können. Susanne Schmitt, Direktorin des VdW Niedersachsen-Bremen, etwa sagt: „Ohne öffentliche Förderung zahlen die Mieter die Zeche“. Die Ausgaben für eine PV-Anlage im Wohnungsbau überstiegen regelmäßig die Kosten im Gewerbebau. Grund dafür seien u.a. erforderliche Energiespeicher, um den Strom in den Wohnungen auch zeitversetzt in den Abendstunden verbrauchen zu können. Mieten von sechs oder sieben Euro pro Quadratmeter seien unter diesen Voraussetzungen unrealistischer denn je. (Red.)
Quellen: BSW Solar, Deutsche Handwerkszeitung, vdw Niedersachsen-Bremen