Von Preissteigerungen und einem verzerrten Lagebild
Die Angebotsmieten für Wohnungen sind im ersten Halbjahr 2024 sowohl in den Großstädten als auch abseits der Metropolen weiter gestiegen. Nach einer Auswertung von JLL hat sich die Steigerungsrate gegenüber dem Vorjahr leicht abgeschwächt. Für die Preisanalyse hat der Immobiliendienstleister JLL (Jones Lang LaSalle Inc.) nach eigenen Angaben insgesamt rund 35.000 Miet- und 41.000 Kaufangebote ausgewertet. Betrachtet wurden sowohl Neubauten als auch Bestandsgebäude. In den untersuchten Städten Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, Leipzig, München und Stuttgart seien die Angebotsmieten im Jahresvergleich im Schnitt um 6,3 Prozent gestiegen – im zweiten Halbjahr 2023 lag das Wachstum noch bei 8,2 Prozent. Im Vergleich zum fünfjährigen Mittel (4,8 %) falle die Teuerung dennoch überdurchschnittlich hoch aus.
Außerhalb der Großstädte ist die Steigerung am stärksten
Noch deutlicher sind die Angebotsmieten nach JLL-Analyse abseits der Metropolen gestiegen: In den kreisfreien Städten zogen die inserierten Mieten um durchschnittlich 8,3 Prozent an und somit kräftiger als im vergangenen Halbjahr (4,8 %) und im Fünfjahresschnitt (4,6 %). In den Landkreisen sei der Mietzuwachs mit 5,6 Prozent konstant zum Vorhalbjahr (5,5 %).
Bezahlbarkeit durch höhere Gehälter gesichert
Zweifeln bezüglich der Bezahlbarkeit dieser Angebotsmieten treten die JLL-Analysten mit dem Hinweis auf gestiegene Gehälter entgegen. Die Nominallöhne seien im ersten Quartal um 6,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen und damit deutlich stärker als die Inflation im gleichen Zeitraum (2,5 %). „Der starke Anstieg der Nominallöhne bei einer leichten Erholung der Arbeitsmärkte hat einen deutlichen Effekt auf die Erschwinglichkeit“, sagt Sören Gröbel, Director of Living Research JLL Germany.
Die höchsten Zuwächse bei den Angebotsmieten gab es erneut in Berlin mit im Schnitt 11,4 Prozent (Vorjahr: 16,7 %). Dahinter folgen Leipzig (9,8 %), Frankfurt (9,4 %), Düsseldorf (7 %), Stuttgart (5,2 %) und Hamburg (5 %). Deutlich schwächer war das Mietwachstum in Köln (1,4 %) und München (3,2 %).
Im Neubausegment legten die Mieten um 7,8 Prozent zu (Vorjahr: 5,1 %). Spitzenreiter ist hier Frankfurt mit einem Anstieg von 15,3 Prozent. Auch in Hamburg (12 %) und Düsseldorf (10,3 %) gab es zweistellige Zuwächse, in Berlin hingegen nur ein Plus von 1,5 Prozent. Bei den Spitzenmieten wurden für Düsseldorf (10,7 %) und Frankfurt (10,3 %) die stärksten Mietanstiege registriert.
Als Treiber der Mieten sehen die JLL-Analysten das anhaltende Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage, das sich durch die lahmende Neubautätigkeit verfestige.
Kaufpreise für Wohnungen weiterhin unter Druck
Bei den Kaufpreisen für Eigentumswohnungen habe sich die Abwärtsbewegung etwas abgeschwächt. Im Schnitt seien die Preise in den acht Metropolen im ersten Halbjahr 2024 um 3,6 Prozent gefallen und damit nur noch halb so stark wie im Halb- und Ganzjahresvergleich. Im Schnitt seien die Kaufpreise (Neubau und Bestand) um 3,6 Prozent gesunken, im vorherigen Halbjahr und im Vorjahr betrug das Minus 7,4 Prozent respektive 7,3 Prozent. Am stärksten fällt der Rückgang mit 6,5 Prozent in Frankfurt aus, gefolgt von Stuttgart (5,3 %). München (minus 3,9 %), Köln (minus 3,7 %), Leipzig (minus 3,4 %) und Berlin (minus 3 %) liegen eng beisammen im Mittelfeld, während in Düsseldorf (minus 2,3 %) und Hamburg (minus 0,6 %) die inserierten Kaufpreise nur moderat nachgaben. Die höchsten Preise sind mit durchschnittlich 8.563 Euro pro Quadratmeter in München zu bezahlen, für Neubauten sind es knapp 11.000 Euro pro Quadratmeter. Am preisgünstigsten ist der Eigentumserwerb in Leipzig mit durchschnittlich 3.003 Euro.
Angesichts der zuletzt wieder gestiegenen Finanzierungszinsen sei nur mit einer langsamen Belebung des Marktes für Eigentumswohnungen zu rechnen, so die Analyse von JLL.
BBU-Kritik: Mietpreise der sozial orientierten Vermieter fehlen in den Analysen
Mietpreis-Analysen, die allein auf den Angeboten der Internet-Portale basieren, wurden von Verbänden der sozial orientierten Wohnungswirtschaft wiederholt kritisiert. Nach Ansicht von GdW und BBU ergebe sich dadurch ein unvollständiges und verzerrtes Bild der realen Preislandschaft, da die Angebotsmieten von Genossenschaften und kommunalen Wohnungsunternehmen deutlich geringer ausfielen. Einen großen Teil ihrer freien Wohnungen würden diese Wohnungsunternehmen nicht in die Portale einstellen, sondern zum Beispiel über Wartelisten an Mietinteressenten oder über firmeneigene Portal vergeben. Daher flössen die günstigeren Mietangebote nicht in die Preisanalysen ein.
Aktuelle Daten dazu lieferte die Chefin des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU), Maren Kern, auf der Jahrespressekonferenz am 25. Juli. Unter Berufung auf die aktuellen Ergebnisse des Zensus 2022 warnte Kern gegenüber der Presse: „Mieten in Berlin ist günstig. Indem die von Immobilienportalen verbreiteten Angebotsmieten das nicht abbilden, führen sie nicht nur zu einer verzerrten Wahrnehmung der Lage am Wohnungsmarkt und schüren Ängste, sondern befördern auch wohnungspolitische Fehlentscheidungen.“
Laut Statistik des Verbandes lag die durchschnittliche Nettokaltmiete im Bestand bei Berliner BBU-Mitgliedsunternehmen im Juni 2022 bei 6,50 Euro. Der Zensus ergab eine durchschnittliche Bestandsmiete (über alle Arten von Mietwohnungen) von 7,67 Euro. Die Portalmieten hingegen lagen 2022 bei 11,54 Euro und damit um 78 Prozent über dem Niveau von Genossenschaften und städtischen Wohnungsunternehmen.
Der BBU hat seine Mitgliedsunternehmen gefragt, auf welchen Wegen sie in der Regel ihre Wohnungsangebote veröffentlichen. 41 Prozent gaben an, ihre freien Mietwohnungen „nie“ auf den Immobilienportalen zu veröffentlichen; 33 Prozent tun das „gelegentlich“. Damit kämen 74 Prozent der vergleichsweise günstigen BBU-Mieten auf den Massenportalen praktisch nicht vor.
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Thomas Engelbrecht
