Bürokratie auf Zickzackkurs: Alte Styropor-Dämmplatten sind nun doch kein gefährlicher Abfall
Dem Beschluss vorausgegangen waren in den Wochen seit 1. Oktober offenbar massive Entsorgungsprobleme auf vielen Baustellen. Bauhandwerker, die mit der Sanierung von Gebäuden beschäftigt sind, wurden altes Dämmmaterial nicht mehr los, weil vielen Müllverbrennungsanlagen mit dem Stichtag die Genehmigung fehlte, HBCD-haltige Styroporplatten anzunehmen.
Alte Dämmplatten türmen sich auf Baustellen
Neben dem zusätzlichen Hindernis für den Klimaschutz beklagte die Wohnungswirtschaft einen massiven Kostenanstieg für Modernisierungsprojekte. Der BFW Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen befragte im November seine Mitgliedsunternehmen. 60 Prozent gaben an, dass sich die Entsorgungskosten von HBCD-haltigen Dämmstoffen zwischen 10 und 30 Prozent verteuert hätten, 16 Prozent stellten Kostensteigerungen von über 50 Prozent fest. 38 Prozent der befragten Projektentwickler beklagten, dass Entsorgungsbetriebe im Herbst generell keine alten Styroporplatten mehr annähmen, und rund ein Drittel der Unternehmen gab an, dass Modernisierungen auf Eis gelegt worden seien. In Fällen von Annahmestopp waren die Bauherren gezwungen, Styroporplatten in Containern oder anderweitig zwischenzulagern, was zusätzliche Kosten verursachte.
Das Flammschutzmittel Hexabromcyclododecan
Für das Flammschutzmittel Hexabromcyclododecan (HBCD) gilt seit Frühjahr 2016 in der EU ein weitgehendes Handels- und Verwendungsverbot. HBCD war lange das wirtschaftlich wichtigste Flammschutzmittel für Polystyrol-Dämmstoffe. Entsprechend gab es für diese Dämmstoffe noch Übergangsregeln, die Ende September 2016 ausliefen. Seit dem 1. Oktober galten Baustellenabfälle und Dämmstoffreste, die HBCD enthalten, als Sondermüll. Vielen Müllverbrennungsanlagen fehlte mit dem Stichtag die Genehmigung zur Entsorgung.
Die Kehrtwende des Bundesrates
Auf Antrag des Landes Nordrhein-Westfalen beschloss der Bundesrat mit großer Mehrheit, eine für ein Jahr befristete Ausnahmeregelung für HBCD zu schaffen. Die bisherigen Entsorgungswege können solange genutzt werden, bis eine praktikable Abfallrechtliche Lösung gefunden ist. Der Beschluss des Bundesrates muss von der Bundesregierung noch bestätigt werden. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks sagte zu, dass dies noch in einer Kabinettssitzung vor Weihnachten geschehen soll. Im Januar werde sie zu einer Bund-Länder-Sitzung einladen, um die chemikalien- und abfallrechtlichen Fragen zu erörtern. Ein Entsorgungsnotstand wie im Herbst dürfe sich nicht wiederholen. Für die Umwelt entstehe kein Schaden, das das HBCD bei der Müllverbrennung komplett unschädlich gemacht werde.
In der IVV immobilien vermieten & verwalten Heft 01-02/2017:
► Die Nassauische Heimstätte/ Wohnstadt ließ eine umfangreiche Studie über geeignete Dämmstoffe für den Bestand und den Neubau anfertigen. Die Ergebnisse fließen in eine Nachhaltigkeitsstrategie für Gebäudedämmung ein.
Die Ausgabe erscheint am 8. Februar 2017
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