Fassadengrün ist brandschutztechnisch weitestgehend unkritisch

Von Energieeinsparung durch zusätzliche Beschattung und Kühlung hin zu ästhetischer Aufwertung der Gebäude und nicht zuletzt Förderung biodiverser Lebensräume – die Vorteile von Grünfassaden sind unstrittig. Unsicherheiten gibt es allerdings immer wieder hinsichtlich des Brandschutzes. Zu Unrecht, denn Grünfassaden sind insbesondere für Gebäude unterhalb der Hochhausgrenze brandschutztechnisch weitestgehend unkritisch.

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BILD: M. Eisinger
BILD: M. Eisinger

Risikobeurteilung von Grünfassaden aus Sicht des vorbeugenden Brandschutzes

Im Vorfeld des in Berlin stattfindenden Weltkongresses Gebäudegrün 2023 erläutert Katja Eiselt, Leiterin des Berliner Brandschutzteams bei Arup, ihre Position.

In immer dichter werdenden Städten erschöpft sich der Raum für grüne Infrastrukturen wie Parkanlagen, Naherholungsgebiete, Grünflächen und Bäume. Die grüne Lunge schwindet zunehmend. Grünfassaden, die in der Vergangenheit häufig als architektonische Dekoration abgetan wurden, werden folglich zu einem wichtigen Beitrag, um die gebaute Umwelt unserer Städte nachhaltiger zu gestalten.

Bepflanzte Fassaden können nachweislich zu einem besseren Mikroklima beitragen, sie mindern die städtische Aufheizung, den sogenannten Hitzeinseleffekt, filtern Feinstaub und senken den Lärmpegel. Städte können mit Grünfassaden den Anteil von grüner Infrastruktur erhöhen und gleichzeitig den Energieverbrauch senken, die Luftqualität verbessern sowie das Wohlbefinden der Menschen steigern.

Diskussion über notwendige Brandschutzmaßnahmen für Grünfassaden

Ein Blick in die jüngst veröffentlichten bauordnungsrechtlichen Anforderungen an Fassadenbegrünungen in Hamburg schafft Klarheit mit der einvernehmlichen Festlegung, dass Fassadenbegrünungen nicht als Außenwandbekleidung gelten, „weil Pflanzen keine Baustoffe bzw. Bauprodukte sind, die zu einer Außenwand oder Außenwandbekleidung zusammengefügt werden können“. Die Befestigungssysteme und technischen Rankhilfen fallen allerdings sehr wohl in die Kategorie der Bauprodukte. Sie müssen die geltenden bauordnungsrechtlichen Anforderungen erfüllen.

Brandrisiko im Test

In den vergangenen fünf Jahren sind bereits eine Vielzahl von Großbrandversuchen in Anlehnung an genormte Raum- und Sockelbrandversuche im deutschsprachigen Raum durchgeführt worden. Die Beobachtungen zeigen, dass sich die Pflanzen nach Löschen des Initialbrandes weitestgehend selbstlöschend verhalten. Das lässt sich durch den Wassergehalt in den lebenden Teilen der Pflanzen erklären. Die Brandgefahr von begrünten Fassaden hängt stark von dem Pflegezustand und von der Pflanzenart ab. Die langfristige Sicherstellung der Vitalität der Pflanzen ist eine grundlegende Voraussetzung für die Umsetzung von Grünfassaden. Hierfür müssen sowohl Bewässerung und Düngung sichergestellt als auch abgestorbene Pflanzenteile regelmäßig entfernt werden.

In allen bisher durchgeführten Versuchen konnte beobachtet werden, dass sich das Feuer horizontal nicht nennenswert ausbreitet und keine brennenden Teile herabfallen, was die Gefahr der Brandausbreitung durch Sekundärbrände begrenzt. Außerdem ließ sich durch Abstände von der Begrünung zur Brandkammer, also zu Öffnungen in der Fassade, und die Anordnung horizontaler Brandsperren aus Stahlblech die Temperaturentwicklung so weit beherrschen, dass ein Durchzünden oberhalb der Brandsperren oder Abstandsstreifen ausreichend lang verhindert werden konnte. 

Grünfassaden planen mit gesundem Menschenverstand

Ganz gleich ob nun eine wand- oder bodengebundene Begrünung der Fassade zum Einsatz kommt, muss jedes Gebäude individuell betrachtet und brandschutztechnisch beurteilt werden. Pflanzen lassen sich keiner Baustoffklasse zuordnen. Für jede Grünfassade sollte daher eine auf das Vorhaben bezogene Entscheidung für die Ausführung getroffen werden, die die in der Bauordnung verankerten Schutzziele berücksichtigt.

Bei der Gestaltung von Grünfassaden ist es entscheidend, dass bis auf die Pflanzen selbst Baustoffe verwendet werden, die mindestens den geltenden baurechtlichen Anforderungen an Außenwandbekleidungen entsprechen. Befestigungssysteme, Unterkonstruktionen oder Rankhilfen sollten im Wesentlichen nichtbrennbar ausgeführt werden. Grundsätzlich müssen Grünfassaden so konzipiert sein, dass sie die Angriffswege für Feuerwehr- und Rettungskräfte sowie die Sicherheit von Rettungswegen nicht beeinträchtigen. Das heißt, vorgesehene Flächen für den Löschangriff sowie Flucht- und Rettungswege müssen entsprechend den Vorschriften klar gekennzeichnet und frei von Bewuchs sein. In Ergänzung zu den baulichen Maßnahmen ist es entscheidend, dass auch die Pflanzenarten sorgfältig ausgewählt werden. Gesunde und vitale Pflanzen stellen ein geringeres Risiko für die Entzündung und Brandweiterleitung dar, weswegen sie unbedingt unter Berücksichtigung ihres natürlichen Habitats ausgewählt werden müssen. Die regelmäßige Pflege und Wartung der Grünfassaden sollten, nicht nur aus Sicht des Brandschutzes, selbstverständlich sein.

In der Gebäude- und Stadtplanung werden die positiven Effekte von Gebäudegrün zukünftig eine immer größere Rolle spielen. Dazu müssen Grünfassaden einen gleichwertigen Platz neben begrünten Dächern einnehmen und als Teil der Lösung in den Köpfen von Bauschaffenden stärker verankert und Hindernisse in Planung und Genehmigung beseitigt werden. Brandschutztechnische Planungshilfen ermöglichen unkritische Fassadenbegrünungen und eine lebenswertere gebaute Umwelt.

Autorin: Katja Eiselt leitet das Berliner Brandschutzteam beim Planungs- und Beratungsbüro Arup. Im Anschluss an ihre Ausbildung zur Stuckateurin studierte die Brandschutzexpertin Bauingenieurswesen an der Fachhochschule in Potsdam.

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