„Während wir über Klimaschutz reden, wächst der Sanierungsstau“
Immobilienwirtschaft leidet unter Fachkräftemangel
Gemäß VDIV-Branchenbarometer hat sich die Zahl der Mitarbeiter und die Zahl der Ausbildungsplätze in Hausverwaltungen leicht erhöht. Das wäre doch ein schöner Erfolg. Wie schaffen die Verwaltungsunternehmen das?
Generell leidet auch die Immobilienwirtschaft unter Fachkräftemangel und der Zuwachs ist regional verschieden. Allerdings ist die Branche bietet Sicherheit – was auf den Arbeitnehmermarkt ausstrahlt. Sichere Arbeitsplätze werden in unsicheren Zeiten attraktiver. Zudem tun die uns angeschlossenen Mitglieder viel für die Nachwuchsförderung. Nicht zufällig zeichnet mein Verband auf dem Festabend des Deutschen Verwaltertages in Berlin die Immobilienverwaltung des Jahres 2022 für exzellente Nachwuchsförderung aus.
>> Fachartikel zum Thema Fachkräftemangel | VDIV-Branchenbarometer 2022:
Durch attraktive Ausbildung können Verwalter Personalbestand halten
Material und Bauhandwerker sind knapp und sehr teuer, die Zinsen steigen, Bauprojekte sind zum Teil unkalkulierbar. Wie beurteilen Sie das aktuelle Sanierungsgeschehen in Wohnungseigentümergemeinschaften?
Nicht nur die steigenden Kosten für Material und Handwerker stellen ein Problem dar, sondern auch die aufgrund der Pandemie ausgefallenen Eigentümerversammlungen und damit verschobenen Beschlüsse. Während wir über den Klimaschutz reden, der ohne den Gebäudebestand nicht möglich sein wird, wächst der Sanierungsstau. Online-Eigentümerversammlungen, stabile Förderungen und neue Finanzierungsmittel sind dringend notwendig.
Die neue Heizkostenverordnung sieht – sofern Funkmessgeräte verbaut sind – monatliche Verbrauchsinformationen an Wohnungsnutzer vor. Können Sie etwas zum zusätzlichen Arbeitsaufwand für Verwaltungsunternehmen sagen?
Der Aufwand ist erheblich, die Wirkung fraglich. Aus unseren Erfahrungen wissen wir, dass die Nutzer bisher so gut wie nie aktiv nachgefragt haben. Gut gemeint, ist nicht immer gut gemacht.
Wie sind die Erfahrungen mit der hybriden Eigentümerversammlung? Wie ist die Akzeptanz von Eigentümern?
Hybride Eigentümerversammlungen sind lediglich ein Hilfsmittel, die reine Online-Versammlungen das Ziel. Bei hybriden Versammlungen müssen trotzdem Räume gemietet und Mitarbeitende vor Ort sein, die Technik ist aufwendiger, das Gleichgewicht in der Kommunikation schwieriger.
Im VDIV-Branchenbarometer gaben Verwalter an, dass sie wegen Covid in 70 Prozent der WEGs keine Eigentümerversammlung durchführen konnten. Ein Indiz für die mangelnde Akzeptanz hybrider Versammlungen auf Verwalterseite?
Eher ein Indiz dafür, dass viel zu lange auf reine Präsenzversammlungen beharrt wurde.
Das Justizministerium will die gesetzliche Grundlage für die reine Online-Versammlungen schaffen. Bedingung: 100 Prozent Zustimmung der Eigentümer. Verbraucherschützer sehen darin einen Eingriff in das Stimmrecht der Eigentümer. Was antworten Sie den Skeptikern?
Das Stimmrecht wird niemandem genommen und es wird auch nicht eingegriffen. Nach wie vor kann es direkt oder via Vollmacht genutzt werden. Wie im Aktien- und Vereinsrecht auch sind Online-Versammlungen nur ermöglicht, wenn die Rechte gewahrt und gesichert bleiben. Das schließt beispielsweise eine telefonische Einwahl nicht aus. Eine vorherige 100 Prozent-Zustimmung wie dies kolportiert wurde, ist illusorisch und nicht zielführend. Zudem ist es doch so, dass bereits heute etliche Eigentümer aus vielerlei Gründen den Versammlungen fernbleiben. Mit einer reinen Online-Versammlung gewinne ich diese vielleicht zurück. Ein gewisser Prozentsatz wird aber dennoch nie erscheinen. Es ist fadenscheinig damit zu argumentieren, dass wir Leute ausschließen wollen, die keinen Internetanschluss haben. In der Vergangenheit hat sich auch nie einer um Eigentümer gekümmert, die fußkrank waren oder denen die Versammlungszeit zu spät war. Wir schreiben das Jahr 2022 …
Wie können Verwalter angesichts der Energiepreisexplosion reagieren, um eine Unterdeckung der WEG-Konten zu verhindern?
Grundsätzlich sollten die Rücklagen jeder WEG so hoch sein, dass dies abgefedert werden kann. Gleichzeitig sollte der Verwalter in Abstimmung mit der Gemeinschaft die Vorauszahlungen entsprechend deutlich erhöhen. Wird die Wohnung vermietet, geht dies nicht ohne Zustimmung des Mieters. Allerdings sollte der Bundesregierung auch bewusst sein, dass es nicht nur den „reichen“ Eigentümer gibt. Für viele stellt die Eigentumswohnung eine Altersvorsorge dar, oft müssen noch Kredite bedient werden. Das kann durchaus zu sozialen Schieflagen führen.
Gibt es Vereinbarung mit Wohnungsnutzern zur vorsorglichen und freiwilligen Erhöhung der Betriebskostenvorauszahlungen?
Das nehme ich an, wir haben das aber nicht abgefragt. Sinnvoll ist es auf jeden Fall.
Vollzieht sich im Verwaltermarkt eine Konsolidierung? Gibt es einen Trend zu Zusammenschlüssen und Aufkäufen von Verwaltungsunternehmen?
Sichtbar ist vor allem, dass kleine, inhabergeführte Verwaltungen aufgrund des Alters der Geschäftsführenden ihre Unternehmen abgeben. Insgesamt sind viele kleine und mittlere Unternehmen am Markt.
Trifft es zu, dass Verwaltungen aufgrund nicht besetzter Stellen häufiger unrentable Gemeinschaften ablehnen oder abgeben?
Unrentable Gemeinschaften werden aus Personalmangel, aber vor allem auch, um die Kosten decken zu können, abgegeben. Hier setzt ein Trend ein, auf den wir seit langem hingewiesen haben. Etliche Gemeinschaften werden zukünftig Probleme haben, professionelle Verwaltungen zu finden.
Lassen sich in dieser Situation reduzierter Dienstleistungen Gebührenerhöhungen leichter durchsetzen?
Von welchen reduzierten Dienstleistungen sprechen Sie? Der Gesetzgeber bürdet unseren Verwaltungen permanent neue Regelungen auf, die es im Wohngebäude umzusetzen gilt. Gebührenerhöhungen lassen sich übrigens nie leicht durch- bzw. umsetzen, aber erhöhte Ansprüche erfordern erhöhte Gebühren. Gleichwohl lässt sich feststellen, dass bei einer vernünftigen Argumentation Gemeinschaften in der Regel bereit sind, Erhöhungen mitzutragen.
Durch die neue IKH-Prüfung „Zertifizierter Verwalter“ kommen auf Mitarbeiter bis zu 120 Unterrichtseinheiten zu. Wie stehen die VIDV-Mitglieder zu dieser staatlich verordneten, kostenintensiven Auflage?
Wie bei jedem Thema gibt es unterschiedliche Meinungen. Jedoch stehen der Verband und seine Mitglieder für die weitere Professionalisierung der Branche. Außerdem kann jeder gut ausgebildete Immobilienverwalter direkt zur Prüfung gehen und muss keine Unterrichtseinheiten nehmen.
Wie reagieren Eigentümer und wie gut sind sie über ihren neuen Anspruch informiert?
Die Eigentümer begegnen dem positiv. Wie gut sie über den neuen Anspruch informiert sind, liegt sicherlich sowohl am Verwalter als auch am Beirat der Gemeinschaft und jedem einzelnen selbst.
Die Fragen stellte Thomas Engelbrecht Lesen Sie auch die Berichte über den „Immobilienverwalter des Jahres 2022“ und über die Ergebnisse des VDIV-Branchenbarometers (aus IVV Ausgabe Oktober 2022, S. 17).
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„Bei einer vernünftigen Argumentation akzeptieren Gemeinschaften eine Gebührenerhöhung."
Redaktion (allg.)
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