Das Bundesmodell ist die Quadratur des Kreises
Der Bundesgesetzgeber befand sich seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 10. April 2018 in einer prekären Situation: einerseits wollte und musste er den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entsprechen und mit der neuen Grundsteuer eine verfassungskonforme Besteuerung des Grundvermögens schaffen. Diese Besteuerung müsste nach der Vorstellung des Bundesgesetzgebers einerseits den tatsächlichen Wert des Grundvermögens möglichst genau treffen und andererseits sollte diese Besteuerung im Vergleich zur alten Grundsteuer gesetzestechnisch einfacher sowie für Steuerbürger transparenter sein. Und nicht zuletzt sollte die neue Grundsteuer verwaltungsökonomisch umgesetzt werden können.
Die neue Grundsteuerreform auf Bundesebene zeigte schon sehr früh, dass diese Bestrebungen des Bundesgesetzgebers letztlich eine „Quadratur des Kreises“ bleiben würden und die neue Grundsteuer des Bundes im Ergebnis weder die tatsächlichen Immobilienwerte widerspiegeln noch transparenter sein wird und auch nicht verwaltungsökonomischer als die alte Grundsteuer umgesetzt werden kann. Wie kam es dazu? Die Antwort liegt auf der Hand: Bei annähernd 35 Millionen zu besteuernden Immobilien in der Bundesrepublik, die sich in Größe, Beschaffenheit, Lage, Bebaubarkeit, Bauzustand, Nutzung, privaten und öffentlichen Lasten, Veräußerbarkeit und als Ergebnis aller dieser und vieler anderer Faktoren im Wert stark voneinander unterscheiden, ist es nicht möglich, eine Grundsteuer zu schaffen, die den tatsächlichen Werten aller oder zumindest der überwiegenden Zahl dieser Immobilien nahe kommt, ohne ein gesetzestechnisches Bewertungs- und Berechnungsungetüm zu kreieren.
Manche Länder haben dieses Dilemma bereits bei Beratungen über die Reform der Grundsteuer erkannt und darauf gedrungen, die neue Grundsteuer nicht mehr ausschließlich bundeseinheitlich zu regeln, sondern für die Länder die Möglichkeit zu eröffnen, eigene Grundsteuergesetze erlassen zu dürfen. Mit der Änderung des Grundgesetzes (Art. 72, 105 und 125b) im November 2019 haben die Länder diese Möglichkeit erhalten, wobei abweichende Grundsteuergesetze der Länder erst ab dem 1. Januar 2025 anzuwenden sind. Die Übergangszeit soll dazu genutzt werden, eigene Länder-Grundsteuerlösungen zu erarbeiten.
Es haben sich bis März 2021 einzelne Länder-Modelle herauskristallisiert, die sich mehr oder weniger stark von der Grundsteuer des Bundes unterscheiden.
Das Flächenmodell
Am weitesten von der Grundsteuer des Bundes ist das sogenannte Flächenmodell entfernt, das von Bayern und mit Modifikationen von Hamburg, Hessen und Niedersachsen favorisiert wird. Das Flächenmodell stützt sich auf die Annahme, das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Urteil vom 10. April 2018 zwar die alte Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt, jedoch nicht gefordert, dass sich die neue Grundsteuer am Wert des Grundvermögens ausrichten müsse. Für und gegen diese Annahme sprechen einige gewichtige Argumente. In dem bezeichneten Urteil fordert das Bundesverfassungsgericht in der Tat nicht unmittelbar die Ausrichtung der neuen Grundsteuer am Wert des Grundvermögens. Allerdings bemängelt das Bundesverfassungsgericht die Anknüpfung der alten Grundsteuer an die völlig veralteten Werte des Grundvermögens. Es ist deshalb fraglich, ob eine Länder-Grundsteuer dem Grundgesetz entsprechen wird, wenn sie den tatsächlichen Wert des Grundvermögens völlig außer Acht lässt.
Der Bayerische Ministerrat hat am 6. Dezember 2020 gleichwohl den Regierungsentwurf für das Bayerische Grundsteuergesetz beschlossen. Nach diesem Entwurf wird sich die neue bayerische Grundsteuer nach der Fläche des Grundeigentums richten: Für Grundstücksflächen betragen die sogenannten Äquivalenzzahlen 0,04 Euro pro qm, für Gebäudeflächen 0,50 Euro pro qm. Für Wohngebäude beträgt die Äquivalenzzahl 0,35 Euro pro qm. Bei Gebäuden des sozialen Wohnungsbaus und bei Baudenkmälern sieht der bezeichnete Regierungsentwurf weitere Abschläge vor. Die maßgebliche Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer wird von bayerischen Finanzämtern festgestellt – erstmalig ab dem 1. Januar 2022. Die maßgeblichen Feststellungen sollen erst geändert werden, wenn sich die Grundstücksfläche oder die Gebäudenutzung ändern. Auf die festgestellten Bemessungsgrundlagen wenden die bayerischen Gemeinden ihre Grundsteuerhebesätze an.(Zitat))
In Hamburg wird sich die Grundsteuer ebenfalls im Grundsatz nach dem Flächenmodell richten: Die Bewertungszahlen für Grundstücks- und Gebäudeflächen sollen 0,02 Euro und 0,40 Euro pro qm betragen. Für Wohngebäude wird voraussichtlich ein Abschlag von der regulären Bewertungszahl von 0,40 Euro pro qm vorgesehen. Im Unterschied zum bayerischen Modell soll die Hamburger-Grundsteuer auch einen Lagefaktor enthalten: Je nach Lage werden die zu bewertenden Grundstücke in „normal gelegene“ und „gut gelegene“ aufgeteilt.
In Niedersachsen soll ebenfalls grundsätzlich ein Grundsteuer-Flächenmodell etabliert werden: Es ist geplant, die Bewertungszahlen für Grundstücks- und Gebäudeflächen auf 0,02 Euro und 0,40 Euro pro qm festzusetzen. Für Wohngebäude soll eine Bewertungszahl von 0,20 Euro pro qm gelten. Auf die berechneten Flächenergebnisse wird im zweiten Schritt ein Faktor angewendet: Je nach Lage der zu bewertenden Grundstücke sollen mehrere Faktoren – angeblich bis zu sieben – vorgesehen werden.
In Hessen soll ein modifiziertes Grundsteuer-Flächenmodell verabschiedet werden: Danach wird sich die Bemessung der Grundsteuer voraussichtlich nach der Fläche des Grundvermögens multipliziert mit einem Faktor richten. Die maßgeblichen Faktoren werden sich nach der Lage des zu bewertenden Grundstücks richten.
Das modifizierte Bodenwert-Modell
In Baden-Württemberg erließ der Landtag am 4. November 2020 bereits das eigene Grundsteuergesetz, das dem modifizierten Bodenwert-Modell folgt. Dieses Modell weicht erheblich sowohl von der Grundsteuer des Bundes als auch vom Flächenmodell ab. Bei dem Bodenwert-Modell wird ausschließlich die Grundstücksfläche mit dem maßgeblichen Bodenrichtwert multipliziert. Das Ergebnis ist der Grundsteuerwert. Ob das zu bewertende Grundstück bebaut ist oder nicht, ist für das Bodenwert-Modell unerheblich, denn die Fläche des Gebäudes fließt in die Berechnung der neuen Grundsteuer nicht mit ein. Im zweiten Schritt wird der Grundsteuerwert mit der Grundsteuermesszahl von 1,3 ‰ multipliziert. Wird das zu bewertende Grundstück überwiegend zum Wohnen genutzt, vermindert sich die betreffende Grundsteuermesszahl um 30 Prozent.
Zum Vergleich: Im alten bundeseinheitlichen Grundsteuergesetz beträgt die Grundsteuermesszahl 3,5 ‰, im neuen Grundsteuergesetz des Bundes beläuft sich die betreffende Messzahl auf 0,34 ‰, allerdings sind die beiden letzten Messzahlen nicht mit der Grundsteuermesszahl im baden-württembergischen Grundsteuergesetz deckungsgleich, da das neue Bodenwert-Modell anders konzipiert ist als die alte und die neue Grundsteuer auf der Bundesebene.
Durch Multiplizieren des Grundsteuerwerts mit der Grundsteuermesszahl wird der maßgebliche Grundsteuermessbetrag berechnet, der von den Finanzämtern festzustellen ist. Auf den festgestellten Grundsteuermessbetrag werden die baden-württembergischen Gemeinden ihre Grundsteuerhebesätze anwenden.
Das modifizierte Bundesmodell
Die Bundesländer Sachsen und Saarland wollen zwar am Bundesmodell der neuen Grundsteuer grundsätzlich festhalten, jedoch mit einigen gewichtigen Abweichungen. Der sächsische Landtag verabschiedete am 3. Februar 2021 ein eigenes Grundsteuergesetz, das weitgehend dem Grundsteuergesetz des Bundes folgt, jedoch für unbebaute und Wohngrundstücke eine Steuermesszahl von 0,36 ‰ und für Geschäftsgrundstücke von 0,72 ‰ vorsieht. Mit den verschiedenen Steuermesszahlen soll nach der Vorstellung des Freistaates Sachsen eine gerechtere Grundsteuerverteilung auf die verschiedenen Grundstücksnutzungen erreicht werden. Im Saarland soll ebenfalls das Grundsteuergesetz des Bundes weitgehend umgesetzt werden, wobei für einzelne Grundstücksnutzungen ebenfalls verschiedene Steuermesszahlen geplant werden.
Die Bundestreuen und die Unentschiedenen
Nahezu die Hälfte aller Bundesländer (Berlin, Brandenburg, Bremen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen) wollen nach eigenen Bekundungen beim Bundesmodell der neuen Grundsteuer bleiben und planen keine eigenen Grundsteuergesetze. Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern haben sich noch nicht entschieden, ob sie eigene Grundsteuergesetze erlassen.
Fazit
Es ist jetzt noch nicht abzusehen, wie sich die verschiedenen Modelle der neuen Grundsteuer auswirken werden. Eines scheint jedoch klar zu sein: Ein Flickenteppich aus verschiedenen Grundsteuer-Modellen, die sich erheblich voneinander unterscheiden, ist für den Wohn- und Wirtschaftsstandort Deutschland nicht unbedingt förderlich. Eine bürgerfreundliche Steuergesetzgebung sieht anders aus.
Reform der Grundsteuer
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Dr. jur. Alex Janzen
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