Frühjahrsgutachten der Immobilienweisen

„400.000 Wohnungen pro Jahr sind nicht zu schaffen“

Drei Personen in einem Haushalt – das werde in den nächsten Jahren ein wachsendes Hindernis bei der Wohnungssuche in den Städten sein. Denn im Geschossbau entstehen hauptsächlich kleine Wohnungen. Die Immobilienweisen glauben darüber hinaus nicht, dass die Bundesregierung das Neubauziel von 400.000 Wohnungen pro Jahr schaffen wird.

Im bundesweiten Mittel sind die Preise für Eigentumswohnungen 2021 um 14,3 Prozent auf 3.140 Euro pro Quadratmeter gestiegen. Foto: Adobestock/Elxeneize
Im bundesweiten Mittel sind die Preise für Eigentumswohnungen 2021 um 14,3 Prozent auf 3.140 Euro pro Quadratmeter gestiegen. Foto: Adobestock/Elxeneize

Bauwirtschaft weiter in robuster Verfassung

Für die Bauwirtschaft insgesamt skizziert das vom Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA) in Auftrag gegebene Frühjahrgutachten eine positive konjunkturelle Entwicklung. Die Bauwirtschaft bilde nach wie vor die verlässlichste Stütze des Aufschwungs, ohne jedoch im Jahr 2021 für größere zusätzliche Impulse gesorgt zu haben. Die Autoren des Gutachtens gehen davon aus, dass die Materialknappheit in der Branche im Laufe des Jahres 2022 überwunden werde, sodass sich die Bautätigkeit vor allem im Wohnungsbau weiter dynamisch entwickeln könne. Mit der konjunkturellen Erholung dürfte sich zudem die Situation im Wirtschaftsbau verbessern. Kapazitätsengpässe und der Fachkräftemangel bremse jedoch eine stärkere Expansion. Im Zusammenhang mit langwierigen Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie knappem Bauland werde der Nachfrageüberhang zumindest bestehen bleiben. Somit würden sich Bauleistungen und Bauland und somit die Immobilien weiter verteuern.

Mieten und Kaufpreise weisen weiter deutlich nach oben

Die Mieten für Bestandswohnungen (Angebotsmieten) seien auch im Jahr 2021 weiter gestiegen und hätten durchschnittlich 8,46 Euro pro Quadratmeter erreicht. Der Anstieg war mit +3,7 Prozent ähnlich dynamisch wie im Vorjahr (+3,1 %). Die Kaufpreise für Eigentumswohnungen haben ihren Anstieg im Jahr 2021 weiter beschleunigt. Im bundesweiten Mittel sind sie im Vergleich zu 2020 um 14,3 Prozent auf 3.140 Euro pro Quadratmeter gestiegen. Der Anstieg sei damit nochmals leicht stärker als im Vorjahr mit 11,2 Prozent.

Beim Neubau von Wohnungen überstieg die Zahl der Fertigstellungen 2020 mit 306.000 Wohnungen erstmals seit 20 Jahren wieder die Schwelle von 300.000. 2021 dürften es nach Einschätzung der Immobilienweisen rund 315.000 Wohnungen gewesen sein und auch in den nächsten Jahren dürfte der Neubau weiter steigen. „Trotz des hohen Bauüberhangs ist aber der Bau von 400.000 Wohnungen pro Jahr in dieser Legislaturperiode kaum erreichbar“, prognostiziert Prof. Harald Simons, Autor des Kapitels „Wohnimmobilien“ und Vorstandsmitglied bei der empirica AG. „Ein – durch welche Instrumente auch immer bewirkter – weiterer Anstieg der Baugenehmigungen kann sich aufgrund der langen Bauzeit insbesondere bei Geschosswohnungen erst in der nächsten Legislaturperiode in höheren Fertigstellungszahlen auszahlen.“

Nachfrage nach größeren Wohnungen wächst

Vor diesem Hintergrund macht Simons darauf aufmerksam, dass die Zahl der großen Haushalte mit drei und mehr Personen seit 2010 mit 6,6 Prozent stärker gestiegen ist als die Zahl kleinerer Haushalte (+3,1%), während der Anstieg im Neubau sich ausschließlich auf kleinere Geschosswohnungen konzentrierte. Die Folgen gerade für einkommensschwache Familien seien drastisch. Deutlich mehr als 40 Prozent aller einkommensschwachen Vier-Personen-Mieterhaushalte in Großstädten wohnten beengt auf unter 80 Quadratmeter Wohnfläche, fast 20 Prozent sogar auf unter 65 Quadratmeter. „Den Städten ist daher dringend anzuraten, zumindest ihre wohnungspolitischen Strategien zu überprüfen und Familien einen sehr viel größeren Stellenwert einräumen“, so Simons. „Weder können es die Städte hinnehmen, dass die Familien die Städte verlassen, noch, dass die verbleibenden Familien derart beengt wohnen. Beengte Wohnverhältnisse sind – nicht nur in Zeiten von Homeoffice und Homeschooling – sozial- und wohnungspolitisch inakzeptabel.“

Politik muss Zielkonflikt zwischen Regulierung und Beschleunigung lösen

Kein Frühjahrsgutachten der Immobilienweisen ohne Mahnungen an Regierung und Gesetzgeber, die Finger von weiteren Regulierungen des Marktes zu lassen.  „Die von der Politik beabsichtigte Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren, durch die Digitalisierung der Verwaltung, den Abbau von Bürokratie sowie durch modulares und serielles Bauen sind valide Ansätze, um Wohnraum schneller verfügbar sowie das Bauen billiger zu machen“, erklärt Prof. Lars P. Feld von der Universität Freiburg, der im Rahmen des Frühjahrsgutachtens 2022 die gesamtwirtschaftliche Entwicklung analysiert hat. „Dem stehen jedoch punktuelle Maßnahmen zum Erreichen der Klimaschutzziele entgegen. So kommen weitere Auflagen für die energetische Sanierung oder die Solarpflicht auf Dächern von Wirtschaftsimmobilien hinzu. Im Rahmen der im Koalitionsvertrag angekündigten Bau-, Wohnkosten- und Klimachecks muss die Politik diese Zielkonflikte auflösen, damit Regulierung und Bürokratie die angestrebte Dynamik im Wohnungsbau nicht bremsen.“ (Red.)

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