Wohnungsunternehmen im Norden legen Neubauten auf Eis
Die Mitgliedsunternehmen des vdw Niedersachsen Bremen haben ihre Ziele nach Verbandsangaben klar verfehlt. Statt wie erwartet im Geschäftsjahr 2022 rund 1,73 Milliarden Euro zu investieren, seien es am Ende lediglich 1,366 Milliarden Euro gewesen. Die Summe lag 80 Millionen Euro niedriger als im Vergleichszeitraum 2021 (1,445 Milliarden Euro).
Die Trendumkehr sei in erster Linie auf den Zusammenbruch beim Neubau zurückzuführen. Lediglich 577,5 (2021: 692) Millionen Euro wurden von den vdw-Mitgliedern in diesem Segment investiert. Noch deutlicher werde die Entwicklung, wenn man die noch Anfang 2022 bei den Unternehmen abgefragten Planzahlen zum Vergleich heranzieht: 841 Millionen Euro, so lautete die Kalkulation, sollten für neue Wohnungen aufgewendet werden.
„Das ist der erste Investitionsrückgang in unserem Verbandsgebiet seit 15 Jahren; wir sind im Krisenmodus“, sagt vdw-Verbandsdirektorin Susanne Schmitt.
Die Verbandsdirektorin, die im Juli eine Vielzahl von Mitgliedsunternehmen besuchte, rechnet mit einem weiteren starken Rückgang der Wohnungsbauzahlen:„Nach allem, was mir die Unternehmer vor Ort berichtet haben, liegen zahlreiche Planungen auf Eis. Der Bau bezahlbarer Wohnungen wird nach meiner Einschätzung 2024 und 2025 weit hinter den benötigten Zahlen zurückbleiben.“
Konzentration auf die Bestände
Mehr und mehr verlegten sich die sozial orientierten Wohnungsunternehmen auf die Sanierung ihrer Wohnungsbestände. „Das hohe Niveau der Vorjahre wurde 2022 insgesamt leicht übertroffen“, hebt die Verbandsdirektorin hervor. Die Modernisierungsausgaben lagen bei 360,4 Millionen Euro (2021: 380 Mio.), für Instandhaltungen wurden 428,5 Millionen Euro (2021: 373 Mio.) bereitgestellt. Die Planzahl in Höhe von 891 Millionen Euro wurde aber auch in diesem Bereich deutlich verfehlt. Der wesentliche Schwerpunkt bleibe die Senkung der CO2-Emissionen in bestehenden Gebäuden.
Geschäftsklima im Norden massiv eingetrübt
Mit der Jahresstatistik wurde die Stimmungslage der vdw-Mitglieder erfragt. Die Investitionserwartung liege demnach im Neubau bei einem Wert von 3,37 (Skala von 1 = deutlich zunehmend bis 5 = deutlich abnehmend / Vorjahrswert: 2,55) und im Bestand bei 2,33 (2,45). Abgefragt wurden auch der Geschäftslage-Index (Wie beurteilen Sie die gegenwärtige Geschäftslage Ihres Unternehmens?), der Geschäftserwartungs-Index (Wie wird sich Ihrer Einschätzung nach die Geschäftslage innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre entwickeln?) und der Geschäftsklima-Index (Zusammenfassung von Geschäftslage- und Geschäftserwartungs-Index). In allen Bereichen verzeichne der Mehrjahresvergleich absolute Tiefstwerte. Dr. Schmitt: „Kurz gesagt: Die Stimmung ist im Keller!“
Im Westen stagnierten die Investitionen 2022
Die Investitionen der sozial orientierten Wohnungswirtschaft in Nordrhein-Westfalen stagnieren. Das zeigt die Jahresstatistik des Verbandes der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (VdW) Rheinland Westfalen in seinem kürzlich veröffentlichten Jahresbericht.
Nachdem die Investitionen in den Jahren 2019 bis 2021 stark gestiegen seien, stagnierten sie 2022, allerdings auf hohem Niveau. Insgesamt investierten die VdW-Unternehmen 2022 rund 3,98 Milliarden Euro in den Neubau, die Instandhaltung und die Modernisierung von bezahlbarem Wohnraum. „Zwischen 2016 und 2022 hat fast eine Verdopplung der Investitionen in Neubau und Bestand stattgefunden“, betont Verbandsdirektor Alexander Rychter. Doch die Jahre der kontinuierlich steigenden Investitionen seien zinsbedingt und aufgrund immenser Baukostensteigerungen vorbei.
Die Zahl der fertiggestellten Wohnungen sei im Jahr 2022 laut statistischem Landesamt IT.NRW im Vergleich zum Vorjahr um 4,4 Prozent gesunken. Alexander Rychter rechnet mit einem weiteren Rückgang. „Die 2022 fertiggestellten Wohnungen sind noch unter vollkommen anderen Rahmenbedingungen geplant und gebaut worden, als wir sie heute erleben. Wir werden in den kommenden Jahren einen signifikanten Einbruch der Baufertigstellungszahlen erleben. Auch die sinkenden Baugenehmigungszahlen verheißen nichts Gutes für die Branche insgesamt.“
Im Norden sind die Unternehmen „komplett verunsichert“
Insgesamt sei die Branche komplett verunsichert, sagt Susanne Schmitt für die Mitgliedsunternehmen in Niedersachsen und Bremen: „Wir wissen nicht, was auf uns zukommt. Die Folgen von Heizungsgesetz, EU-Gebäuderichtlinie und anderen Vorgaben im Rahmen von Energiewende und Klimaschutz sind nicht vorhersehbar. Ältere Wohnungsbestände zu dekarbonisieren und gleichzeitig den Wohnraum bezahlbar zu halten, ist derzeit so gut wie nicht zu schaffen. Und weil man aktuell in der Luft hängt, geht es vielerorts nicht weiter.“ (Red.)