Justizministerium schafft Grundlage für virtuelle Eigentümerversammlung
Das Bundesjustizministerium hat einen Referentenentwurf für ein erweitertes Wohnungseigentumsgesetz vorgelegt. Der § 23 des WEG soll durch folgenden Absatz 2a ergänzt werden:
„Die Wohnungseigentümer können mit mindestens drei Vierteln der abgegebenen Stimmen beschließen, dass die Versammlung innerhalb eines Zeitraums von längstens drei Jahren ab Beschlussfassung ohne physische Präsenz der Wohnungseigentümer und des Verwalters an einem Versammlungsort stattfindet oder stattfinden kann (virtuelle Wohnungseigentümerversammlung). Die virtuelle Wohnungseigentümerversammlung muss hinsichtlich der Teilnahme und Rechteausübung mit einer Präsenzversammlung vergleichbar sein.“
Damit solle eine Beschlusskompetenz für die Eigentümer für virtuelle Wohnungseigentümerversammlungen geschaffen werden. Zur Begründung heißt es im Referentenentwurf: Der organisatorische, zeitliche und finanzielle Aufwand für die Durchführung von Versammlungen verringere sich. Es entfielen Fahrzeiten, es entstünden keine Kosten für die Anmietung von Versammlungsräumen und Übertragungstechnik wie bei hybriden Versammlungen. Auf Seiten der Verwaltungen reduziere sich der Personalaufwand.
VDIV: „Entwurf ist kurz, knapp und gut“
Der Verband der Immobilienverwalter Deutschland (VDIV) begrüßt die gesetzliche Grundlage für die virtuelle Eigentümerversammlung uneingeschränkt. „Der vorliegende Entwurf ist kurz, knapp und gut – und er vereinfacht das Wohnungseigentumsrecht“, so die erste Reaktion von VDIV-Geschäftsführer Martin Kaßler. Das hohe Beschluss-Quorum von 75 Prozent Zustimmung der Eigentümer zur virtuellen Versammlung sorge dafür, so Kaßler weiter, dass die breite Mehrheit dafür stimmen muss. Wie bisher auch könnten Eigentümer, die nicht an der Versammlung teilnehmen, von ihrem Vollmachtsrecht Gebrauch machen. Niemand werde also ausgeschlossen. Die Möglichkeit der reinen Online-Versammlung könne trotz Personalmangels die professionelle Verwaltung von kleineren Gemeinschaften weiterhin sicherstellen.
WiE: „Ausgrenzung älterer und nicht-onlineaffiner Eigentümer“
Dass die virtuelle Versammlung in Zukunft mit einer Dreiviertel-Mehrheit der Eigentümer beschlossen werden kann, empört den Verbraucherschutzverband Wohnen im Eigentum (WiE). Dessen Einwände und Bedenken seien durch das FDP-geführte Bundesjustizministerium „in den Wind geschrieben“ worden, beklagt WiE-Vorstand Gabriele Heinrich. Sie sieht eine einseitige Bevorzugung von Verwaltungen und Wohnungswirtschaft, denen die Arbeit leichter gemacht werden solle. Wohnen im Eigentum fürchtet von jeher um die Mitbestimmungsrechte der Eigentümer. Die Tür der Präsenzteilnahme sei immer offen zu halten. „Niemand sollte ausgeschlossen werden, nur weil er kein Internet nutzt oder nicht die notwendige Technik hat, gibt der Verband in seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf des Justizministeriums zu bedenken.
„Digitalisierung darf Versammlung nicht entwerten“
Wohnen im Eigentum beruft sich auf mehrere Richter, Professoren und Fachjuristen, die im vergangenen Jahr davor gewarnt hätten, dass die reine Online-Versammlung vor allem ältere sowie online unerfahrene Eigentümer benachteiligen könnte. „Die Mitbestimmungsrechte müssen persönlich ausgeübt werden können“, heißt es in dem Offenen Brief, der in der Zeitschrift für Miet- und Raumrecht erschienen sei. Die Eigentümerversammlung dürfe nicht „zu Gunsten falsch verstandener Digitalisierungsziele entwertet werden“. Auch die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) sowie die Bundesdelegiertenversammlung der Liberalen Senioren hätten sich gegen die reine Online-Eigentümerversammlung ausgesprochen. Solange es für die analoge Teilhabe einen Bedarf gebe, müsse es auch ein Recht darauf geben. (Red.)