Kann die neue Regierung das Ruder herumreißen?
Nach der Bilanz des Statistischen Bundesamtes wurden 2024 knapp 252.000 neue Wohnungen übergeben. Ein Rückgang von 14,4 Prozent oder 42.500 Wohnungen. Das sei der erste deutliche Rückgang, nachdem die Zahl fertiggestellter Wohnungen in den Jahren 2021 bis 2023 jeweils um 294.000 gelegen hatte, so die Statistiker.
Besonders starke Rückgänge gab es bei den meist von Privatpersonen errichteten Ein- und Zweifamilienhäusern: Mit 54.500 Einfamilienhäusern wurden 22,1 Prozent oder 15.400 weniger fertiggestellt als im Vorjahr. Die Zahl neuer Wohnungen in Zweifamilienhäusern fiel um 26,2 Prozent oder 6.300 auf 17.600. In Mehrfamilienhäusern, der zahlenmäßig stärksten und vor allem von Unternehmen gebauten Gebäudeart, wurden 135.300 Neubauwohnungen geschaffen, das waren 13,4 Prozent oder 21.000 weniger als im Jahr 2023.
Auch Zahl der Baugenehmigungen bricht massiv ein
Besserung ist vorerst nicht in Sicht, denn wie das Statistische Bundesamt weiter mitteilt, schrumpfte auch die Zahl der Baugenehmigungen für Wohnungen im Jahr 2024 gegenüber dem Vorjahr um 17,1 Prozent auf 215.300 und war damit deutlich geringer als die Zahl der fertiggestellten Wohnungen.
Nach mehreren Leitzinssenkungen der Europäischen Zentralbank sind die Darlehenskosten für Bauschaffende in Richtung der Dreiprozentmarke gesunken. Ein erträgliches Maß, möchte man meinen, doch das Bauen bleibt teuer, weil sich bei den Baustoffen die Preissteigerungskurve zwar ein wenig abgeflacht hat, aber sie weist immer noch nach oben. Angesichts dieser schwierigen Rahmenbedingungen scheint sich die Erkenntnis durchzusetzen, dass sich notwendige Preissenkungen nur realisieren lassen durch eine Entbürokratisierung von Planung und Bauen und ein deutliches Lichten des Normendschungels.
Bundeskanzler Merz dauert das Bauen zu lange
Auf dem Tag der Bauindustrie im Mai, dem jährlichen Spitzentreffen der Branche, hatte Friedrich Merz als Bundeskanzler Mitte Mai seinen ersten Auftritt vor einem Wirtschaftsverband. In seiner Rede stellte Merz fest: „Wir bauen in Deutschland zu teuer, zu kompliziert und es dauert alles viel zu lange. Wir sind entschlossen, das zu ändern.“ In der ersten Rede vor dem Deutschen Bundestag nach seiner Wahl zum Bundeskanzler bezeichnete Merz das bezahlbare Wohnen „als eine der wichtigsten sozialen Fragen unserer Zeit“. Das Problem lasse sich nur durch „bauen, bauen, bauen“ lösen. Dafür werde die neue Koalition „den Mietwohnungsbau und die Eigentumsbildung mit Steuerentlastungen für Bauherren, mit einer Entbürokratisierung des Bauens und mit mehr sozialem Wohnungsbau“ forcieren.
Bauministerin Hubertz will mit der Brechstange ans Baurecht
Auch Bundesbauministerin Verena Hubertz (SPD) hatte ihren Auftritt auf dem Tag der Bauindustrie. Sie versprach – wie schon in ihrer ersten Rede im Parlament – in den ersten 100 Tagen einen Bau-Turbo zu installieren und den § 246e ins Baugesetzbuch einzuführen. Die Ministerin verwies darauf, dass die Genehmigungsverfahren zuweilen länger dauerten als der Bau selbst. Deshalb wolle sie Gesetze verändern. „Deswegen müssen wir schnell neues Bauland ausweisen. Wir müssen Dachgeschosse aufstocken; wir müssen nachverdichten“, so Verena Hubertz im Bundestag. Die Einführung des § 246e nannte die Ministerin „die Brechstange, die wir brauchen“.
Damit liegt sie auf einer Linie mit dem Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA) und dem Hauptverband der Bauindustrie. Zusätzlich fordern die Interessenverbände die gesetzliche Absicherung des Gebäudetyps E und damit die generelle Vereinfachung von Baustandards.
26 Monate von der Genehmigung bis zur Fertigstellung
Wie zäh Planungs- und Bauprozesse in Deutschland ablaufen, bestätigt wiederum die jüngste Bilanz des Statistischen Bundesamtes. Die Zeit von der Genehmigungserteilung bis zur Fertigstellung einer Wohnung habe sich bei den im Jahr 2024 fertiggestellten Wohngebäuden auf 26 Monate weiter verlängert. Im Jahr 2023 hatte der Bau einer Wohnung noch 24 Monate gedauert, im Jahr 2020 lediglich 20 Monate.
IW Köln meldet weiter steigende Mieten
Die von Kanzler Merz identifizierte „wichtigste soziale Frage unserer Zeit“ entwickelt derweil zunehmende Sprengkraft, denn die Nachfrage nach Wohnungen in den Ballungszentren übersteigt das Angebot immer stärker. Folglich sind die Neuvertragsmieten im vierten Quartal 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 4,7, Prozent gestiegen. Das geht aus dem Anfang Februar veröffentlichen IW Wohnindex hervor. Besonders groß sei der Sprung in Berlin (8,5 Prozent mehr), in Essen (8,2 Prozent mehr) und in Frankfurt (8 Prozent) gewesen. Auch Mieter in Leipzig (7,3 Prozent) und Hamburg (5,4 Prozent) müssten deutlich tiefer in die Tasche greifen. Dass die Mieten weiter steigen, liege vor allem daran, dass Wohnungen in vielen Regionen noch immer viel zu knapp sind, besonders in Städten und begehrten Lagen. Noch deutlicher werde diese Entwicklung beim Vergleich mit 2022. In nur zwei Jahren seien die Neuvertragsmieten in etlichen deutschen Städten um mindestens zehn Prozent gestiegen. Spitzenreiter sei Berlin mit mehr als 22 Prozent. „Mieter zahlen für den Mangel“, sagt IW-Immobilienexperte Pekka Sagner. Entspannung sei nicht in Sicht: Auch 2025 entstünden deutlich zu wenige neue Wohnungen. „Wenn es so weitergeht, wird Wohnen zum Luxus. Dazu darf es nicht kommen“, so Sagner.
SPD-Justizministerin will Mietpreisbremse schärfer anziehen
Aus Sicht von Bau- und Wohnungswirtschaft werden die guten Vorsätze der schwarz-roten Regierung zur Entbürokratisierung des Bauwesens durch die Verlängerung der Mietpreisbremse konterkariert. Im Koalitionsvertrag haben sich CDU/CSU und SPD darauf verständigt, die Mietpreisbremse - ohne weitere Verschärfungen - um weitere vier Jahre bis Ende 2029 zu verlängern. Einen entsprechenden Beschluss hat das Bundeskabinett Ende Mai getroffen. Zuvor hatte Justizministerin Stefanie Hubig (SPD) in einem Interview mit der FAZ ankündigte, die Mietpreisbremse nicht nur verlängern, sondern sie auf Gebäude mit Baujahr 2014 und 2019 ausweiten zu wollen. Diese Ausweitung der Regulierung auf "Neubauten" findet sich nun nicht im Entwurf, der zur Abstimmung in den Bundestag geht.
Redaktion (allg.)
