Regierung bekräftigt Ziel von jährlich 400.000 neuen Wohnungen
Ein breites Bündnis aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zur Beschleunigung von Bauprozessen ist keine Erfindung der Ampelregierung. Ein erstes Bündnis auf Bundesebene hatte bereits die damalige Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) im Juli 2014 ins Leben gerufen. Seither hat sich bei vielen Bauexperten die Erkenntnis durchgesetzt: Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem. Und so sind die meisten Maßnahmen, die sich im jetzt unterzeichneten Paket wiederfinden, wohlklingende Ankündigungen, die immer wieder öffentlich vorgetragen werden.
Die Beschlüsse des Bündnisses bezahlbarer Wohnraum im Überblick
Staatliche Förderungen für den Wohnungsbau:
Bis 2026 wird der Bund für den sozialen Wohnungsbau 14,5 Milliarden Euro bereitstellen. Die Bundesländer sagen zu, diese Mittel vollständig abzurufen und die Kofinanzierung zu gewährleisten. Der Bund wird Anfang 2023 die Neubauförderung neu ausrichten und ein Wohneigentumsprogramm auflegen sowie ab 1. Juli 2023 die lineare AfA für die Abschreibung von Wohngebäuden von zwei auf drei Prozent erhöhen. Die Bundesregierung hat sich zudem zum Ziel gesetzt, eine neue Wohngemeinnützigkeit, verbunden mit einer steuerlichen Förderung und Investitionszulagen, anzugehen. Zudem ist vereinbart, dass das Bundesbauministerium die Mittel für die Städtebauförderung dauerhaft absichert, damit das Wohnumfeld zukunftsfest weiterentwickelt werden kann.
Digitalisierung der Planungs- und Bauprozesse:
Das Ziel des Bündnisses ist die „digitale Rathaustür“. Es soll bundesweit möglich werden, einen digitalen Bauantrag zu stellen. Gleichzeitig sollen Innovationsklauseln in den Landesbauordnungen erarbeitet werden, zum Beispiel für eine Genehmigungsfreiheit von Dachgeschossausbauten. Auch eine Standardisierung von digitalen Anwendungen beim Building Information Modeling (BIM) ist aus Sicht der Bündnis-Mitglieder zwingend erforderlich.
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Serielles und modulares Bauen:
Damit serielles und modulares Bauen in größerem Umfang angewendet wird, sollen bereits einmal erteilte Typengenehmigungen bundesweit gelten. Dafür sollen entsprechende Regelungen in den Landesbauordnungen verankert werden. Diese Technologien werden mithilfe einer Geschäftsstelle im neuen Bundesbauministerium und eines runden Tisches „Serielles Bauen“, Best-Practice-Beispielen sowie einer umfassenden Begleitforschung vorangetrieben.
Bereitstellung von Baugrund:
Damit Kommunen strategisch Boden bevorraten können, sollen kommunale und regionale Bodenfonds errichtet werden. Kommunale digitale Potenzial- und Brachflächenkataster sollen zeigen, wo das notwendige Bauland vorhanden ist.
Gebäude ressourcenschonender errichten:
Über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes sollen weniger Treibhausgase emittiert sowie weniger Ressourcen, Flächen und Energie verbraucht werden. Damit dies gelingt, werden beim Neubau die Anforderungen im Ordnungsrecht (GEG) weiterentwickelt. Der Bund wird Anfang 2023 das Förderprogramm „Klimafreundliches Bauen“ auf den Weg bringen, das sich stärker am Lebenszyklus von Gebäuden ausrichtet. Der digitale Gebäuderessourcenpass für Neubauten hilft, die Wiederverwendung der Bauprodukte und das Recycling von Baustoffen planen zu können.
Auf einem Bündnis-Tag bezahlbarer Wohnraum soll jährlich über die Umsetzung des erarbeiteten Maßnahmenpakets öffentlich Bilanz gezogen werden.
Immobilienverbände melden erneut Zweifel an
Neben dem Bundesbauministerium sind 35 Mitglieder im Bündnis vertreten. Die Interessen und Sichtweisen der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft werden von BFW, GdW, Haus & Grund, IVD, vdp, VDIV und ZIA in die Diskussionen eingebracht. Diese Gruppe bewertet das Maßnahmenpaket des Bündnisses in einer eigenen Erklärung. Die Gruppe hält das Neubauziel von jährlich 400.000 Wohnungen „aufgrund der aktuellen Rahmenbedingungen, die sich durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine in den vergangenen Monaten nochmals verschlechtert haben, für unrealistisch“.
Aus Sicht der Immobilienwirtschaft dürften deshalb keine Maßnahmen beschlossen werden, die zusätzliche Belastungen auslösen. Die Verbände begrüßen, dass die von ihr eingebrachten Vorschläge, die zur Beschleunigung, Vereinfachung und Entbürokratisierung beim Neu- und Umbau, Aufstockungen und Anbau führen können, berücksichtigt wurden.
Die Verbände-Gruppe kritisiert gleichzeitig, dass das Maßnahmenpaket zahlreiche Vorgaben enthalte, die die Steigerung der Fertigstellungszahlen nachweislich behindere. Dazu gehörten beispielsweise das Ziel, die Flächeninanspruchnahme für Siedlungen und Verkehr bis zum Jahr 2030 auf unter 30 Hektar pro Tag zu reduzieren und bis zum Jahr 2050 bis auf Netto-Null zu senken sowie die Fortentwicklung des kommunalen Vorkaufsrechts.
Steigende Energiestandards machen Bauen unbezahlbar
Kontraproduktiv wirkten sich auch Vorgaben aus, wie die jüngst in Kraft getretene Verpflichtung zum hydraulischen Abgleich, da hierdurch personelle und vor allem finanzielle Kapazitäten in erheblichem Umfang vom klimaschonenden Bauen abgezogen würden.
Äußerst kritisch bewerten die Verbände erneut den EH40-Standard für Neubauten ab 2025. Immer höhere und damit teurere Energiestandards bremsten die Bauaktivitäten. Die Klimaziele könnten kostengünstiger und effektiver erreicht werden, wenn ganzheitliche Ansätze verfolgt werden, bei denen der Quartiersgedanke unter Berücksichtigung aller Gebäudeeigentümer die zentrale Rolle spielt. Die Betrachtung allein von Einzelgebäuden müsse der Vergangenheit angehören.
>> „Bauen, bauen, bauen – das war gestern“
Die Verbände fordern in ihrer gemeinsamen Erklärung die Priorisierung derjenigen Maßnahmen, die zur Erreichung des Kernziels des Bündnisses beitragen. Sie fordern seitens des Bundes, der Länder und Kommunen ein klares Bekenntnis zur Technologieoffenheit, zur Straffung von Verfahrensschritten und Verwaltungsprozessen sowie zur Baulandaktivierung.
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