Frühjahrsgutachten der Immobilienweisen

Wohnungsbau steht vor einer Rezession

Das Frühjahrsgutachten der Immobilienweisen steckt voller Alarmzeichen für einen drohenden Zusammenbruch des Wohnungsneubaus. Gestiegene Baupreise und Zinsen ließen Projektkalkulationen „zerbröseln“. Bis 2025 drohe eine Lücke von 700.000 Wohnungen.

Baukräne werden sich immer weniger über Wohnungsprojekten drehen. Foto: Adobestock/Michael Rosskothen
Baukräne werden sich immer weniger über Wohnungsprojekten drehen. Foto: Adobestock/Michael Rosskothen

Auftraggeber der jährlich wiederkehrenden Studie ist der Zentrale Immobilien Ausschuss. ZIA-Präsident Andreas Mattner übergab das aktuelle Gutachten jetzt an Bundesbauministerin Klara Geywitz. Kernsignale der Analyse: Bauinvestitionen seien in vielen Bereichen unattraktiv wie seit vielen Jahren nicht. Drastische Steigerungen bei den Baupreisen und den Zinsen ließen in den zurückliegenden Monaten Projektkalkulationen oft regelrecht zerbröseln.

Bauinvestitionen so unattraktiv wie langem nicht

Die Lage der gesamten Volkswirtschaft analysiert im Gutachten Lars P. Feld, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Sein Befund mit Blick auf die Branche: Vielen Projektentwicklern und Wohnungsunternehmen fehlten die Anreize zu bauen, weil zum einen die Aussicht auf sinkende Immobilienpreise bei gleichzeitig steigenden Baukosten und teuren (Zwischen-)Finanzierungen riskant sei. Zum anderen sei die Toleranz für höhere Mieten angesichts der hohen Inflation und niedriger Realeinkommen gering, und das schmälere die Mietenrenditen bei gleichzeitig steigenden Zinsen.

Gefahr des Stellenabbaus in der Bauwirtschaft

Prof. Feld sieht die Gefahr eines Stellenabbaus in der Bauwirtschaft. Ausländische Bauarbeiter könnten in andere europäische Ländern abwandern. Es sei kaum möglich, die Kapazitäten dann auf Knopfdruck wieder hochzufahren, wenn sich die Situation für die Baubranche entspannt hat.

ZIA-Präsident Andreas Mattner befürchtet, die wachsende Wirtschaftlichkeitslücke könne eine immer bedrohlichere „Wohnraumlücke“ auslösen. „Für das Jahr 2022 liegt beim Wohnungsbau bereits ein kumuliertes Neubaudefizit in der Zahl fast aller Wohnungen in Bremen vor, im Jahr 2024 wären rechnerisch alle Saarländer ohne Wohnung, für 2025 könnte das Gap aus ZIA-Sicht bei 700.00 Wohnungen beziehungsweise 1,4 Mio. Menschen liegen“, so Mattner, „das entspräche fast dem Wohnungsbestand des Saarlandes und Bremen zusammengenommen.“

Mangel an Wohnungen verschärft sich

Das Kapitel „Wohnimmobilien“ im Frühjahrsgutachten hat Prof. Harald Simons (empirica) formuliert. Er betont, dass 2022 rund 1,5 Millionen Menschen, hauptsächlich Flüchtlinge aus der Ukraine, nach Deutschland gekommen seien. Das sei die höchste Zuwanderung seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland. Die Nachfrage nach Wohnungen sei dadurch sprunghaft gestiegen. Entsprechend sei die Wirkung auf die Wohnungsmieten, die im Bestand 2022 mit +5,2 Prozent wieder etwas stärker als in den Vorjahren angestiegen seien.

Noch stützt der hohe Bauüberhang den Wohnungsbau

In dieser Situation des Wohnungsmangels werde der Neubau immer unwirtschaftlicher. Der Neubau von Wohnungen sei mit den hohen Baupreisen plus höheren Zwischenfinanzierungskosten und hohen Grundstückskosten „meist nicht mehr wirtschaftlich, da die erzielbaren Mieten unterhalb der Kostenmieten liegen und die Verkaufspreise aufgrund der höheren Zinsen nicht mehr von den Käufern finanziert werden können“, sagt Prof. Simons. Seine Prognose: „Der hohe Bauüberhang, entstanden durch die Trägheit in den letzten Jahren, hat den Wohnungsneubau noch 2022 gestützt und könnte dies auch 2023 noch tun.“ Zukünftig werde sich aber eine beträchtliche Neubaulücke auftun.

Die Kaufpreise für Eigentumswohnungen sänken seit dem Anstieg der Zinsen. Vom zweiten bis zum vierten Quartal 2022 hätten sie bundesweit insgesamt um 3,2 Prozent nachgegeben. In den A-Städten sei der Rückgang mit 2,1 Prozent bis 7,8 Prozent meist stärker gewesen.

Forderungen an die Bundesregierung

ZIA-Präsident Andreas Mattner stellte konkrete Forderungen an die Bundesregierung zur Ankurbelung der Bautätigkeit. Der konventionelle Wohnungsbau komme nur noch durch einen Dreiklang voran:

  • Preissenkung beim Wohnungsbau und damit Abbau der enormen Staatsquote am Produkt
  • Verbesserte Finanzierungsbedingungen, zu denen eine nennenswerte Förderung wie in der Vergangenheit sowie eine echte degressive AfA gehören
  • Verzicht auf eine weitere Begrenzung der Einnahmeseite

Konkret verlangt Mattner den Abschied von der Mietpreisbremse und generell einen strikten Verzicht auf weitere Mietenregulierung.

Als weitere Instrumente und Förderungen der Bautätigkeit fordert der ZIA die Anwendung des seriellen und modularen Bauens auf breiter Front; eine Neubauförderung mit einem Volumen von jährlich zehn Milliarden Euro (derzeit umfasst die Neubauförderung eine Milliarde) sowie eine wesentlich höhere degressive Sonder-AfA, als die erst kürzlich beschlossenen drei Prozent.

Thomas Engelbrecht

Thomas Engelbrecht
Chefredakteur
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