„In der Wohnungswirtschaft rollt eine Stornowelle“
Der Immobilienstimmungsindex wird vom Institut der deutschen Wirtschaft IW seit 2020 in Kooperation mit dem Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA) erstellt. Vor allem die aktuelle Lage der Unternehmen wird in der Befragung weniger positiv eingeschätzt, der Wert beträgt lediglich 6,3 Punkte – noch im Dezember 2021 lag dieser Wert bei 65,6 Punkten. Der Erwartungswert liege nun bei -23,4 – eine leichte Verschlechterung gegenüber dem Vorquartal. Sorgen vor einer Rezession mit Auswirkungen auf die Nachfrage sowie vor weiter verschlechterten Finanzierungsbedingungen spiegeln sich in diesen Zahlen, so analysiert das IW Köln.
Allein in Bayern werden 2.000 neue Wohnungen gestrichen
Wie sich die die negativen Rahmenbedingungen auf der Ebene einzelner Wohnungsunternehmen auswirken können, zeigen die jüngsten Analysen des VdW Bayern. Ende Dezember meldete der Verband: „Bei der Wohnungswirtschaft rollt die Stornowelle“. Die jüngste Umfrage unter den 495 Mitgliedsunternehmen des VdW Bayern habe ergeben, dass im Wohnungsbau und bei energetischen Modernisierungen zahlreiche Projekte gestrichen würden. Betroffen seien 2.000 neue Wohnungen, darunter 1.000 Sozialwohnungen und rund 1.500 Modernisierungsmaßnahmen. Als Hauptgründe für den Investitionsrückgang hätten die Wohnungsunternehmen gestiegene Material- und Finanzierungskosten sowie die mangelnde Verlässlichkeit bei den Förderprogrammen genannt.
Gegenüber den ursprünglichen Plänen legten Wohnungsunternehmen für die Jahre 2023 und 2024 rund 19 Prozent aller geplanten Neubauprojekte und über 27 Prozent aller geplanten Modernisierungen auf Eis. Bei 41 Prozent der befragten Wohnungsunternehmen werde das Investitionsniveau im Jahr 2023 sinken. Verbandsdirektor Hans Maier sieht die Ursache für diese Entwicklung in einer toxischen Gemengelage für die Wohnungswirtschaft: „Die aktuelle Energiekrise reiht sich in eine lange Kette ein. Teure Baukosten, steigende Zinsen und eine unzureichende Förderung für den Wohnungsbau führen zu einem starken Rückgang der Investitionen.“
Günstige Gaslieferverträge laufen aus
Die steigenden Kosten für den Einkauf von Energie belasten nicht nur die Liquidität der Wohnungsunternehmen, sondern auch die Mieterhaushalte. Der VdW Bayern geht davon aus, dass Mieterhaushalte mit einer Steigerung von durchschnittliche zehn Prozent bei den Warmmieten rechnen müssten. Auslöser sei das Auslaufen bestehender, günstiger Gasverträge zum Jahreswechsel. Zum Teil verfünffache sich der Gaspreis, den die Unternehmen im neuen Jahr zahlen müssten. Auch das ergab eine Umfrage des Verbandes unter seinen Mitgliedsunternehmen mit einem Bestand von 540.000 Wohnungen.
Bei mehr als 80 Prozent der Verbandsmitglieder sei Erdgas die wichtigste Energiequelle für die Versorgung ihrer Wohnanlagen. Da zum 31. Dezember 2022 bei jedem dritten befragten Wohnungsunternehmen die bestehenden Lieferverträge auslaufen, würden die Preise für Wärme- und Warmwasserversorgung ab Januar 2023 vielerorts deutlich anziehen. Im Vergleich mit der letzten Mitgliederbefragung des Verbands sei der Gaspreis für die Unternehmen allein in den vergangenen sechs Monaten im Mittel um 116 Prozent von 5,59 ct/kWh auf 12,07 ct/kWh gestiegen. Ein Viertel der Verbandsmitglieder zahle bereits derzeit mehr als 16 Cent pro Kilowattstunde. „In der Spitze werden Preissteigerungen von über 500 Prozent von Mitgliedsunternehmen gemeldet“, sagt Verbandsdirektor Hans Maier. Rund 34 Prozent der Wohnungsunternehmen besäßen noch Altverträge zu günstigen Preisen, die bis Ende 2023 laufen.
SWD Düsseldorf hält an Neubauprojekten fest
Während Neubauprojekte von Bau- und Wohnungsunternehmen bundesweit in großer Zahl gestoppt werden, hält die Städtische Wohnungsgesellschaft Düsseldorf (SWD) nach eigenen Angaben an ihren Neubauprojekten fest. Allein fünf Neubaumaßnahmen, die insgesamt für 186 neue Wohnungen stehen, sollen in den kommenden Monaten starten. Weitere 112 Wohnungen in zwei Projekten seien bereits im Bau und würden 2023 fertiggestellt. Fast 90 Mio. Euro investiere die SWD in die 298 Wohnungen dieser sieben aktuellen Bauprojekte, die bis auf wenige Ausnahmen öffentlich gefördert seien. Nach Einschätzung von SWD-Geschäftsführer Klaus Feldhaus ist die SWD „so gut aufgestellt, dass sie in diesem schwierigen Branchenumfeld antizyklisch agieren und in der Krise weiter neue Projekte beginnen kann“.
ZIA verlangt zeitweilige Aussetzung von Bauvorschriften
Die Ursachen für die insgesamt eingetrübte Stimmungslage der Immobilienbrache sieht der ZIA in der Entwicklung der Fremdfinanzierung aufgrund steigender Zinsen. Auch hohe Baukosten und extrem gestiegene Energiepreise drückten zunehmend auf die Stimmung. Es müsse jetzt darum gehen, Hürden, die „ohne großen Aufwand zu beseitigen sind, jetzt endlich entschieden wegzuschaffen“, so ZIA-Präsident Andreas Mattner. Konkrete Forderungen: Der ZIA setzt darauf, dass Planungs- und Bauvorschriften in Teilen für den Krisenzeitraum ausgesetzt werden, der Verband bewertet die gerade beschlossene Sonderabschreibung für Wohnungsbau als „völlig unzureichend“, weil sie so eingeschränkt ist, dass es kaum Anwendungsfälle gibt – „das kann man sich gleich sparen“, so Mattner.
Gemäß Jahressteuergesetz 2022 erhöht sich die steuerliche Normalabschreibung für Neubauten von zwei auf drei Prozent. Dieser erhöhte Afa-Satz findet Anwendung auf Wohngebäude, die ab 1. Januar 2023 fertiggestellt werden. Die bestehende Sonderabschreibung für den Mietwohnungsneubau von fünf Prozent, die weiterhin zusätzlich zur steuerlichen Normalabschreibung in Anspruch genommen werden kann, wird um vier Jahr bis Ende 2026 verlängert. Allerdings ist sie an den Neubaustandard Effizienzhaus 40 mit Nachhaltigkeits-Klasse geknüpft. Diese Streckung der Steuerschuld vergrößert die Liquidität von Bauherren und kann zusätzliche Bauinvestitionen anreizen.