Die Hoffnung stirbt zuletzt
Seit Jahren versucht die Politik die Energie- und Klimawende im Wohngebäudebereich mithilfe von Förderprogrammen zu stimulieren. Primär liegt der Fokus auf der energetischen Ertüchtigung von Mietwohnungen und Eigenheimbesitz. Die Situation von Wohnungseigentümern ist indes kaum, wenn überhaupt, berücksichtigt. Diese Kurzsichtigkeit erstaunt, wird nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes doch fast die Hälfte aller Wohnungen hierzulande von Eigentümern bewohnt1 . Hinzu kommt die Altersstruktur: Nach einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft sind knapp 60 Prozent der Wohnungseigentümer zwischen 65 und 74 Jahren alt2 . Diese Menschen haben ihr Eigentum in der Regel in den 1980iger- und 1990iger-Jahren erworben, in der Erwartung, dadurch im Alter abgesichert zu sein. Diese Rechnung geht für viele angesichts massiv gestiegener Energiepreise nicht mehr auf. Vor allem nicht für diejenigen mit schmaler Rente. Ist auch noch das Finanzpolster dünn, wird das Mittragen energetischer Sanierungsmaßnahmen schwierig. Für WEG-Verwalter keine einfache Situation.
Energiekosten fressen Rente auf
Wie prekär die Lage mancher älterer Eigentümer ist, schildert WEG-Verwalter Thorsten Hausmann aus Hamburg am Beispiel einer von ihm verwalteten Wohnanlage im Stadtteil Hummelsbüttel. Dort hätte der Energiepreisanstieg dazu geführt, dass sich das Hausgeld je nach Verbrauch und Größe der Wohnung um 50 bis 70 Prozent erhöht habe. „Durch die Erhöhung der Heizkosten von 65.000 Euro auf 260.000 Euro fällt für eine 85 Quadratmeter große Wohnung seit Januar 2023 ein Hausgeld von über 700 Euro an.“ Einem betagten Ehepaar, das nach 50 Jahren Selbstständigkeit eine Nettorente von 1.400 Euro bekäme, blieben nach Abzug des Hausgeldes nur knapp 700 Euro. „Damit liegen sie unter dem von der Bundesregierung festgestellten Existenzminimum und sind verarmt“, stellt der WEG-Verwalter fest, der seit mehr als fünf Jahrzehnten im Geschäft ist.
Er geht davon aus, dass dies kein Einzelfall bleiben wird. Mit seiner Vermutung könnte er womöglich richtigliegen. Einer Umfrage von YouGov im Auftrag der Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (GNIW) zufolge blickt die Hälfte der befragten Senioren mit selbst genutztem Wohneigentum mit Sorge auf die steigenden Energiepreise und mehr als jeder Zweite ist mit Blick auf die zukünftige finanzielle Mehrbelastung im Zusammenhang mit der Immobilie beunruhigt. Nur 28 Prozent sehen sich finanziell so gut aufgestellt, dass sie keine Sorge vor höheren Kosten haben3.
Mit kühlem Kopf und spitzem Bleistift
Doch nicht nur Älteren fehlt das Geld für energetische Ertüchtigungen. „Auch Jüngeren stellt sich die Bonitätsfrage“, sagt Thomas Hüttl, Geschäftsführer der Contecta Immobilienverwaltung GmbH. Das Unternehmen verwaltet 240 Wohnanlagen jeglicher Größe mit 5.200 Wohnungen in Augsburg und Dresden und führte seit 2008 rund 16 energetische Sanierungen mit einem Volumen zwischen 400.000 Euro und einer Million Euro durch. Jedoch wäre das Finanzielle nur eine Herausforderung bei der Sache. Eine weitere sei die Trennung von Fakten und Fiktionen. „Denn die Menge an zum Teil irreführenden Informationen, die Eigentümer über energetische Sanierungsmaßnahmen haben, ob aus der Presse, aus YouTube oder woher auch immer, erleichtert die Entscheidungsfindung nicht gerade.“
Um Eigentümer und Beiräte stichhaltig über WEG-Themen zu informieren, initiierte er die Veranstaltungsreihe „WissensVorsprung“, eine Mischung aus nützlichem Wissen, Netzwerken der Eigentümer untereinander und mit Branchenfachleuten sowie geselligem Beisammensein. So ließen sich Vorurteile besser ausräumen und Meinungen würden eventuell revidiert. Entscheidend ist aus seiner Sicht für die Beurteilung einer energetischen Sanierungsmaßnahme das Hinzuziehen eines Energieberaters oder auf Energiethemen spezialisierten Architekten.
„Nur der kann sagen, was notwendig ist und ob sich das Ganze rechnet.“ Steht der finanzielle Gesamtaufwand fest, erstellt Hüttl eine tabellarische Übersicht, die jedem Eigentümer aufschlüsselt, welche Kosten abzüglich Zuschuss und Rücklage plus Zinsen über einen Zeitraum von 10 Jahren Tilgung auf ihn zukommen. Das schaffe Transparenz und zuweilen einen Aha-Effekt. „Denn in der Regel liegt die Summe pro Eigentümer zwischen 15.000 und 25.000 Euro, ist also überschaubar und die monatlichen Raten erst recht.“
Gibt es dennoch Kandidaten, die den Betrag nicht aus eigener Kraft stemmen können, rät der Verwalter zur Prüfung eines WEG-Darlehens. „Das hat den Vorteil, dass bonitätsschwächere Eigentümer, egal ob alt oder jung, ohne Kreditprüfung ihren Anteil über zehn Jahre finanzieren können. Auch sind keine zusätzlichen Sicherheiten wie Grundschulden oder Bürgschaften erforderlich, da das WEG-Darlehen ein Blankodarlehen ist.“
Nicht unter Druck, sondern vorausschauend investieren
Auch für Stefan Buhl, geschäftsführender Gesellschafter der bundesweit tätigen Krasemann Immobilien Gruppe, die einen Immobilienbestand von rund 600 Millionen Euro verwaltet und aktuell über 140 Mitarbeiter an den Standorten Hannover, Berlin und Chemnitz beschäftigt, ist die feinfühlige Kommunikation das Entscheidende beim Thema energetische Sanierungsmaßnahmen. „Zum einen ist der Sachstand bei jedem Eigentümer anders. Hinzu kommen die teils gegenläufigen Interessen von Selbstnutzern und Kapitalanlegern. Da brauchen wir handfeste Argumente, um zu Investitionen in energetische Maßnahmen zu animieren. Allein Energie zu sparen, ist kein Anreiz“, berichtet er. Außerdem gebe es keine auf die spezielle Situation von WEGs zugeschnittenen Förderprogramme, was das Ganze zusätzlich verkompliziere. „Die Crux ist, dass es keinen echten Handlungsleitfaden für WEGs gibt.“
Zwar werde in Eigentümerversammlungen viel und zuweilen kontrovers über den Sinn und Zweck energetischer Maßnahmen diskutiert. Darüber gerate aber meist das eigentliche Ziel aus dem Blick: Werterhaltung zu betreiben. Er plädiert dafür, vom Geldsparen als Begründung wegzukommen und auf das technisch Notwendige zu fokussieren. „Dann wird nicht erst unter Druck gehandelt, wenn die Heizung kaputt ist und gezwungenermaßen erneuert werden muss, sondern vorausschauend investiert.“ So haben er und seine Teams gegenüber Eigentümern durchgesetzt, dass angemessene Instandhaltungsrücklagen gebildet werden, damit es eben nicht dazu kommt, dass Einzelne, ob alt oder jung, im Fall einer Reparatur oder Sanierung finanziell überfordert sind. Ein weiteres gutes Instrument ist Buhl zufolge der individuelle Sanierungsfahrplan (iSFP), erstellt von einem externen Berater. „Damit hat die WEG einen detaillierten Überblick über etwaige Sanierungsmaßnahmen und deren Einsparpotenzial.“
Denkbar wäre auch, eine Sanierung in Etappen durchzuführen. Das könne wohl bauphysikalisch problematisch sein, sei aber finanziell unter Umständen besser darstellbar. Dennoch ist der Verwalter wenig optimistisch, dass sich das finanzielle Dilemma für weniger gut gestellte Eigentümer auflösen lässt: „Es wird ein böses Erwachen geben. Banken achten bereits beim Verkauf und bei der Beleihung auf die Energieeffizienz von Gebäuden und damit deren Zukunftsfähigkeit.“
Wer jetzt nicht das letzte Zeitfenster für Sanierungen ohne große Auflagen mit relativ guten Fördermitteln nutze, laufe Gefahr, dass aus dem Vermögenswert ein Totalverlust werde, so die Einschätzung des Fachmanns.
Wohnrecht-Modell als Alternative
Zurück nach Hamburg zu Verwalter Thorsten Hausmann. Er bietet mit seinem Wohnrecht-Modell finanziell überforderten Eigentümern einen Ausweg aus ihrer misslichen Lage. Das von ihm entwickelte Modell sieht vor, dass der Eigentümer seine Wohnung verkauft und dafür eine Barauszahlung erhält plus das Recht, für einen vereinbarten Zeitraum – der in der Regel zwischen zehn bis 15 Jahren liegt – weiterhin die Wohnung zur Miete zu nutzen. „Der Eigentümer hat zwar die umlegbaren Heizungs- und Betriebskosten zu zahlen, nicht aber die sonstigen in einer WEG anfallenden Kosten, wie Reparaturen, Zuführung zur Erhaltungsrücklage und auch keine von der WEG beschlossenen Umlagen.“
Hausmann, der auch ein Maklerunternehmen betreibt, tritt als Vermittler zwischen Verkäufer und Käufer auf. Ein schneller Weg wäre die Lösung allerdings nicht, betont er, da es rund ein Jahr dauere, bis eine Wohnung vermarktet sei. Zudem müsste der Verkäufer vermutlich mit Abschlägen rechnen, wegen der noch zu tätigenden Investitionen in energetische Sanierungsmaßnahmen seitens des Käufers. Immerhin biete sein Modell aber eine Chance für Eigentümer mit knappem Budget, eine energetisch unsanierte Wohnung einigermaßen einträglich zu verkaufen. Derzeit interessierten sich hauptsächlich Freiberufler für das Wohnrecht-Modell. Künftig könnte es jedoch weitere Interessentengruppen geben, meint er, je nachdem welche Anforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden noch kämen.
Initiative entwickelt Finanzierungsinstrumente
Derweil jeder Verwalter als Einzelkämpfer nach praktikablen Lösungen für jede seiner WEG in puncto energetische Sanierungen sucht, will die Initiative „Green Home“ das Problem bei der Wurzel packen. Das von der EU geförderte Kooperationsprojekt wurde Ende 2021 gestartet. Getragen wird die Initiative vom Verband der Immobilienverwalter Deutschland (VDIV Deutschland), der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz (DENEFF), der Initiative Wohnungswirtschaft Osteuropa (IWO) und Funding for Future (F3).
Die Initiative zielt laut Projektleiterin Kristina Eisfeld darauf ab, „innovative Finanzierungsinstrumente und Geschäftsmodelle zu entwickeln, die die Heterogenität von WEGs und deren jeweiligen Besonderheiten des Gemeinschaftseigentums berücksichtigen und skalierbar sind“.
Runde Tische zur Ermittlung der WEG-Wünsche sind eingerichtet
Zur genauen Bedarfsermittlung dienen in Berlin/Brandenburg, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen eingerichtete Runde Tische, an denen sich zentrale Akteure (WEG-Beiräte, WEG-Verwaltungen und Vertreter aus den Bereichen Finanzierung, Energiedienstleistung und -beratung sowie der Politik) regelmäßig zum Austausch treffen. Gäste aus anderen Bundesländern seien natürlich herzlich willkommen. Überdies gibt es Workshops zu Sanierungsthemen und sogenannte „Learning Events“, bei denen Projekte in den baltischen Staaten und Polen vorgestellt werden. Die Resonanz auf die Angebote wäre enorm, sagt Eisfeld, und zeige, wie dringend nötig der Erfahrungsaustausch sei, um gemeinsam zu Lösungen für alle zu kommen.
Im September 2024 endet das Förderprojekt. Bleiben also noch rund anderthalb Jahre für WEGs und ihre Verwalter, sich aktiv einzubringen und die finanziell prekäre Lage betroffener Eigentümer zu entschärfen. Bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt.


Thorsten Hausmann, Bild: Hausmann Hausverwaltung GmbH


Bild: Verband WIE
Keine Kohle für den Klimaschutz
Literaturhinweise
www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Wohnen/_inhalt.html
www.iwkoeln.de/studien/michael-
voigtlaender-pekka-sagner-analyse-
der-bildung-von-wohneigentum.html
https://gniw.de/pressemitteilungen/
umfrage-senioren-wohnen-in-alten-
haeusern
Dagmar Hotze
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